Ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist! Ein Aufruf zur Wachsamkeit hinein in eine ruhelose Welt
1. Verortung im Evangelium
Der Evangelist Markus unternimmt es als erster eine Jesuserzählung zu schreiben und die zuvor meist mündliche Überlieferung zu einer fortlaufenden Geschichte zusammenzustellen. Sie beginnt mit dem Auftreten des Täufers in der Wüste (Mk 1,1-15), schildert den Beginn der Verkündigung in Galiläa (Mk 1,16-8,26) und den Weg nach Jerusalem (Mk 8,27-10,52) und endet mit den Ereignissen in Jerusalem (Mk 11,1-16,20). Das ursprüngliche Ende des Evangeliums war die Begegnung der Frauen mit dem Engel am leeren Grab (Mk 16,8). Die Erweiterung um die Erscheinungserzählungen sind später hinzugefügt worden (Mk 16,9-20).
Das Markusevangelium (Mk) entsteht kurz nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70 n.Chr.) im Jüdischen Krieg. Der Verlust des jüdischen Identifikationspunkts als einschneidendes Erlebnis prägt die Sprache und Bilder der sogenannten Endzeitrede (Mk 13,3-37). Im Vorausahnung der kommenden Passionsereignisse spricht Jesus dabei auf dem Ölberg zu den beiden Brüderpaaren unter den Aposteln: Petrus und Andreas, Johannes und Jakobus.
2. Aufbau
Der Aufruf zur Wachsamkeit in Vers 33 grenzt den Abschnitt Mk 13,33-37 vom vorangehenden Gleichnis vom Feigenbaum ab. Der Hinweis auf das Nicht-Wissen des genauen Zeitpunkts der Endzeit leitet über zum folgenden Gleichnis. Vers 33 ist also das Scharnier zwischen Mk 13,28-32 und 13,33-37. Die Verse 34-36 erzählen das Gleichnis, das in Vers 37 mit einer Mahnung endet, die jedoch über die konkrete Sprechsituation hinausreicht und die gesamte Endzeitrede abschließt.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 33: Die einleitende Warnung zur Wachsamkeit („gebt acht“) entspricht dem Beginn der endzeitlichen Rede Jesu im Markusevangelium (Mk 13,5). Hatte Jesus seine Jünger dort davor gewarnt, dass man versuchen würde, sie in die Irre zu führe, so mahnt er hier im Hinblick auf den unbekannten Zeitpunkt seiner Wiederkunft am Ende der Zeit.
Verse 34-36: Das Gleichnis vom Mann und seinen Knechten soll die vorangegangene Warnung erläutern. Die Situation ist einfach gehalten: Ein Mann verlässt sein Haus und überträgt jedem seiner Knechte eine bestimmte Aufgabe. Explizit genannt wird nur die Aufgabe des Türhüters, wachsam zu sein. Damit ist die zentrale Aussage vorbereitet: Weil die Rückkehr des Herrn nicht voraussehbar ist, muss der Türhüter die ganze Zeit wachen. Zur besseren Illustrierung der Zeit, die es zu wachen gilt, gliedert der Evangelist Markus die Zeit der Nacht nicht entsprechend dem jüdischen Muster in drei, sondern dem römischen Rhythmus entsprechend in vier Nachtwachen. So erscheint nicht nur die Nacht „länger“, sondern die Unabwägbarkeit des Zeitpunkts wird zusätzlich betont. Vers 36 fokussiert die Aufgabe des Türhüters und der Zuhörenden: Der Herr (des Hauses) soll seine Knechte nicht schlafend antreffen.
Vers 37: Sind in der Szene nur Johannes, Jakobus, Petrus und Andreas als Zuhörer zugegen (Mk 13,3), ist der erneute Appell zur Wachsamkeit an alle Jüngerinnen und Jünger und Lesende des Evangeliums gerichtet. Der Aufruf, den Zeitpunkt der Ankunft des Herrn nicht zu verpassen, gilt nicht nur den Brüderpaaren, sondern hat für alle in der Nachfolge Jesu Bedeutung. Die Mahnung gewinnt an Brisanz angesichts der Tatsache, dass mit Mk 14,1 die Passionsereignisse einsetzen.