Das Buch Rut

Rut 4,13-22: Hochzeit, Schwangerschaft und Geburt

13So nahm Boas Rut zur Frau und ging zu ihr. Der HERR ließ sie schwanger werden und sie gebar einen Sohn.14Da sagten die Frauen zu Noomi:

Gepriesen sei der HERR, der es dir heute nicht an einem Löser hat fehlen lassen. Sein Name soll in Israel gerühmt werden.15Du wirst jemand haben, der dein Herz erfreut und dich im Alter versorgt; denn deine Schwiegertochter, die dich liebt, hat ihn geboren, sie, die mehr wert ist als sieben Söhne.

16Noomi nahm das Kind, drückte es an ihre Brust und wurde seine Pflegemutter.

17Die Nachbarinnen rühmten ihn und sagten:

Der Noomi ist ein Sohn geboren.

Und sie gaben ihm den Namen Obed. Er ist der Vater Isais, des Vaters Davids.

18Das ist die Geschlechterfolge nach Perez: Perez zeugte Hezron,19Hezron zeugte Ram, Ram zeugte Amminadab,20Amminadab zeugte Nachschon, Nachschon zeugte Salmon,21Salmon zeugte Boas, Boas zeugte Obed,22Obed zeugte Isai und Isai zeugte David.

Überblick

Die Rückkehr Noomis nach Betlehem findet in der Geburt des Sohnes Ruts und Boas ein Happyend. Die Solidarität Ruts lässt nicht nur Noomi wiederaufleben, sondern wird zum Vorbild für Israel und dessen Hoffnung auf einen neuen König David.

 

1. Verortung im Buch

Rut kam als Moabiterin nach Betlehem, die als Ausländerin (Rut 2,10) Noomi versorgte. Sie bezeichnete sich selbst zuerst als Arbeitssklavin (Rut 2,13) und dann als Hausmagd Boas‘ (Rut 3,9), der sie nun heiratet, wodurch sie in das Volk Israel aufgenommen wird. Während auf diesem Weg die Segenssprüche jeweils von einem Menschen zum anderen gesprochen wurden – Noomi bittet Gott um seinen Segen für ihre Schwiegertöchter (Rut 1,9) und für Boas (Rut 2,20) und Boas bitte Gott um seinen Segen für Rut (Rut 3,10) – wird Gott am Ende selbst für sein Handeln Segen gewünscht. Er, der abgesehen vom Beenden der Hungersnot (Rut 1,6) keine Rolle in der Erzählung gespielt hat, wird für das gute Ende gepriesen. Diejenigen, die Rut darum gebeten hatte, fortan von ihnen nur noch „die Bittere“ genannt zu werden, wird nun wieder als Noomi, „die Wonne“ angesprochen. Ihr Schicksal hat sich gewendet und aus der kinderlosen, alten Witwe ist die Urgroßmutter König Davids geworden.

 

2. Aufbau von Rut 4,13-17

 

Das Buch endet mit einem kurzen und einem langen Stammbaum Davids, in den der Sohn Ruts und Boas‘ eingeordnet wird und somit schon die Perspektive in die Königszeit gelenkt wird. Die Bedeutung der erzählten Geburt (Verse 13.16) wird durch die Frauen Betlehems gedeutet (Verse 14-15.17).

 

3.  Erklärung einzelner Verse

Vers 13: Kaum ist der Segenswunsch verklungen, so erfüllt er sich. Boas und Rut heiraten und ihnen wird ein Sohn geboren. In Rut 1,6 hatte Gott das Land wieder fruchtbar werden lassen, nun ermöglicht er der bislang kinderlosen Frau Fruchtbarkeit.

Vers 14-15:  Gott wird nicht gepriesen, weil er Elimelech und Machlon einen Nachfahren durch Rut geschenkt hat, sondern weil er Noomi durch die Geburt des Sohnes einen Löser erschaffen hat. Der Begriff „Löser“ ist hier nun deutlich getrennt von dem Rechtsinstitut der Lösung (Levitikus 25,25). Der Sohn ist Noomis Erlöser: Noomi war lebensmüde und mit leeren Händen aus Moab „zurückgekehrt“, nun kehrt durch ihn ihre Lebenskraft zurück und ihre Altersversorgung ist gesichert. Er ist die verkörperte Liebe Ruts zu Noomi.   

Vers 16-17: Das im hebräischen Text für „das Kind“ stehende Wort ist ילד, das man auch mit „der Geborene” übersetzen kann. Mit diesem Begriff wurden in Rut 1,5 auch Noomis beiden Söhne Machlon und Kiljon bezeichnet, an deren Stelle das Kind nun tritt. Rut setzt das Kind auf den Schoß Noomis und überträgt ihr damit nicht nur Erziehungs- und Pflegeaufgaben, sondern macht sie zu dessen Zweitmutter, wie der Ausruf der Frauen verdeutlicht: „Der Noomi ist ein Sohn geboren.“  Und sein Name verdeutlicht seine Funktion für sie: „Diener“; er wird Noomi versorgen. Zugleich verweist der Name aber auch auf seinen berühmten Nachfahren, David, der als Diener/Knecht Gottes bezeichnet wird (2 Sam 3,18).

Verse 18-22: Nachdem die Stammbaumlinie von Obed bis zu David gezogen wurde, wird sie am Ende des Buches zurück bis zu den Erzeltern verlängert. Typisch für altorientalische Königsgenealogien werden zehn Glieder aufgeführt – die Zahl steht für Vollständigkeit und will keine geschichtliche Wahrheit anzeigen: Fünf Generationen von Perez bis zum Auszug aus Ägypten und fünf Generationen vom Exodus bis zu David. Nachschon gehörte zu der Generation, die mit Mose die Sklaverei in Ägypten verließen (Numeri 1,7). Zwar wird in dem Stammbaum Rut nicht erwähnt, aber durch ihn wird die sie in die Heilsgeschichte Israels eingeordnet.

Auslegung

Die erste beim Namen genannten Person des Buches Rut ist Elimelech. Der Name des Ehemannes Noomis bedeutet „Mein Gott ist König“. Am Ende des Buches wird David genannt, der paradigmatische König Israels. Während das Buch in der Richterzeit beginnt, als es noch keinen Staat gab (Rut 1,1), steht an Ende der Verweis auf eine neue Ära. Mit David und dem israelitischen Königtum sind im Alten Testament viele Hoffnungen verbunden, die bis ins Neue Testament hineinreichen und dessen Deutung Jesu als Sohn Davids, der seinem Volk Erlösung bringt. In diesem Kontext ist die Hervorhebung des Sohns Ruts und dessen Bedeutung für Noomi als Löser ein Abbild für die Hoffnungen Israels auf die Erlösung durch Gott. Gott schenkt als Resultat der grenzenlosen Solidarität Ruts einen Erlöser. So wird die Moabiterin Rut und ihr Handeln zu einem Vorbild für Israel.

Kunst etc.

In dieser Darstellung des britischen Malers Simeon Solomon (1840-1905) liegt Obed in den Armen Noomis, die sich liebevoll an Rut anlehnt und den Neugeborenen im Angesicht Ruts, ihr zugewandt, hält. Rut und Noomi gemeinsame sind des Kindes Mutter.

Simeon Solomon, Ruth, Naomi and Obed, Privatsammlung - Lizenz: gemeinfrei.
Simeon Solomon, Ruth, Naomi and Obed, Privatsammlung - Lizenz: gemeinfrei.