Neid, Missgunst und politisches Kalkül. Der Tod des Gottessohnes am Kreuz steht unter den Vorzeichen menschlicher Begrenzungen.
1. Aufbau
Die Erzählungen von Leiden und Sterben Jesu in den synoptischen Evangelien (Markus, Matthäus und Lukas) weisen übereinstimmend folgende Abschnitte auf:
- Todesbeschluss, Salbung Jesu, Judas bei den jüdischen Autoritäten
- Vorbereitung zum Abendmahl, Abendmahl
- Gang zum Ölberg, Gebet in Getsemani, Verhaftung Jesu
- Verhör Jesu durch die jüdischen Autoritäten
- Verleugnung des Petrus und Überstellung Jesu an Pilatus
- Verhör durch Pilatus
- Kreuzigung Jesu
- Tod Jesu
- Grablegung Jesu
Der Evangelist Markus, der als erster ein Evangelium, also eine frohe Botschaft über Jesus von Nazareth, den Christus, schreibt, fand bei der Abfassung seines Evangeliums bereits eine „Passionserzählung“ vor. Diese bestand im Kern aus der Kreuzigungsszene und vermutlich der Grablegung durch Josef von Arimathäa, dem Verhör vor Pilatus, der Geißelung und Verspottung und der Kreuzesinschrift. Darüber hinaus gab es weitere Erzähltraditionen, wie z.B. den Bericht vom letzten Abendmahl oder der Salbung in Betanien, die der Kernerzählung zur Zeit der Abfassung des Markusevangeliums bereits hinzugefügt worden waren. Der Evangelist Markus greift auf diese Überlieferung zurück. Die Evangelisten Matthäus und Lukas orientieren sich am Markusevangelium, bringen aber weitere Erzähltraditionen und eigene Akzente hinein.
Darüber hinaus ist auch die Passionserzählung des Evangelisten Johannes weitestgehend in Abfolge und oft sogar bis in den Wortlaut parallel lesbar.
Im Folgenden sollen wegen des Textumfangs nur diejenigen Szenen in den Blick genommen werden, die der Evangelist Matthäus in anderer Weise oder zusätzlich zu Markus und Lukas in sein Evangelium (Matthäusevangelium – Mt) übernimmt. Sie geben einen Einblick in seine Sicht und Deutung des Geschehens zwischen Todesbeschluss durch die jüdischen Autoritäten und dem Tod Jesu. In diesen Szenen lassen sich sowohl die großen Linien des Evangeliums weiterführen als auch ein Bezug zur aktuellen Situation der Gemeinde finden, für die Matthäus sein Evangelium verfasste.
Diese Abschnitte der Passionserzählung finden sich so nur bei Matthäus:
- Der Tod des Judas: Mt 27,3-10,
- Die Sicherung des Grabes: Mt 27,62-66
Darüber hinaus aber setzt Matthäus weitere Akzente, indem er von der „Vorlage“ aus dem Markusevangelium abweicht:
- Die jüdischen Autoritäten z.B. Mt 26,1-5 und bei der Sicherung des Grabes
- Ausgestaltung der Figur des Judas, vor allem durch die Erzählung von dessen Tod, aber auch in Mt 26,15 und 26,25
- Jesus als Sohn Gottes im Gehorsam gegenüber dem Vater z.B. Mt 26,51-53, Mt 27,41-43
- Pilatus und seine Frau Mt 27,17-25
3. Erklärung einzelner Passagen und Themen
Die jüdischen Autoritäten
Mt 26,1-5: Der Beginn der Passionsgeschichte im Matthäusevangelium ist von besonderer Bedeutung. Die Verse 1-2 hat Matthäus extra hinzugefügt. In ihnen macht er deutlich: „Alle“ Worte Jesu kommen nun zu einem Ende, das meint: Von nun an wird Jesus nicht wie zuvor im Evangelium den Jüngern und dem Volk weiter das Reich seines Vaters, das Königreich des Himmels, verkündigen. Die sogenannte Endzeitrede, die der Passionsgeschichte vorausgeht (Mt 24,3-25,46), war die letzte von insgesamt fünf großen Redeeinheiten im Evangelium. Nun ereignet sich die Verkündigung der Macht des Vaters nicht mehr in Worten, sondern im Schicksal, das Jesus widerfährt. Darauf bereitet er sie entsprechend vor und klärt sie auf, dass nun, also „in zwei Tagen“ der Zeitpunkt gekommen sein wird, auf den er schon mehrfach hingewiesen hat: Der Menschensohn wird ausgeliefert und gekreuzigt. Indem der Evangelist diese Aussage Jesu noch vor den Todesbeschluss der jüdischen Autoritäten setzt, wird deutlich: Auch wenn Jesus von nun an zum Spielball anderer Mächte wird, bleibt er doch derjenige, der den Dingen souverän gegenübersteht. Er bleibt der eigentlich Handelnde, obwohl man ihn festnehmen, verspotten und kreuzigen wird. Denn er bestimmt, in welcher Weise er dieses Schicksal erleidet und durchlebt. Und er weiß, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist, den Menschen aufzuzeigen, dass er der vom himmlischen Vater gesandte Sohn ist.
