Ruts letzte Worte im Buch sind ein Zitat aus Boas‘ Mund – und in Noomis letzten Worten drückt sich die Gewissheit aus, dass sich ihr Schicksal gewendet hat. Die beiden Heldinnen des Buches führen ein letztes Gespräch, bevor im nächsten Kapitel Boas als ihr Löser auftritt und ihren Plan vollzieht.
1. Verortung im Buch
Wieder, wie am Ende des zweiten Kapitels, wird das erzählte Geschehen in einem Gespräch zwischen Noomi und Rut gedeutet. Wieder kehrt Rut zurück nach Hause und Noomi eröffnet mit einer Frage das Gespräch. Während jedoch bisher die Erzählung linear verlief, geschieht nun alles in einem Moment. Während Rut und Noomi reden, versammelt Boas bereits im Tor der Stadt die Ältesten, um als Löser aufzutreten (Rut 4,1).
2. Aufbau
Die Redeanteile von Rut und Noomi sind – anders als noch am Ende vom vorherigen Kapitel – nun gleich groß. Rut berichtet von Boas Taten und Noomi deutet das erzählte Geschehen als Gewissheit, dass sich nun ihre Not wenden wird.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 16: Als Rut heimkehrt fragt sie Noomi wörtlich: „Wer bist du, meine Tochter?“ Die Anrede zeigt, dass diese Worte keine Frage nach der Identität sind, sondern nach dem Status Ruts nach der Nacht. In der jüdischen Auslegungstradition wird die Frage folgendermaßen paraphrasiert: „Bist du noch frei oder schon die Frau eines Mannes?“ Kommt sie zurück als die moabitische Arbeitssklavin oder als zukünftige Frau ihres Lösers? Der Erzähler zitiert noch nicht die Antwort Ruts, sondern fasst ihren Bericht kurz zusammen. Dabei nennt er Boas bewusst „den Mann“, um auf die bevorstehende Ehe zu verweisen. Auch bezieht er sich zurück auf Ruts Worte in Rut 2,19. Dort hatte sie Noomi berichtet, dass sie bei Boas gearbeitet hat. Das von ihr im Hebräischen verwendete Wort bedeutet wörtlich übersetzt „tun“ und verweist hierin Vers 16 auf, den Eid Boas‘. So deutet der Erzähler an, dass aus Ruts Taten, Boas Handeln folgt.
Vers 17: Rut zitiert Boas, aber er hat diese Worte zuvor nicht gesprochen. Es ist im Alten Testament nicht unüblich, wenn grundlegende Aussagen erst später in einem passenderen Kontext wiedergegeben werden. Dass Boas mit dem Nahrungsgeschenk auch Noomi bedacht hat, legt sich nahe, weil er in seinem Lob, Ruts Güte gegenüber Noomi gepriesen hatte. Die letzten Worte Ruts in dem Buch sind somit Boas‘ Worte. Sie zeigen an, dass sich die Not Noomis zum Heil gewendet hat. Noomi war mit leeren Händen aus Moab zurückgekehrt (Rut 1,21). Nun gibt Boas in diese leeren Hände zuerst Gerste und im folgenden Kapitel einen Enkel.
Vers 18: Es bedarf keines weiteren Plans und keiner weiteren Handlung. Wörtlich sagt Noomi zu Rut: „Bleib hier, bist du erfährst, wie die Angelegenheit / das Wort ausfällt.“ Die Wortwahl deutet das folgende Geschehen als eine Art Losorakel. Eine solche Entscheidung hat nichts mit dem Zufall zu tun, sondern man vertraute darauf, dass Gott durch das Losorakel entscheidet (Ps 16,6). So wie Rut durch Zufall auf das Feld des Boas‘ gegangen ist, so wird Gott verdeckt für sie handeln. Oder: Durch das Handeln der Menschen verwirklicht sich Gottes Vorsehung. In der erzählten Zeit „heute“ – das ist das letzte Wort des dritten Kapitels – wird ein Löser auftreten.