Der Heilige Geist und der Frieden. Die beiden „Abschiedsgeschenke“ des Auferstandenen
1. Verortung im Evangelium
Die Verse 19-23 sind Teil des Abschlusses der Ostererzählungen im Johannesevangelium (Joh). Sie schließen sich an die Erzählung von der Auffindung des leeren Grabes (Joh 20,1-10) und der Begegnung zwischen Jesus und Maria Magdalena (Joh 20,11-18) an.
Die Erzählungen, die heute das 21. Kapitel des Evangeliums bilden, wurden erst später angefügt.
2. Erklärung einzelner Verse
Vers 19-21: Zwischen der Auffindung des Grabes (Joh 20,1-10) und der Erscheinung vor allen Jüngern liegen nur einige Stunden. Am Abend des selben Tages haben sich die Jünger ängstlich zurückgezogen. So wie in Joh 19,38 Josef von Arimathäa als jemand dargestellt wurde, der seine Zugehörigkeit zu Jesus nur im Verborgenen lebt, so fürchten sich nun auch die Jünger vor den möglichen Konsequenzen (Ausgrenzung, Verfolgung?) eines Bekenntnisses. Die Erscheinung des Auferstandenen inmitten seiner Jünger trotz der verschlossenen Türen kommentiert der Evangelist nicht weiter.
Der Friedenswunsch ist mehr als ein typischer Gruß, er erinnert die Jünger und die Leser des Evangeliums an die Abschiedsreden Jesu (Joh 14-17) und seine Ermutigung der Jünger: „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ (Joh 16,33) Beim zweiten Mal ist der Zuspruch des Friedens um den Aspekt der Sendung erweitert (Vers 21). Dabei ist die Sendung der Jünger Abbild der Sendung Jesu durch seinen himmlischen Vater.
Das Zeigen der Wundmale an Händen und Seite bewirkt die Erkenntnis der Jünger: Der gekreuzigte Jesus und der auferstandene Jesus sind identisch! Der, der gestorben ist, ist vom Tode auferstanden. Äußeres Zeichen dieser Erkenntnis ist die Freude der Jünger.
Vers 22-23: Das Anhauchen erinnert an die Schöpfung des Menschen und das Einhauchen des Geistes durch Gott (Genesis 2,4). Das Geschenk des Geistes durch den Auferstandenen ist eine „zweite“ Schöpfung, denn durch Tod und Auferstehung wird neues Leben geschenkt. Die Taufpraxis der jungen christlichen Gemeinde und der Zuspruch neuen Lebens aus Wasser und Geist steht hier wahrscheinlich schon im Hintergrund der Darstellung.
Die Gabe des Geistes an die Jünger ist Übergabe einer Vollmacht: Sie können Sünden erlassen und „behalten“ (vgl. Matthäusevangelium 18,18). Dies ist aber keine Fähigkeit aus eigener Kraft, sondern nur aufgrund der Gabe des Geistes, d.h. durch göttliche Bevollmächtigung. Nur Jesus hatte zuvor diese Vollmacht (vgl. Joh 8,1-11), nun gibt er sie an seine Jünger, die seine Sendung fortsetzen.