Ebenfalls besonders an der matthäischen Einleitung ist die Skrupellosigkeit der jüdischen Autoritäten, die sich in Vers 3 zeigt. Die Ältesten und die Hohepriester „versammeln“ sich, das heißt, sie treffen sich gezielt, um einen Entschluss und Plan zu schmieden. Das erste Mal treten diese beiden Personengruppen in Mt 21,23, nach dem Einzug in Jerusalem, gemeinsam auf. Seitdem berichtet Matthäus wiederholt davon, dass seine Gegner ihn ergreifen wollen, es aus unterschiedlichen jedoch nicht gelingt (Mt 21,45-46; Mt 22,15).
Mt 27,62-66: Ausgerechnet an einem Sabbat werden die Pharisäer und Hohenpriester in der Passionsgeschichte ein letztes Mal aktiv. Nach dem Tod Jesu gehen sie zu Pilatus und bitten um die Bewachung des Grabes. Ihr Argument ist der Satz, dem sie eigentlich nur bedingt Glauben schenken: „Ich werde nach drei Tagen auferstehen“. Um allen Betrugsmöglichkeiten, das heißt einem Leichendiebstahl vorzubeugen, soll das Grab gesichert werden. Die Anweisung des Pilatus „so gut ihr könnt“ gibt schon einen ironischen Hinweis darauf, dass dieses Unterfangen nicht gelingen kann. Im Fortgang der Erzählung wird sich zeigen, dass gerade die zur Absicherung aufgestellten Wachen das leere Grab bezeugen können (Mt 28,4). Diejenigen, die einem Betrug vorbeugen wollen, werden am Ende selbst zu Betrügern, denn nach der Auferstehung müssen die Wachen vom Hohenrat bestochen werden, damit sie ein falsches Zeugnis ablegen und einen Betrug erfinden (Mt 28,11-15).
Mit allen Mitteln – so wird klar – möchten die jüdischen Autoritäten Jesus nicht nur von der Bildfläche verschwinden lassen, sondern sogar jeglichen Fortgang seiner „Geschichte“ verhindern. Mit der Bewachung des Grabes sollen er und seine Verkündigung ein für alle Mal im wahrsten Sinne des Wortes begraben werden.
Judas Iskariot
Mt 26,14-16: Die Notiz vom Verrat des Judas erweitert Matthäus um einen O-Ton des Verräters. Die voran gestellte Erinnerung, dass Judas einer aus dem Kreis der Zwölf ist, unterstreicht die Brisanz, dass Jesus von einem der engsten Vertrauten an die jüdischen Obrigkeiten übergeben wird. Die Frage des Judas nach der Gegenleistung für seine Auslieferung, soll den Verrat plausibel machen: Judas geht es ums Geld (vgl. Johannesevangelium 12,6).
Der Betrag von 30 Silberlingen spielt einerseits an auf den Lohn den, den der Prophet Sacharja erhält und dann dem Herrn zum Einschmelzen übergibt (Sacharja 11,12). Andererseits ist dies auch der Betrag, der im Buch Exodus als Entschädigungsbetrag angesetzt wird, wenn ein Sklave durch ein Rind ums Leben kommt (Exodus 21,32). Wenn die Autoritäten Jesus für den Preis von einem getöteten Sklaven ausliefern lassen, wird die durchgehende Geringschätzung deutlich.
