Eine Erschütterung der Macht wird spürbar mit der Geburt Jesu, des Mannes aus dem Königsgeschlecht Davids. Zu welchen unterschiedlichen Reaktionen dies führt, zeigt uns die Erzählung von der Reaktion des jüdischen Königs Herodes und dem Aufbruch der heidnischen Sterndeuter.
1. Verortung im Evangelium
Das Matthäusevangelium setzt mit dem Stammbaum Jesu ein. Durch ihn wird Jesus als Sohn Davids, weil aus seinem Geschlecht abstammend gezeichnet (Matthäusevangelium (Mt) 1,1-17). Im Anschluss folgt die „Vorgeschichte“ der Geburt, die sich vor allem auf Josef konzentriert (Mt 1,18-25). Die eigentliche Geburt wird am Ende von Kapitel eins kurz erwähnt und ist das Bindeglied zur vorliegenden Stelle. Nach der Huldigung der Sterndeuter schließen sich die Flucht nach Ägypten (Mt 2,13-15) und die Erzählung vom Kindermord in Bethlehem (Mt 2,16-18) an.
2. Aufbau
Die Erzählung besteht nach den einleitenden Versen 1-2 aus zwei Hauptteilen, die ähnlich aufgebaut sind: In den Versen 3-9a geht es um die Begegnung der Sterndeuter mit dem jüdischen König Herodes. In den Versen 9b-12 wird die Begegnung der Sterndeuter mit dem Kind, dem neuen, ganz anderen König, in Bethlehem erzählt.
Dabei entspricht die Bestürzung des Herodes und seiner Gefolgsleute (Vers 3) der großen Freude der Sterndeuter (Vers 10) als Reaktionen auf die Geburt des Kindes. Der böse Plan des Herodes (Verse 7-9a) steht dem Plan Gottes (Vers 12) gegenüber.
Wiederkehrende Motive sind der Stern, der die Männer aus dem Osten leitet (Verse 2 und 9), und die Frage nach dem neugeborenen König bzw. Kind in den wörtlichen Reden (Verse 2 und 8).
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 1-2: Hinter der deutschen Übersetzung der Sterndeuter steht der griechische Begriff der Magoi (griech. μάγος, Magier, Sterndeuter, Zauberer). Der Begriff bezeichnet die Angehörigen der persischen Priesterkaste, aber auch allgemein die Vertreter östlicher Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften, wozu auch Astrologie gehörte. Weil sie neben der wissenschaftlichen Ausrichtung auch den Beiklang des Magischen haben, werden sie sowohl positiv wie auch negativ wahrgenommen. Obwohl das jüdische Volk der Zauberei aufgrund der biblischen Überlieferung eher ablehnend gegenüber steht, kann es sich den Einflüssen der Umwelt und der Faszination nicht ganz entziehen. Die Leser des Matthäusevangeliums werden aufgrund ihrer jüdischen Vergangenheit eher auch skeptisch auf die Sterndeuter geschaut haben.
Wenn Matthäus von „seinem Stern“ spricht, scheint er einerseits die verbreitete Vorstellung, dass jeder Mensch einen Stern hat, aufgenommen zu haben, aber auch an Sterne als Zeichen des Königtums gedacht zu haben. Ganz klar ist aber auch, für ihn ist der Stern in erster Linie ein wundersames Zeichen (der Führung Gottes), das den Sterndeutern den Weg nach Bethlehem weist.
Verse 3-4: Matthäus lässt eine ungewöhnliche Allianz entstehen, wenn er sagt, dass Herodes und ganz Jerusalem erschrecken und Herodes die Hohepriester und Schriftgelehrten zusammenruft. Der Leser erwartet eigentlich nicht, dass diese Gruppen gemeinsame Sache machen, denn Herodes war eigentlich vollkommen unbeliebt beim Volk und sicher auch bei den genannten Gruppen. Doch für den Evangelisten ist es wichtig, die Widersacher des Kindes deutlich und umfassend zu benennen. Wenn er von Herodes, den Hohepriestern und Schriftgelehrten und ganz Jerusalem spricht, dann bildet er schon zu Beginn der Jesuserzählung eine Front der Ablehnung, die dem Kind gegenübersteht. Und Jerusalem wird von Anfang an zum Ort der Bedrohung, was sich in der Passionsgeschichte dann auch bewahrheitet. Interessanterweise ist auch erst in der Passionsgeschichte wieder vom „König der Juden“ im Matthäusevangelium die Rede. Seine Andeutung, die Stadt und ihre Bewohner, würden den Tod Jesu wollen, wird in der Passionsgeschichte aufgenommen, wenn es durch das Volk heißt: „Da rief das ganze Volk aus: Sein Blut – über uns und unsere Kinder!“ (Mt 27,25).
Indem Herodes in seiner Erkundigung nach dem Neugeborenen den Titel „Christus“, also Messias verwendet, wird deutlich, dass er sich nicht nur vor einem neuen König, sondern auch vor dem Messias fürchtet, den Israel durch die Ankündigung der Propheten erwartet und erhofft. Der Titel „König der Juden“ wird auch erst in der Passionsgeschichte wieder auftauchen (z.B. Mt 27,11), so dass der Evangelist auch hier einen Bogen vom Anfang der Jesuserzählung zu ihrem Ende spannt.
Verse 5-6: Das Zitat im Mund der Schriftgelehrten und Hohepriester weist auf die Herkunft des Messias aus der Davidstadt Bethlehem hin, allerdings ist es nicht nur einem prophetischen Buch entnommen, sondern stellt vielmehr eine Kombination aus dem Buch Micha (5,1-3) du dem zweiten Buch Samuel (5,2) in der griechischen Fassung dar.
Verse 11-12: Zum dritten Mal ist innerhalb der kurzen Erzählung vom „Huldigen“ die Rede (auch Vers 2 und 8). Dahinter steht der griechische Begriff der Proskynese (προσκύνησις, deutsch: Kuss auf etwas), der in der griechischen Welt die Verehrung von Göttern, in der orientalischen Kultur aber auch die Verehrung von höherrangigen Menschen und vor allem Königen durch Niederfallen und Ehrenkuss bezeichnet.
Die Gaben sind in sich Zeichen der Ehrerbietung. Gold als Edelmetall ist mit dem Königtum und Reichtum an sich verbunden. Aber auch Weihrauch und Myrrhe, beide aus dem Harz der Bäume gewonnen, sind mit kultischen und magischen Praktiken, Hochzeitszeremonien und kosmetischen Behandlungen verbunden, stellen aber vor allem teure Luxusgüter aus fernen Ländern dar.