Was bleibt? Vor seinem Tod gibt Jesus seinen Jüngern Worte des Trostes und der Ermutigung mit.
1. Verortung im Evangelium
Mit dem 13. Kapitel beginnt der zweite Hauptteil des Johannesevangeliums (Joh). Im ersten Hauptteil (Kapitel 1-12) stand die Sendung Jesu vom himmlischen Vater zu den Menschen und sein Wirken mitten unter ihnen im Fokus. Mit dem Evangelium von der Fußwaschung (Joh 13,1-15) beginnt der Rückzug Jesu aus dem öffentlichen Wirken und zugleich die Rückkehr zum Vater, die mit Tod und Verherrlichung am Kreuz endet. Die Kapitel 13-20 (zweiter Hauptteil) verbringt Jesus vor allem mit seinem Jüngerkreis. Ihnen erklärt er nach der Fußwaschung in den sogenannten Abschiedsreden, die Bedeutung dessen, was ihn dann im Leiden und Auferstehen widerfährt.
Das Thema der ersten Abschiedsrede (Kap. 14) ist das Weggehen und Wiederkommen Jesu.
2. Aufbau
Die Verse 23-24 beschäftigen sich mit der Frage nach der Jüngerschaft. Wer zu Jesus gehört und wer nicht, ist am Verhalten zu erkennen. In den Versen 26-28 ist der Abschied Jesu von den Seinen und seine bleibende Gegenwart im Heiligen Geist und im gesandten Frieden Thema. Die Verse 25 und 29 nehmen das zentrale Motiv des Kapitels Weggehen und Wiederkommen auf und gliedern damit den Abschnitt.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 23-24: Der Einstieg in die Lesung erfolgt unvermittelt. Thema ist die Zugehörigkeit zu Jesus. Die Liebe zu Jesus zeigt sich im Halten seiner Worte. Damit ist sowohl das Bewahren, also das Weitergeben der Worte gemeint, wie auch das Beachten der Worte durch ein Leben im Sinne Jesu. Entsprechend ist das Nichtbeachten der Worte Jesu ein Zeichen der Abkehr von ihm und dem Vater, der ihn gesandt hat.
Wer Jesus liebt, bei dem wird er mit dem Vater wohnen. Dieses Bild der bleibenden Gegenwart von Vater und Sohn zeigt das Herabkommen Gottes in die Welt und Wirklichkeit des Menschen, wie es schon am Anfang des Johannesevangeliums in der Fleischwerdung des Wortes anklingt (Joh 1,14). Es bildet die Gegenbewegung zum Bild am Anfang des Kapitels. Dort ist von den Wohnungen im Haus des Vaters die Rede und dem Platz dort, den Jesus den Seinen vorbereitet. Die Aussicht auf die vorbereitete Wohnung im Haus des Vaters am Anfang des Kapitels (Joh 14,1-3) und das Wohnungnehmen Gottes bei den Seinen bilden einen Rahmen für das Kapitel und die erste Abschiedsrede Jesu.
Vers 25.29: In der Mitte und zum Ende des Abschnitts ordnet Jesus das Gesagte seinen Jüngern gegenüber ein. Seine Erklärungen sind nun, während er noch bei ihnen ist, womöglich nicht in allem für sie verständlich. Daher legt das Johannesevangelium auch besonderen Wert auf die Wiederholung von Themen. Die Worte Jesu sind, so betont Vers 29, dabei auch als Hilfestellung gedacht, um nach dem Tode Jesu die Ereignisse richtig zu verstehen.
Verse 26-28: Nun schaut Jesus voraus und gibt den Jüngern einen Ausblick, auf welche Weise er ihnen auch nach seinem Tode nahe sein wird. Die Gabe des Geistes, die vom Vater in seinem Namen ausgeht, ist ein Zeichen der bleibenden Präsenz Jesu. Der Geist soll „lehren“ und „erinnern“. Beide Aufgaben nehmen Grunderfahrungen Israels auf. Mit der Erinnerung werden die Heilstaten Gottes aus der Vergangenheit immer wieder in die Gegenwart geholt. So ist beispielsweise der Festkalender des Volkes Israel aufgebaut, in dem das jährliche Passah-Fest das rettende Handeln Gottes aus der Gefangenschaft in Ägypten lebendig hält. Auch das Lehren hat eine aktualisierende Bedeutung. Für das Volk Israel ist damit die Auslegung der Weisungen Gottes und ihre Übertragung in die Jetztzeit gemeint. Im Vermächtnis Jesu nimmt der Heilige Geist die Rolle ein, die Worte und Taten Jesu in Erinnerung zu rufen und zugleich zur Weitergabe der Botschaft zu animieren.
Der Frieden, den Jesus den Seinen hinterlässt, ist ganz in der Tradition des Alten Testaments Zeichen der Wirklichkeit Gottes. In diesem Sinne sendet Jesus seine Jünger aus, die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden und den Menschen den Frieden zuzusprechen (Lukasevangelium 10,5f.). Weil dieser Friede die Gegenwart des Reiches Gottes schon jetzt erlebbar macht, unterscheidet er sich von allem „Scheinfrieden“, den die Welt versprechen kann. Die direkt folgende Ermutigung, sich nicht zu erschrecken oder ängstlich zu sein angesichts des kommenden Abschieds Jesu ist die logische Konsequenz der Friedensgabe. Wer das Reich Gottes im zugesprochenen Frieden schon jetzt als gegenwärtig begreift, der muss sich auch nicht fürchten, wenn Jesus nicht mehr greifbar unter seinen Jüngern ist.
Weggehen und Wiederkommen als zentrales Motiv wird hier noch einmal explizit von Jesus thematisiert. Er fordert seine Jünger auf, sich mit ihm über seinen Weggang zu freuen, weil dieser Weggang bedeutet beim Vater zu sein und damit seine Sendung zu vollenden.