Mt 26,25: Auch in der Abendmahlsszene wird Judas eine besondere Rolle zugesprochen. Denn obwohl die Ankündigung Jesu, einer der Zwölf werde ihn verraten, schon deutlich war, reagiert Judas darauf. Anders als die Jünger, die Jesus mit „Herr“ ansprechen, benutzt Judas die Anrede „Rabbi“, die sonst meist nur aus dem Mund der Gegner Jesu zu hören ist. Die Frage des Judas bewirkt, dass alle Jünger von nun an wissen, wer aus ihren Reihen, Jesus verraten wird.
Mt 27,3-10: Dieser Abschnitt ist von Matthäus eigens gestaltet, er nimmt dabei aber offensichtlich eine Überlieferung auf, die auch der Evangelist Lukas kennt, der vom Ende des Judas in der Apostelgeschichte berichtet (Apostelgeschichte 1,16-20), wobei die Gemeinsamkeiten gering sind.
Der Evangelist nimmt in gewisser Weise das „Wehewort“ aus Mt 26,24 auf und zeichnet das weitere Schicksal dessen, der den Menschensohn ausliefert nach. Sein Fokus liegt dabei jedoch zu gleichen Teilen bei den jüdischen Autoritäten und Judas. Der Abschnitt besteht aus zwei Teilen. In den Versen 3-5 wird der Versuch des Judas beschrieben, das Geschehene ungeschehen zu machen. Seine vermeintliche Reue angesichts der Ereignisse setzt eigentlich die schon erfolgte Verurteilung Jesu voraus – diese Vorwegnahme der Ereignisse schien für Matthäus jedoch kein Problem zu sein. Er bringt denen das Geld zurück, von denen er es erhalten hat und versucht deutlich zu machen: Ich möchte hiermit nichts zu tun haben, ich habe einen Fehler gemacht, ich habe einen Unschuldigen ans Messer geliefert. Die Reaktion der Hohepriester und Ältesten ist gnadenlos: „Das ist deine Sache.“ Es ist der Versuch, jede Beteiligung an der Auslieferung und dem Verrat zurückzuweisen; doch das gelingt nur bedingt, denn in V.6 müssen sie sich zu dem Geld verhalten. Der Selbstmord scheint angesichts der Schwere des begangenen Fehlers und der Tatsache, dass die jüdischen Autoritäten die Schuld allein auf ihn schieben, der einzig denkbare Ausweg für Judas. Sein Entschluss erinnert an Ahitofel, einen Berater von König David, der sich vom König losgesagt hatte und sich fortan gegen ihn wandte (2. Buch Samuel 17,23).
Nach dem Tod des Judas müssen die Obrigkeiten überlegen, was mit den 20 Silberstücken zu tun ist. Indem sie selbst von „Blutgeld“ sprechen, wird deutlich, dass sie selbst die Konsequenzen des Verrats sehr genau vor Augen haben und genau dies ihr Plan war. Wie bereits in Mt 27,1 (Auslieferung Jesu an Pilatus) fassen sie gemeinsam einen Beschluss und kaufen einen Acker als Begräbnisstätte für die Fremden davon.
Das abschließende Erfüllungszitat ist das letzte im Matthäusevangelium, das ganz bewusst die Bezüge zur Heiligen Schrift auf diese Weise kennzeichnet. Obwohl als ein Jeremia-Zitat gekennzeichnet, handelt es sich um ein Zitat aus dem Buch des Propheten Sacharja (Sacharja 11,12-13), das jedoch mit einem Zitat aus dem Buch Jeremia (Jeremia 32,8-9) frei kombiniert wird. Die Zielrichtung dieser Rückverweise auf die Schrift ist eindeutig: Die jüdischen Autoritäten, die einen Spottpreis für die Auslieferung Jesu durch Pilatus bezahlt haben, investieren in einen Acker. Im Buch Jeremia ist mit dem Ackerkauf eine Verheißung verbunden, hier ist der Ackerkauf Zeichen eines nicht wieder gutzumachenden Fehlers.
