Krone richten, weiter machen… Die Kirche feiert mit dem Christkönigs-Fest Christus als einen König, der in allem einen Gegenentwurf darstellt zu bekannten und erwartbaren Herrschertypen.
1. Verortung im Evangelium
Die Szene zwischen Jesus und den beiden mitgekreuzigten Verbrechern ist nur im Lukasevangelium (Lk) in dieser Weise überliefert. Sie ist ein Teil einer Szene, in der unter dem Kreuz verschiedene Reaktionen auf das Geschehen zum Ausdruck kommen. Sie spielt unmittelbar nach der eigentlichen Kreuzigung und vor dem Tod Jesu und steht damit am Ende der Passionserzählung, die mit dem Beschluss, Jesus auszuliefern in Lk 22,1-6 beginnt.
2. Aufbau
Die Szene hat zwei Schwerpunkte. Zunächst stehen drei unterschiedliche Personengruppen und Personen im Fokus, die den Gekreuzigten verspotten (Verse 35-39). Aus der Verspottung des einen Verbrechers erwächst dann ein zweiter Schwerpunkt (Verse 40.43), der gekennzeichnet ist durch das Zeugnis des zweiten Verbrechers, in Jesus demjenigen zu begegnen, der für das Reich Gottes steht.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 35b: Nach der Notiz von der Kreuzigung Jesu in Lk 23,32 lenkt der Evangelist den Blick auf die Personen, die diese Szene miterleben. Das Volk schaut nur zu, so heißt es in dem ausgelassenen Versteil Vers 35a. Diejenigen aber, die Bezug nehmen zum Geschehen werden in den folgenden Versen in den Blick genommen. Zunächst sind es die Anführer des Volkes („führende Männer“), dann die Soldaten und schließlich einer der Verbrecher. Die Art und Weise wie diese Personen in Beziehung zu Jesus treten, wird parallel dargestellt: Jesus wird dreimal verlacht, verspottet, verhöhnt und mit einem Verweis auf seine christologische Würde aufgefordert, sich selbst zu retten.
Bei der Verspottung durch die führenden Männer in Vers 35 nimmt Lukas mit dem Wort „verlachen“ Bezug auf Psalm 22. Dort heißt es „alle, die mich sehen, verlachen mich“ (Psalm 22,8). Zugleich wird in der Rede der Anführer das Motiv vom Arzt, der sich selbst nicht heilen kann, abgewandelt. In Lk 4,23 wird es von Jesus selbst als vermeintliches Argument der Kritiker schon einmal verwendet. Die Heilungen Jesu („andere hat er gerettet“), die als Zeichen seiner göttlichen Vollmacht gesehen werden, sind hier ein Argument, um Jesus herauszufordern. Weil er ja offensichtlich Vollmacht hat, soll er sie auch nutzen, um sich selbst zu retten und damit zu zeigen, dass er der Messias („Christus Gottes“) ist. Die Tatsache, dass Jesus der Aufforderung nicht nachkommt, zeigt für sie, dass er zu Unrecht als Messias bezeichnet wird.
Verse 36-38: Als zweite Personengruppe treten nach den Anführern nun die Soldaten in Erscheinung. Auch sie fordern Jesus heraus, sich selbst zu helfen. Dabei verwenden sie jedoch nicht den Titel des Messias, sondern „König der Juden“. Vers 38 liefert die Begründung für diese Diktion nach: Der Titel ist auf dem Kreuz angebracht und wird von den Soldaten aufgenommen. Die Soldaten greifen damit eine Verhöhnung auf, die bereits als Aufschrift über dem Kreuz und dem Gekreuzigten hängt. Die Abfolge der für Jesus verwendeten Titel „Christus Gottes“ und „König der Juden“ ist identisch mit den Geschehnissen der Anklage in Lk 23,2-3. Die unterschiedlichen Bezeichnungen zeigen die innerjüdische und die externe, politische Perspektive auf. Die jüdischen Ankläger tragen Pilatus in Lk 23,2 vor, Jesus habe behauptet der „Christus und König“ zu sein. Pilatus selbst nimmt dabei nur das auf, was aus seiner römischen Perspektive entscheidend ist und fragt Jesus: „Bist du der König der Juden?“ (Lk 23,3).
Als Akt der Verspottung ist auch das Reichen des „Essigs“ zu verstehen. Denn dabei handelt es sich um sauren Wein oder mit Weinessig verdünntes Wasser. Beide Varianten verweisen auf Getränke der einfachen Arbeiter (z.B. Feldarbeiter und Soldaten) und des Volkes. Dem König, dieses proletarische Getränk zu reichen, ist eine weitere Provokation und will Jesus herausfordern, seine Königswürde deutlich zu machen.
Vers 39: Als dritter verspottet einer der beiden mitgekreuzigten Verbrecher Jesus. Er formuliert dazu eine rhetorische Frage in Verneinungsform („bist du denn nicht“) und fordert wie die anderen Jesus dazu auf, sich selbst zu retten. Auch für ihn ist damit die nicht erfolgende Rettung ein Zeichen, dass Jesus nicht der Christus sein kann. Der Verbrecher spitzt den Aufruf zur Selbstrettung zu, indem er Jesus nahelegt, nicht nur sich zu befreien, sondern auch seine „Leidensgenossen“, die mit ihm gekreuzigt sind.
Verse 40-43: Die Schmähung des einen Verbrechers wird zum Auftakt einer weiteren Szene. Der zweite Verbrecher durchbricht das Schema der Verhöhnung und interveniert mit einer rhetorischen Frage, die ebenfalls in der Verneinungsform steht: „Nicht einmal du fürchtest Gott?“ Der darin zum Ausdruck kommende Vorwurf, der mangelnden Gottesfurcht enttarnt diesen Mitgekreuzigten als einen, der verstanden hat, was hier gerade vor sich geht. Dies setzt sich fort in der Bemerkung über Jesu Unschuld. Lukas charakterisiert den Mitgekreuzigten durch seine Worte: Er weiß sowohl sein eigenes Schicksal („uns geschieht recht“) als auch Jesu Schicksal („dieser hat nichts Unrechtes getan“) zu deuten. Obwohl er in der direkten Anrede an Jesus in Vers 42 keinen Titel verwendet, sondern Jesus beim Namen nennt, kommt sein Verständnis der Person Jesu zum Ausdruck. „Dein Reich“ kann nur jemand sagen, der versteht, dass Jesu Leben mit dem sicheren Tod am Kreuz nicht zu Ende ist. Die Rede vom „Reich“ ist damit ein indirekter Ausdruck des Glaubens an Jesus als den Christus, der von Gott als König des himmlischen Reichs eingesetzt wird.
Die Antwort Jesu ist als Bestätigung dieser Charakterisierung zu verstehen. Denn die Zusage noch „heute“ im Paradies zu sein, verweist auf das Paradies als den himmlischen Ort der Gerechten. Die Erkenntnis des Verbrechers, dass Jesus derjenige ist, der als König des himmlischen Reiches über Heil und Unheil entscheidet, qualifiziert ihn als einen, der Gott kennt und an ihn glaubt. Wegen dieses Bekenntnisses erhält er den Ausblick als Gerechter ins Paradies einzugehen, obwohl er in der Welt offensichtlich Unrecht getan hat.