Maria macht sich auf den Weg zu ihrer Verwandten Elisabet. Sie hat gehört, dass diese in hohem Alter ein Kind erwartet. Als sich Elisabet und Maria begegnen, zeigt sich, dass die beiden angekündigten Geburten mehr darstellen als unverhofftes Elternglück.
1. Verortung im Evangelium
Wir stehen mit dieser Erzählung noch ganz am Anfang des Lukasevangeliums (Lk). Zweimal ist bisher durch den Engel Gabriel die Geburt eines Kindes angekündigt worden. Nun werden die beiden Erzählstränge zusammengeführt. Die Erzählung vom Besuch Marias bei Elisabet ist das Bindeglied zwischen der Verheißung der Verkündigungsszenen und der Erfüllung der Verheißung in den kommenden Geburtsgeschichten. Der Begegnung zwischen Elisabet und Maria besteht aus zwei Teilen. Im ersten (1,39-45) steht der Gruß Marias und die Reaktion der Elisabet im Vordergrund, im zweiten die Antwort Marias, die im Magnifikat Ausdruck findet (1,46-56).
2. Aufbau
Der Text wird eingeleitet durch eine Reisenotiz (Vers 39), die abgerundet wird durch die Ankunft und den Gruß der Ankommenden (Vers 40). Im Mittelpunk der Erzählung (Verse 41-45) steht die Reaktion der Elisabet, die körperlich beginnt (Vers 41) und im Lobpreis auf Maria mündet (Verse 42-45).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 39: Auch wenn Besuche bei der Verwandtschaft nichts Außergewöhnliches sind, so ist die Reise einer jungen Frau ganz alleine von Nazareth hinauf in das Bergland von Judäa schon beachtlich. Wo genau das Haus des Zacharias stand, ist nicht bekannt. Da er seinen Dienst im Tempel in Jerusalem versieht, wird man es nicht allzu weit von dort vermuten dürfen. In etwa 3-4 Tagesetappen und um die 130 km dürfte Marias Reise umfasst haben.
Vers 40: Das Ziel der Reise, das Haus des Zacharias, wird nach dem Hausherrn, dem Priester Zacharias benannt. Dies folgt der jüdischen Tradition. Eine Rolle spielt der Hausherr in dieser Szene jedoch nicht. Der Fokus der Erzählung liegt auf den beiden Frauen, ihren Kindern und dem, was Gott an ihnen geschehen lässt.
Verse 41.44: Das Wort „hüpfen, springen“, das Lukas in der Szene direkt zweimal verwendet, ist Zeichen des Jubels. So sollen sich in der Feldrede in Lk 6,23 diejenigen freuen und springen, denen der Lohn im Himmel verheißen ist. Auch im Buch Maleachi (Mal 3,20) wird die Reaktion der Gerechten auf das kommende, befreiende Richten Gottes in einem ähnlichen Bild verdeutlicht: „Ihr werdet hinausgehen und Freudensprünge machen wie Kälber, die aus dem Stall kommen.“
Über die Regungen der Kinder im Mutterleib spricht auch das Buch Genesis im Hinblick auf Esau und Jakob; in Genesis 25,21-23 wird deren zukünftiges Verhältnis angedeutet.
Verse 42-43: Elisabet spricht Maria gleich zweifach als „Gesegnete“ an (Vers 42). Sie stellt damit heraus, dass Maria eine herausgehobene Position einnimmt und warum. Beides wird indirekt in der rhetorischen Frage (Vers 43) wieder aufgenommen, wenn Elisabet den Besuch der Maria als „Verstoß gegen gesellschaftliche Normen“ qualifiziert. Maria als „Mutter meines Herrn“ anzusprechen, bedeutet, dass Elisabet bereits die Umkehrung der Verhältnisse erkennt, die durch die Geburtsankündigung des Gottessohnes eingeleitet werden.
Vers 45: Die Reaktion Elisabets auf den Besuch Marias schließt mit einer Seligpreisung, die die Reaktion Marias auf die Ankündigung der Geburt bewertet und zugleich eine indirekte Gegenüberstellung der bisherigen Ankündigungsszenen (Gabriel bei Zacharias und Maria) vornimmt.