Zutritt verboten. Von klugen und törichten Jungfrauen und verschlossenen Türen
1. Verortung im Evangelium
Das Matthäusevangelium (Mt) ist stark geprägt durch fünf große Reden Jesu. Sie präsentieren zentrale Inhalte der Verkündigung Jesu in sehr konzentrierter Form. So macht Jesus in der „Bergpredigt“ (Mt 5,1-7,29) den Willen Gottes durch seine Auslegung der Schriftauslegung neu verständlich und rückt das Handeln, das Tun der Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. In der „Aussendungsrede“ (Mt 10,5-42) bevollmächtigt er die Apostel an seiner eigenen Sendung Anteil zu haben und das Evangelium wirkmächtig zu verkünden. In der „Gleichnisrede“ (Mt 13,1-52) eröffnet Jesus Perspektiven auf das Himmelreich, dessen Beginn und Wachstum. In Mt 23,1-39 setzt er sich sehr direkt mit den Schriftgelehrten und Pharisäern auseinander. Mit Mt 24,3-25,46 ist die letzte große Rede Jesu gekommen. Sie reicht unmittelbar an die Passionsereignisse heran, die mit Mt 26,1 beginnen. Im Fokus der Worte Jesu stehen die Ereignisse am Ende der Zeit und der Ausblick auf das Weltengericht. Deshalb wird die Rede auch als „Endzeitrede“ bezeichnet. Einen großen Teil dieser Rede machen noch einmal Gleichnisse aus. Vor dem letzten Gleichnis über das Gericht des Menschensohnes über die Völker in Mt 25,31-46 stehen vier Gleichnisse, in denen das Thema der Wachsamkeit für die Wiederkunft Jesu am Ende der Zeit thematisiert wird (Mt 24,42-25,30). Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen ist das dritte Gleichnis in dieser Reihe.
2. Aufbau
Das Gleichnis ist umrahmt von einer Einleitung (Vers 1) und einer Schlussmahnung (Vers 13). Dazwischen wird in den Versen 2-5 zuerst die Ausgangsituation beschrieben: Die Jungfrauen warten auf den Bräutigam. In den Versen 6-9 steht die Ankunft des Bräutigams unmittelbar bevor und das unterschiedliche Verhalten der törichten und klugen Jungfrauen tritt zutage. Die Verse 10-12 schildern die Konsequenz aus dem Verhalten der beiden Gruppen, wo bei die törichten Jungfrauen klar im Fokus stehen.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 1: Sehr knapp wird der Leser eingeführt in das Thema des Gleichnisses, weswegen der Vers wie ein Titel wirkt. Explizit wird auf das Himmelreich als Verständnisgröße des Gleichnisses hingewiesen. Aus den vielen vorangegangen Gleichnissen wissen die Leser und Hörer also, dass Jesus nun auf die Gestalt, die Zugangsbedingungen oder die „Regeln“ des Himmelreichs hinweisen wird. Da unter anderem im Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl (Mt 22,1-14) Christus bereits die Rolle des Bräutigams gespielt hatte, werden die Leser dies hier ebenso verstehen.
Bei den Lampen wird es sich nicht um Öllampen handeln, bei denen das Öl direkt in einer Öffnung angezündet wird, sondern um Fackeln, bei denen ein mit Öl getränkter Lappen angezündet wird. Da die Jungfrauen dem Bräutigam in einem Fackelzug entgegengehen, müssen die Lampen auch für die Anwendung im Freien geeignet sein. Dies ist nur bei den Lampen mit Öllappen als Docht denkbar.
Verse 2-5: Zur Pointe des Gleichnisses gehört es, dass sich die zehn zuvor benannten Jungfrauen sich in fünf kluge und fünf törichte unterteilen. Die Differenzierung zeigt sich in der Tatsache, dass die Klugen nicht nur die Lampe mitnehmen, sondern sich auch für eine lange Brenndauer wappnen, indem sie Öl mitnehmen, um den Lappen dauerhaft mit dem Brennmittel zu tränken. Die Wartezeit bis zur Ankunft des Bräutigams nutzen alle als Ruhepause, was den törichten Jungfrauen zum Verhängnis werden wird.
Verse 6-9: Als die Ankunft des Bräutigams näher rückt, bemerken die törichten Jungfrauen ihren Fehler. Die Zurückweisung ihrer Bitte durch die klugen Jungfrauen ist nicht als Affront, sondern als Ausdruck ihrer Klugheit zu verstehen. Denn mit der Hälfte des Öls wird es nicht reichen, den Zug des Bräutigams entsprechend zu begleiten. Sollten die Lampen dann ausgehen, wäre ihre Aufgabe gescheitert. Daher ist der Hinweis auf das Nachkaufen des Öls rein pragmatisch gedacht.
Verse 10-12: Während die törichten Jungfrauen ihren Anfangsfehler versuchen wettzumachen und Öl kaufen, kommt der Bräutigam und das Fest beginnt. Die klugen Jungfrauen sind mit im Festsaal, die törichten bitten vergebens um Einlass. Der Evangelist berichtet nicht darüber, ob auch sie nun mit Öl ausgestattet sind. Entscheidend für den Ausgang des Gleichnisses ist allein die Tatsache, ob sie klug und damit vorausschauen gehandelt haben oder nicht. Die Dramatik der Szene wird durch die doppelte Anrufung „Herr, Herr“ und die klare Abweisung durch den Bräutigam „Ich kenne euch nicht“ unterstrichen. Indem die Antwort des Bräutigams mit „Amen, ich sage euch“ eingeleitet wird, wird zudem seine Identifizierung mit Christus verständlich, da dies eine typische nur auf Jesus hin angewendete Formulierung ist.
Vers 13: Wie das erste Gleichnis der Viererreihe in Mt 24,43-25,30 endet das Gleichnis mit einer Mahnung (vgl. Mt 24,44) mit einer Mahnung. Die Mahnung zur Wachsamkeit ist hier nicht als Gegensatz zum Schlaf zu verstehen – schließlich haben alle Jungfrauen geschlafen. Entscheidend ist vielmehr der Nachsatz: Wachsamkeit meint Bereitschaft. Da der genaue Zeitpunkt der Ankunft des Bräutigams bzw. der Wiederkunft Christi nicht bekannt ist, gilt es immer auf diesen Zeitpunkt vorbereitet zu sein.