Zwei Jünger rennen zum Grab, weil Maria Magdalena Erstaunliches zu erzählen weiß. Sie sehen und sehen doch nichts und am Ende alles.
1. Verortung im Evangelium
Die Erzählung aus dem Johannesevangelium (Joh) 20,1-9 ist eine von zwei Szenen, die am frühen Ostermorgen spielen. Sie sind durch die Figur der Maria Magdalena miteinander verbunden. In der ersten Szene entdeckt sie das leere Grab, in der zweiten Szene begegnet sie dem Auferstandenen (Joh 20,11-18). Erst am Abend des Ostertages erscheint Jesus dann allen Jüngern (Joh 20,19-23) und eine Woche später wieder den Jüngern und dem Thomas (Joh 20,24-29). Das später hinzugefügte 21. Kapitel ergänzt die Erscheinungserzählungen um die Begegnung zwischen Jesus und den Jüngern am See von Tiberias (Joh 21,1-25).
2. Aufbau
Der Abschnitt teilt sich in die Auffindung des leeren Grabes durch Maria und ihren Bericht darüber in den Versen 1 und 2 und die Erzählung von dem Weg zum und dem Aufenthalt am Grab von Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte (Verse 2-9).
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 1-2: Im Unterschied zu den anderen Schilderungen vom Auffinden des leeren Grabes, wo immer von mindestens zwei Frauen berichtet wird, ist im Johannesevangelium Maria Magdalena allein dort. Zudem ist es hier noch dunkel, es ist also sehr früher Morgen. Maria Magdalena nimmt rein äußerlich wahr, dass der Stein weg ist. Es wird nicht geschildert, ob sie ins Grab hinein sieht oder gar hinein geht, auch ein Engel begegnet ihr hier nicht. Nach ihrer Entdeckung läuft sie zu zwei engen Vertrauten Jesu: Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte. Ist Petrus durch das ganze Evangelium hindurch präsent, wird der Lieblingsjünger erst mit dem Beginn des Passionsgeschehens (Joh 13,23ff.) explizit benannt. Als direkter Zeuge des Todes Jesu, wird mit dem Lieblingsjünger hier eine Brücke zu den letzten Ereignissen geschlagen.
Die Botschaft der Maria Magdalena ist klar und dennoch vieldeutig: Jesus ist nicht mehr im Grab, er wurde weggenommen. Wohin aber ist ihr nicht bekannt. Wenn in der Schilderung der Maria Magdalena von „wir“ gesprochen wird, verweist dies wohl auf eine Überlieferung der Osterereignisse, in der mehrere Personen das Grab auffanden. Johannes hat die Szene auf Maria Magdalena hin konzentriert, hier jedoch wird noch etwas von der Tradition sichtbar.
Verse 3-9: Die beiden Jünger sind von der Botschaft der Frau so beeindruckt, dass sie zum Grab laufen. Obwohl der Jünger, den Jesus liebte, schneller ist als Petrus, lässt er diesen vor. Dies dürfte einerseits dramaturgische Gründe haben, andererseits hebt es den Petrus als ersten, der das Grab betrat, hervor. Die beiden Jünger entdecken das Schweißtuch, das den Kopf des Leichnams umhüllte, und die Leinenbinden, mit denen der Körper umwickelt war. Die Erwähnung der besonderen Stelle des Schweißtuches, will eindeutig festhalten: Der Leichnam ist weg, aber ohne jegliche Umhüllung. Das, was den Körper als toten Körper identifizierte, ist im Grab geblieben.
Die Verse 8 und 9 stehen einander fast entgegen. Wird in Vers 8 vom „Sehen und Glauben“ des Lieblingsjüngers gesprochen, bemerkt Vers 9, dass sie den Sinn der Schrift nicht verstanden. Die Unstimmigkeit könnte auch hier auf eine zugrundeliegende Tradition und andere Anordnung der Szenen hinweisen.