Johannes der Täufer fasziniert die Menschen, sie kommen in Scharen an den Jordan, lassen sich taufen und erhoffen sich Antworten auf das, was sie bewegt. Die Antworten des Täufers sind wegweisend – im doppelten Sinne.
1. Verortung im Evangelium
Zu Beginn des Lukasevangeliums wird die Person Johannes‘ des Täufers ausführlich vorgestellt. Wir bekommen die Ankündigung seiner Geburt, seine Geburt und sein Wirken berichtet. Denn das Wirken und Verkündigen Johannes‘ des Täufers leitet über zu dem, was über Jesus selbst erzählt wird. Der Text aus dem dritten Kapitel gehört in die Gesamtdarstellung des öffentlichen Wirkens des Täufers. Unter dem Eindruck seiner Predigt erhofft sich die Menge konkrete Hinweise zur Lebensführung. Die Verse 10-14 präzisieren die Botschaft des Johannes inhaltlich, bevor in den Versen 18-20 politische Spitzen gegen die Machthaber folgen, die später zur Inhaftierung des Täufers führen werden. Der Abschnitt leitet über zur Erzählung von der Taufe Jesu.
2. Aufbau
Hatte Johannes der Täufer zuvor dem Volk, das in Scharen zu ihm kam, gepredigt, entwickelt sich nun eine Dialogszene zwischen dem Täufer und den Zuhörern. Zunächst richtet die Menge als ganze ihre Fragen an Johannes (Verse 10-11), bevor dann einzelne Gruppen hervortreten (Verse 12-14). Immer geht es um praktische Hinweise, wie der Ruf nach einem anderen, gottgewollten Leben Gestalt gewinnen kann. Den Abschluss bildet eine Verhältnisbestimmung zwischen Johannes und dem erwarteten Messias (Verse 15-16).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 11: Das chitòn (χίτων, Gewand), das Leinengewand meint ein auf der Haut oder über einem Hemd getragenes Untergewand. Es konnte in der Länge variieren (bis zum Knie oder Knöchel) und mit langem wie kurzem Arm getragen werden. Vergleichbar mit der römischen Tunika, ist es so etwas wie eine Grundbekleidung.
Vers 12: Der Beruf des Zöllners steht im Neuen Testament und der römischen Welt in keinem guten Ruf. Die Römer ließen gerne Einheimische in den Provinzen die Steuern eintreiben. Sie pachteten Gebiete und zogen auf ihnen die Abgaben ein. Da sie selbst ihre Kosten an den römischen Staat im Voraus bezahlt hatten und z.B. bei schlechten Ernten nichts erlassen bekamen, versuchten sie einen entsprechenden Überschuss zu erzielen. Eine hohe eingeforderte Abgabe sichert dem Zöllner einen hohen Gewinn. Dieses (oft skrupellose) Geschäftsgebaren brachte dem Zöllner einen schlechten Ruf ein. Entsprechend wird er im NT oftmals in einem Atemzug mit Sündern genannt.
Meister (vgl. griech. διδάσκαλoV,didaskalos, hebr. רַבִּי, Rabbi) ist eine respektvolle Anrede für einen Lehrer oder eine Person, deren Wissen das eigene übersteigt, d.h. von der man etwas lernen kann. Dass Johannes hier als „Meister“ angesprochen wird, verdeutlicht seine lehrende Rolle. Die Menschen, die ihn aufsuchen erwarten von ihm eine größere Erkenntnis im Hinblick auf ein vor Gott gelingendes Leben. Auch Jesus wird mit dieser Anrede angesprochen, im Lukasevangelium (Lk 7,40) zum ersten Mal in der Erzählung.
Verse 15-16: Die vorangegangene Situation und die Worte des Täufers zu den Soldaten, Zöllnern und dem Volk (Lukasevangelium (Lk) 3,7-14) klingt nach. Die ethischen Weisungen des Johannes und die Klarheit seiner Worte, mit denen er zur Umkehr ruft (Lk 3,8-9) hinterlassen eine gewisse Unruhe. So wird das Volk in Vers 15 als „voll Erwartung“ beschrieben, denn jeder überlegt für sich, ob nicht Johannes der Messias ist, auf den man so sehnsüchtig wartet.
Johannes stellt das (unausgesprochene) Missverständnis richtig. Durch das Bild vom Lösen der Riemen an der Sandale, bringt er das Verhältnis zwischen ihm und dem, der kommen wird, deutlich zum Ausdruck. Das Lösen der Riemen am Unterschenkel, die die Ledersohle der Sandale am Fuß hielten, ist eine typische Sklavenaufgabe. Es wird also ein für jeden nachvollziehbarer Vergleich aus dem gesellschaftlichen Alltag genutzt, um den Unterschied zwischen ihm und Jesus ins Bild zu bringen. Zusätzlich nimmt Johannes Bezug auf seine eigene Tätigkeit: Er tauft mit Wasser und diese Taufe ist äußeres Zeichen einer inneren Umkehr. Derjenige der kommen wird aber, tauft mit dem heiligen Geist und Feuer zwei Zeichen. Diese Zeichen bleiben nicht äußerlich, sondern stehen für die andere Vollmacht, die Jesus kennzeichnet: Der Geist bestätigt die Gotteskindschaft, das Feuer steht für das Gericht am Ende der Zeiten.