Die Kapitel 9 - 11 des Römerbriefes, zu denen die Lesung gehört, stellen eine Besonderheit dar. Paulus, der ja selber jüdischer Herkunft war und den Glauben an Christus in seinen bisherigen Glauben integriert hat, geht in diesen 3 Kapiteln der Frage nach, warum so viele seiner jüdischen Geschwister seinem Weg zum Glauben an Christus nicht gefolgt sind. Auf diese Frage sucht er eine Antwort, ohne das Judentum herabzuwürdigen oder ihm seine Erwählung durch Gott abzusprechen. Vielmehr geht er davon aus, dass Gott auch für die nicht an Christus Glaubenden des jüdischen Volkes einen Weg zur Rettung, d. h. der ewigen Lebensgemeinschaft mit sich über den Tod hinaus finden wird.
Glaube wird hier nicht als Privilegsicherung, sondern als Hoffnung auch für andere verstanden!
Die Lesung in ihrem näheren Kontext
Der Lesungsabschnitt ist Teil eines größeren Zusammenhangs (Röm 10,1-13), in dem Paulus über die "Rettung" nachdenkt.
Leider ist die Gedankenfolge des Paulus aufgrund der Auslassung der vorangehenden Verse nicht wirklich erkennbar. Es beginnt mit der Gebetsbitte des Apostels, "dass sie [die Juden] gerettet werden" (Röm 10,1). Dem steht aus der Überzeugung des paulinischen Christusglaubens zunächst einmal entgegen, dass die Rettung durch Kreuz und Auferstehung Jesu kommt und nicht über den Weg der Gesetzeseinhaltung, so sehr Paulus die Bemühung um die jüdische Gesetzestreue auch anerkennt (Verse 1-4), Das Gesetz kann im Letzten keinen gerecht machen, also schuldlos vor Gott dastehen lassen, weil alle Menschen zu schwach sind, sündlos, d. h. vollkommen gesetzestreu vor Gott zu leben. Der Glaube, dass Jesus ein für allemal schuldlos für alle Schuldigen gestorben ist und als solcher von Gott auferweckt wurde, besagt hingegen: Gott hat in Jesus dem Menschen abgenommen, was dieserselbst nicht zu leisten vermag.
Diesen Gedanken versucht Paulus ab Vers 5 mit Schriftzitaten zu untermauern. Dabei läuft die Argumentation auf eine Gegenüberstellung von einer Gererechtigkeit, die im Tun gründet, und einer Gerechtigkeit, die im Glauben gründet, hinaus. Für die nächste Gedankenbrücke ist noch wichtig zu wissen, dass in der jüdischen Tradition das Gesetz mit der Weisheit gleichgesetzt wurde. Von ihr heißt es einmal: "Wer stieg zum Himmel hinauf, holte die Weisheit und brachte sie aus den Wolken herab?" (Baruch 3,29). Diese Frage stellt sich im Blick auf Christus als die menschgewordene Weisheit Gottes (vgl. 1 Korinther 1,30) nicht. In ihm ist der himmlische Gott auf die Erde herabgekommen, und als der, der das Reich des Todes durchschritten und von den Toten erstanden ist, ist er seitdem im Wort der Verkündigung nahe. Dieses Wort hat Zugang zum Herzen und von dort zum Mund: Wovon das Herz voll ist, davon quillt der Mund über!
Die Nähe des Wortes (Verse 8-10)
An dieser Stelle setzt die Zweite Lesung zum Ersten Fastensonntag ein. Ausgangspunkt ist ein Zitat aus dem Fünften Buch Mose/ Deuteronomium 30,14, in dem es um die Nähe des Wortes Gottes geht. Durch die Stichworte "Mund" und "Herz" hat Paulus die entscheidenden Anknüpfungspunkte gefunden für eine seiner Kurzformeln des Glaubens: "... wenn du mit deinem Mund bekennst: Herr ist Jesus - und in deinem Herzen glaubst: Gott hat ihn von den Toten auferweckt, so wirst du gerettet werden". Mit dem Wort "retten" kommt Paulus wieder auf sein Eingangsgebet aus Vers 1 und sein Zentralthema zu sprechen. Das im Herzen verankerte und mit dem Mund ausgesprochene Bekenntnis zu Jesus und zu seiner Auferweckung von den Toten durch Gott genügt zur Rettung.
Damit hat Paulus einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden, dass zunächst einmal für das jüdische Volk aufgrund ihrer Ablehnung des Christusglaubens, die in ihrer alleinigen Gesetzeshochachtung begründet liegt, keine Rettungsaussicht bestehen kann, sie aber doch Gottes erwähltes Volk sind.
Hoffnungsperspektive für Christen und Juden
Denn die beiden folgendenDie Zitate aus Jesaja 28,16 (Vers 11 der Lesung) und Joel 3,5 (Vers 13 der Lesung) halten das "nicht zugrunde Gehen" und die "Rettung" als göttliche Heilsperspektive für Juden wie Christen gleichermaßen offen, was Vers 12 ausdrücklich festhält. Denn für beide gilt, dass sie "an ihn glauben" (Vers 11) und dass sie "den Namen des Herrn anrufen" (Vers13). Dabei arbeitet Paulus in Vers 13 mit der Doppeldeutigkeit des Wortes "Herr". Denn vom Alten Testament her ist damit der Gottesname gemeint, in paulinischer Redeweise aber ist "Herr" der Titel für "Jesus Christus".