Noomi versteht, dass sich ihr Schicksal gewendet hat. Rut ist unverhofft, auf denjenigen getroffen, der ihre Probleme nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft lösen kann.
1. Verortung im Buch
Am Morgen war Rut zum Auflesen auf die Felder gegangen (Vers 3) und nach einem langen Tag kommt sie nun zurück in die Stadt zu ihrer Schwiegermutter. Im Kontrast zur gemeinsamen Rückkehr Noomis und Ruts nach Betlehem im ersten Kapitel kehrt sie nun jedoch nicht mit leeren Händen zurück (Rut 1,21), sondern mit reicher Ernte. Wie im vorherigen Kapitel steht nun wieder am Ende ein Gespräch, dass das Geschehene zusammenfasst und ausdeutet und vorausweist auf das, was folgt.
2. Aufbau
Im Zentrum des Gesprächs zwischen Noomi und Rut steht der Segenswunsch für Boas (Vers 20). Nicht Ruts Tun an diesem Tag und an den folgenden Erntetagen (Verse 19 und 23) wird gepriesen, sondern der Fokus liegt auf Boas als dem Retter der beiden Frauen. Auch in Ruts Worten (Verse 19 und 21, die das theologische Zentrum des Gesprächs rahmen, geht es in den knappen Antworten nur um das Handeln Boas‘.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 18: Den Überfluss, der Rut zuteil geworden ist, gibt sie am Abend an Noomi weiter. Sie teilt nicht nur die Nachlese mit ihr, sondern gibt ihr auch von ihrem Mittagessen. So wie Gott seinem Volk wieder Nahrung gegeben hat (Rut 1,6), so gibt nun Rut, nachdem sie satt geworden war, das Übriggehaltene an ihre Schwiegermutter (siehe נתן, gesprochen: natan, „geben“ in Rut 1,6; 2,18). Der Segen Gottes verbreitet sich durch die menschliche Hand.
Vers 19: Rut verwunderte Frage, warum Boas sich ihrer kümmernd angenommen hat (Vers 10) und Noomis Segenswunsch für den Wohltäter sind wörtlich miteinander verbunden (נכר, gesprochen: nachar, „wahrnehmen“, „kümmern“). Beide Frauen verweisen damit auf die besondere Gnade, die Boas Rut erwiesen hat. Noomi wünscht dem Mann Gottes Segen, noch bevor sie weiß, wer er ist.
Vers 20: Als Noomi erfährt, dass der Wohltäter Boas ist (vergleiche Vers 1), spricht sie für ihn einen Segenswunsch, der ein Lobpreis Gottes ist. Sie erkennt in seinem Handeln Gottes Wirken und benennt ihn als einen der möglichen Löser (siehe Auslegung).
Verse 21-23: Nun wird deutlich, dass das Verhalten Boas keine einmalige Handlung ist, sondern er Rut für die gesamte Gersten- und Weizenernte (Vers 23) das Auflesen gestattet hat und sie bei seinen Arbeitern mit auf dem Feld sein darf. Diese Zusage bedeutet auch Schutz für Rut, wie Noomi in ihren Worten betont. Rut soll sich bei Boas Mägden aufhalten, damit sie von niemanden sexuelle belästigt oder gewalttätig behandelt werden kann. In ihren Worten verdeutlicht sich, dass Boas der Garant des Schutzes ist, den Boas Rut von Gott wünscht (Vers 12). Allerdings ist die dauerhafte Versorgung der beiden Witwen noch nicht gesichert. Boas‘ Zusage gilt nur für die Erntezeit. Noomi und Rut sind weiterhin aufeinander angewiesen und alleine in Betlehem.