a) Zum Hör-Aufruf
Dass das Hören keine Selbstverständlichkeit ist, weder das Zuhören noch „Hören auf“ im Sinne des Befolgens dessen, was man gehört hat, zeigen zwei alttestamentiche Prophetentexte besonders eindrücklich:
Jes 6,8-13
Mit diesem schwer verständlichen Text gibt das Buch Jesaja wohl weniger einen tatsächlichen Auftrag Gottes an Jesaja wieder, sondern versucht im Nachhinein zu erklären, weshalb der Prophet mit seiner Mahn- und Umkehrbotschaft kein Gehör gefunden hat. Es lag nicht an der Unfähigkeit des Propheten, sondern sein Scheitern war geheimnisvoll schon in Gottes Plan vorgesehen.
Jer 36,22-24
Der kurze Abschnitt gehört in die Situation, dass der Prophet Jeremia zur politisch unliebsamen Figur geworden ist. Man will den König Jojakim selbst über die unerträgliche Predigt Jeremias informieren. Ein Schreiber hat sie auf Rollen festgehalten, und der König lässt nun seinen eigenen Schriftgelehrten, also des Lesens Kundigen, Jehudi vorlesen. Seine Reaktion auf das Prophetenwort, das ja immer auf das Hören zielt, bedarf keines weiteren Kommentars.
b) Zur Erwählung
Die sog. Tempelrede des Propheten Jeremia, die in die Zeit kurz vor dem Exil hineingehört (ausgehendes 7. Jh. v. Chr.), offenbart, wie sehr sich – nun im Südreich mit der Hauptstadt Jerusalem – Erwählungsglaube verselbstständigt hat. Man wähnt Gott, den Israel-Erwähler von jeher, im Tempel quasi eingemauert. Er kann nicht anders als den Seinen zu helfen, während diese einen Freibrief für jegliche „Schweinerei“ im sozialen, rechtlichen und religiösen Bereich zu haben glauben. Für sie sprict, dass trotz brandgefährlicher kriegerischer Situationen der Tempel immer noch steht wie ein Fels in der Brandung. Dass dies kein „Persilschein“ ist, kündigt Jeremia an, und die Zerstörung des Tempels 586 v. Chr. durch Nebukadnezzar gab ihm Recht.
Jer 7,1-15
1 Das Wort, das vom HERRN an Jeremia erging: 2 Stell dich an das Tor des Hauses des HERRN! Dort ruf dieses Wort aus und sprich: Hört das Wort des HERRN, ganz Juda, alle, die ihr durch diese Tore kommt, um euch vor dem HERRN niederzuwer- fen! 3 So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Bessert euer Verhal- ten und euer Tun, dann will ich bei euch wohnen hier an diesem Ort! 4 Vertraut nicht auf die trügerischen Worte: Der Tempel des HERRN, der Tempel des HERRN, der Tempel des HERRN ist dies! 5 Denn nur wenn ihr euer Verhalten und euer Tun von Grund auf bessert, wenn ihr wirklich gerecht entscheidet im Rechtsstreit, 6 wenn ihr die Fremden, die Waisen und Witwen nicht unterdrückt, unschuldiges Blut an diesem Ort nicht vergießt und nicht anderen Göttern nachlauft zu eurem eigenen Schaden,
7 dann will ich bei euch wohnen hier an diesem Ort, in dem Land, das ich euren Vätern gegeben habe von ewig und auf ewig. 8 Freilich, ihr vertraut auf die trüge- rischen Worte, die nichts nützen. 9 Was noch? Stehlen, morden, die Ehe brechen, falsch schwören, dem Baal opfern und anderen Göttern nachlaufen, die ihr nicht kennt - 10 und ihr kommt und tretet vor mein Angesicht in diesem Haus, über dem mein Name ausgerufen ist, und sagt: Wir sind geborgen!, um dann weiter alle jene Gräuel zu treiben. 11 Ist denn dieses Haus, über dem mein Name ausgerufen ist, in euren Augen eine Räuberhöhle geworden? Auch ich, siehe, ich habe es gesehen - Spruch des HERRN. 12 Ja, geht doch zu meiner Stätte in Schilo, wo ich früher mei- nen Namen wohnen ließ, und seht, was ich ihr angetan habe wegen des Bösen, das mein Volk Israel verübt hat! 13 Nun denn, weil ihr alle diese Taten getan habt - Spruch des HERRN - und ich zu euch redete, eifrig redete, ihr aber nicht hörtet, und ich euch rief, ihr aber nicht antwortetet -, 14 so werde ich mit dem Haus, über dem mein Name ausgerufen ist und auf das ihr euch verlasst, und mit der Stätte, die ich euch und euren Vätern gegeben habe, so verfahren, wie ich mit Schilo verfuhr.
15 Und ich werde euch verstoßen von meinem Angesicht, wie ich alle eure Brüder, alle Nachkommen Efraims, verstoßen habe.