Jesus als Sohn Gottes
Schon die Ankündigung der Geburt Jesu verwies auf die göttliche Abstammung Jesu, in der Taufperikope wird es offensichtlich: Jesus ist der Sohn Gottes. Als dieser Sohn Gottes – so zeigt es der Evangelist Matthäus – ist es Jesu Sendung, das Himmelreich Gottes zu verkünden und den Menschen Gottes Wirklichkeit sichtbar und erfahrbar zu machen. Zur Sohnschaft gehört das Handeln aus dem Willen Gottes heraus, was nichts anderes bedeutet, als gerecht zu handeln, Gerechtigkeit zum Lebensprinzip zu machen. In der Versuchung durch den Teufel (Mt 4,1-11) hatte Jesus gezeigt, dass er wahrhaftig ganz aus dieser Sohnschaft heraus lebt. Er wird nichts tun, was dem Willen des Vaters entspricht. Das bedeutet, seine Vollmacht nie für sich, sondern nur für diejenigen einzusetzen, zu denen er gesandt ist. Denn Jesus ist der Immanuel (Mt 1,23), der Gott mit uns. Dieses Motiv der Gottessohnschaft Jesu entfaltet der Evangelist durch sein Evangelium hindurch. Da Jesus als Gottes Sohn, dessen Willen authentisch vertreten und auslegen kann, kommt es immer wieder zu Konflikten mit denjenigen aus dem Judentum, die auf ihre Interpretation des Willens Gottes beharren.
Die folgenden Stellen aus der Passionserzählung zeigen, wie Matthäus dieses Motiv der Gottessohnschaft bis hin zum Kreuzestod (und der Auferstehung) besonders betont.
Mt 26,29: In der Überlieferung der Abendmahlsszene formuliert Jesus bei Matthäus (anders als bei Markus und Lukas): „Von jetzt an werde ich nicht mehr von dieser Frucht trinken, bis zu dem Tag, an dem ich im mit euch von Neuem davon trinke im Reich meines Vaters.“ Sowohl den Gedanken des Immanuel, des mit den bei den Menschen seienden Gottes, als auch die explizite Erwähnung des Vaters hat Matthäus bewusst hier eingefügt.
Mt 26,51-53: Jesus handelt in der Situation der Gefangennahme so, wie er es den Jüngern in der Bergpredigt mit auf den Weg gegeben hatte: „Leistet dem, der euch etwas Böses tut, keinen Widerstand“ (Mt 5,39). Darüber hinaus macht er hier noch darauf aufmerksam, dass Gewalt zu Gegengewalt führt und damit ein Kreislauf der Gewalt losgetreten wird, dessen Ende nicht absehbar ist. Doch noch eine zweite Szene aus dem Beginn des Evangeliums wird hier in Erinnerung gerufen: In der Wüste hatte der Teufel Jesus dazu verführen wollen, die Schutzmächte Gottes für sich in Anspruch zu nehmen und sich vom Tempel zu stürzen (Mt 4,5-7). Hier nun lässt Jesus keinen Zweifel daran, dass ihm diese Schutzmächte zur Verfügung stünden. Doch er macht zugleich deutlich, dass dies nicht der Weg und Wille des Vaters ist, und damit auch nicht seiner.
Mt 27,41-43: Die Verspottung des Gekreuzigten durch die jüdischen Obrigkeiten erreicht ihren Höhepunkt, wenn sie ihm mit den Worten von Psalm 22,9 vorhalten, er hätte doch auf Gott vertraut, gesagt, er sei sein Sohn und könne sich nun doch selbst nicht retten. Diese Bezugnahme auf die Gottessohnschaft Jesu hat Matthäus gekonnt als Höhepunkt der Schmähungen eingefügt. Es zeigt, wie wenig die jüdischen Autoritäten den Kern der Sohnschaft Jesu verstanden haben.
