Alles aus Liebe! Die letzten Stunden Jesu sind ein einziges Gleichnis. Ein Gleichnis der Liebe Gottes zu uns Menschen mit der Aufforderung zur Nachahmung.
1. Verortung im Evangelium
Mit dem 13. Kapitel beginnt der zweite Hauptteil des Johannesevangeliums (Joh). Im ersten Hauptteil (Kapitel 1-12) stand die Sendung Jesu vom himmlischen Vater zu den Menschen und sein Wirken mitten unter ihnen im Fokus. Mit dem Evangelium von der Fußwaschung beginnt der Rückzug Jesu aus dem öffentlichen Wirken und zugleich die Rückkehr zum Vater, die mit Tod und Verherrlichung am Kreuz endet. Die Kapitel 13-20 (zweiter Hauptteil) verbringt Jesus vor allem mit seinem Jüngerkreis. Ihnen erklärt er in den sogenannten Abschiedsreden nach der Fußwaschung, die Bedeutung dessen, was ihn dann im Leiden und Auferstehen widerfährt. Er schenkt ihnen aber auch Zuversicht für die Zeit nach seiner Gegenwart und gibt ihnen mit der Fußwaschung ein praktisches Beispiel wie sie einander in Liebe dienen sollen.
2. Aufbau
Die Verse 1-3 bilden eine ausführliche Einleitung, die Verse 4-11 berichten von der Fußwaschung selbst, wobei ein Großteil der Szene vom Dialog zwischen Jesus und Petrus ausgefüllt ist (Verse 6-10). In den Versen 12-15 deutet Jesus seinen Jüngern und uns das Geschehene.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 1-3: Die Zeitangabe „vor dem Paschafest“ meint konkreter den Vorabend vor dem eigentlichen Festtag. Die folgenden Ereignisse bis zum Verhör vor Pilatus (Johannesevangelium (Joh) 18,28) spielen in der Nacht. Gleich zweimal betont Johannes das Wissen Jesu in dieser Einleitung: Jesus weiß um das „Kommen seiner Stunde“ und er weiß „dass der Vater ihm alles in die Hand gegeben hatte“. Auch im weiteren Verlauf (Verse 6 und 11) der Szene wird es um das Wissen und Verstehen gehen, das Motiv setzt sich in der Passionserzählung weiter fort. In der Einleitung geht es um das Wissen um eine Rückkehr zum Vater, das zentrale Motiv des zweiten Hauptteils des Johannesevangeliums. An dieser Stelle ist die Rückkehr zum Vater verknüpft mit der Liebe zu den Seinen, die sich in der Vollendung, also in der Rückkehr, zeigt und der Bevollmächtigung durch den Vater. Gott gibt Jesus „alles in die Hand“, er überlässt ihn nicht einem Schicksal, sondern lässt ihn es frei gestalten. Und doch gibt es eine klare Ausrichtung für den Weg Jesu: Es ist der Weg, der ihn zum Vater zurückführt. Es ist der Weg, der ihn aus der Welt, in die er gesandt wurde, heraus und wieder in Gottes Wirklichkeit hineinführt. Dabei ist die „Liebe“ das zentrale Motiv des Weges, sie wird in Joh 13,1 erstmals explizit erwähnt. Dahinter steht der Gedanke, dass die Liebe zu den Menschen und den Jüngern sich zwar auch vorher im Handeln und Verkünden Jesu gezeigt hat, in den Ereignissen der letzten Stunden seines Lebens, in seiner Hingabe am Kreuz ihren Höhepunkt erreicht. Indem das Kreuz seine ganze Liebe zu den Menschen zeigt und vollendet, vollendet sich auch die Liebe Jesu zum Vater. Im Kreuz ist auch dieser Weg zur Vollendung gebracht, wie die letzten Worte Jesu am Kreuz deutlich machen („es ist vollbracht“).
Das Mahl Jesu mit seinen Jüngern wird im Johannesevangelium nur kurz erwähnt. Johannes integriert hier aber in größerer Ausführlichkeit die Ankündigung des Verrats (Joh 13,21-30). Dies wird bereits hier in Vers 2 vorbereitet. In der Darstellung des Johannes wird Judas zum Gehilfen des Teufels – so wird sein Verrat an seinem Freund und Lehrer versucht zu deuten. Der Hinweis auf das Wissen Jesu und die Bevollmächtigung durch den Vater weisen aber darauf hin, dass nicht die Machenschaften des Teufels am Ende das Schicksal Jesu lenken, sondern die Beziehung zwischen Vater und Sohn und Sohn und den Seinen.
Verse 4-11: Nach der langen und inhaltlich aufgeladenen Einleitung nimmt die Erzählung an Dynamik zu. Jesus überrascht seine Jünger: Er übernimmt die Rolle eines Sklaven und wäscht und trocknet ihnen die Füße und das während des Mahles! Entsprechend reagiert Petrus für die Jünger mit großer Entrüstung auf den Regelbruch. Der Dialog zwischen ihm und Jesus verleiht der Szene eine große Anschaulichkeit. Es lässt sich mitfühlen, wie Petrus von der Irritation über das Handeln Jesu umschwenkt in den Wunsch dann doch ganz von Jesus gewaschen zu werden, um ganz „Anteil zu haben“. Jesus reagiert geduldig auf das doppelte Unverständnis des Petrus: Zum einen macht er ihm deutlich, dass das Waschen der Füße ein Dienst ist, der sich nicht durch die Umfänglichkeit des Tuns auszeichnet, sondern durch die Tatsache, dass Jesus derjenige ist, der ein Zeichen setzt. Zum anderen gibt er Petrus zu verstehen, dass dieser erst später (Ostern) erkennen wird, was ihm in dieser Stunde geschehen ist. Das Zeichen der Fußwaschung, das ein Zeichen der Liebe Jesu zu den Seinen ist, es bleibt Petrus und den Jüngern in seiner ganzen Tragweite an dieser Stelle verschlossen. Die Leser des Evangeliums aber sind durch Vers 1 sensibilisiert für den eigentlichen Charakter der Handlung Jesu. So wie sie auch den Hinweis auf Judas verstehen: „ihr seid rein, aber nicht alle“.
Verse 12-15: Die Dynamik der Fußwaschung weicht nun der gesammelten Atmosphäre der Deutung. Jesus kehrt in die Mahlgemeinschaft zurück und gibt seinen Jüngern Verstehenshinweise. Er, den sie zurecht „Meister und Herr“ nennen, er hat ein Beispiel getan, dass sie aufnehmen sollen. Denn wenn selbst der „Herr und Meister“ in der Lage ist, den anderen in Liebe zu dienen, um wieviel mehr müssten sie dazu in der Lage sein. Sein Beispiel ist Aufforderung zur Nachahmung, es ist der Appell, sich selbst nicht zum „Meister und Herrn“ zu machen um der Herrschaft willen, sondern ganz in den Dienst füreinander einzutreten.