Mt 27,51-53: Mit eindrücklichen Bildern zeichnet Matthäus eine „Antwort“ des Vaters auf die Zweifel, Schmähungen und den gewaltsamen Tod seines Sohnes. Das Zerreißen des Tempelvorhangs (vgl. Markus und Lukas) zeigt an, dass der Tempel als Ort der Begegnung mit Gott angesichts des gekreuzigten Gottessohnes, der sein Leben für die vielen hingegeben hat, seine Notwendigkeit verliert. Erdbeben gehören zu den Zeichen, die den Beginn der Endzeit einläuten (Joel 2,10), zugleich können sie Gotteserscheinungen begleiten (2. Buch Samuel 22,8). Matthäus spielt auf beide Lesarten an, wenn er unmittelbar nach dem Tode Jesu von einem Erdbeben spricht. Für ihn ist das Erdbeben vor allem Auslöser der Spaltung der Felsen, so dass die Gräber geöffnet werden (Ezechiel 37,7 und 12-13). Die Heiligen, die aus den Gräbern auferstehen, sind die Propheten und Gerechten. In Mt 23,29-35 hatte Jesus die Pharisäer und Schriftgelehrten angeklagt, weil diese die Gräber der Propheten ehren und Denkmäler errichten und für sich behaupten, sie könnten niemals das Blut solcher vergießen. Die Öffnung der Gräber der Heiligen ist ein schreiendes Zeichen gegen diejenigen, die Jesu Tod verantworten. Das Schicksal Jesu und das der Propheten wird bewusst miteinander verbunden (vgl. Mt 21,34-39). In Vorausschau auf die österlichen Ereignisse spricht Matthäus davon, dass sie nach der Auferstehung Jesu nach Jerusalem gehen und dort Zeugnis ablegen. Zeugnis dafür, dass Gott eben sehr wohl den Gerechten beisteht – auch wenn alle Spotter unter dem Kreuz anderes behaupten.
Einen Teil der Schmähenden aus dem Prozess Jesu nimmt Matthäus am Ende der Szene in den Blick. Er spricht von mehreren Soldaten, die angesichts der Ereignisse (auch wenn manche hier in der Vorausschau beschrieben werden) das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes ausrufen. Ihre Begegnung mit Gott in Jesus Christus als dem Gekreuzigten drückt sich auch im typischen Moment des Erschreckens aus, von dem Matthäus spricht.
Pilatus und seine Frau
Mt 27,17-25: In das Verhör Jesu vor Pilatus baut der Evangelist eine Zusatzszene ein. Nach der Feststellung, dass Pilatus die eigentlichen Beweggründe kennt, mit denen die jüdischen Obrigkeiten ihm Jesus ausgeliefert haben (Vers 18), ergreift die Frau des Pilatus das Wort, wenn auch, ohne in Erscheinung zu treten. Sie lässt ihrem Mann von einem Traum berichten und mahnt ihn, von dem „Gerechten“ die Finger zu lassen. Ihre Sorge gilt ihrem Mann nicht Jesus und dennoch bestärkt sie damit die eigene Einschätzung des Pilatus, denn die Bezeichnung „Gerechter“ spricht die Unschuld Jesu aus. Das Motiv der Träume ist dem Leser aus dem Anfang des Evangeliums bekannt. Immer wieder wurde Josef im Traum das richtige Handeln angezeigt und so das Kind vor und nach der Geburt beschützt. Nun könnte auch dieser Traum augenscheinlich Jesus vor dem drohenden Urteil schützen, doch die Macht der jüdischen Obrigkeiten ist zu groß. Sie überreden die Menge, für die Freilassung des Barabbas zu stimmen.
Pilatus knickt ein, trotz seiner eigenen Wahrnehmung und der Warnung seiner Frau liefert er den Juden Jesus aus. Die symbolhafte Handlung des Händewaschens vor aller Augen soll den Juden deutlich machen, dass er nichts mehr mit der Angelegenheit zu tun hat. Mit den gleichen Worten, mit denen zuvor die Obrigkeiten Judas die Schuld zugeschoben haben („das ist deine Sache“), zeigt er hier an, bei wem die Schuld gelagert ist: „Das ist eure Sache“. Das Waschen der Hände ruft Deuteronomium 21,1-9 in Erinnerung, wo beschrieben wird, wie man beim Auffinden eines Ermordeten handeln soll, aber auch andere Belege zu dieser Zeichenhandlung (Psalm 26,6).
Die Antwort der Juden erfolgt ebenfalls im Duktus biblischer Überlieferung (vgl. 2. Buch Samuel 1,16), Sie drückt aus, dass die Menge bereit ist, für die Richtigkeit des Geschehens mit dem eigenen Leben einzutreten. Die Tatsache, dass mit Jesu Tod unschuldiges Blut vergossen wird, lenkt den Blick auf das kommende Gericht für das Handeln.