"Kurz und knackig" - so möchte man sagen angesichts dieses prägnanten Lesungsabschnitts. Eine These dazu, was Taufe meint, und zwei Entfaltungen - das ist Alles. Dafür reicht jeweils ein Satz. Von solch präziser Sprache, die auch noch Platz für anschauliche Bilder hat ("Anheften eines Schuldscheins") kann man lernen. Die Formulierungen für heute sind allerdings neu zu finden.
Einordnung in den Kontext
In mehrfachen Anläufen versucht der Verfasser des Kolosserbriefs, seine Adressatengemeinde von den Einflüssen einer eher esoterischen Lehre fernzuhalten, die neben dem Glauben an Jesus Christus noch die Berücksichtigung anderer Mächte (z. B. die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde), asketische Übungen und eine strenge Orientierung des Lebens an Kalenderordnungen fordert (s. die Einleitung in den Kolosserbrief unter Überblick am 15. Sonntag im Jahreskreis).
Nach einem Lehrgedicht auf die allumfassende, in Jesus Christus wirksame Macht Gottes (Kolosser 1,15-20) und einem Hinweis auf den eigenen Einsatz für diesen Glauben im ersten Kapitel erinnert der Kolosserbrief im zweiten Kapitel seine Gemeinde an die Anfänge ihrer Annahme des christlichen Glaubens, in dem sie nun auch verbleiben sollen (Kolosser 2,6-7).
In der großen Passage Kolosser 2,8-23, aus der die Lesung genommen ist, will der Verfasser deutlich machen, dass die als Konkurrenz auftretende Lehre nichts zu bieten hat, was ein "Mehr" gegenüber dem christlichen Glauben sein könnte. "Leerer Trug" und "Befriedigung irdischer Eitelkeit" sind die Disqualifizierungen der fremden Philosophie, die die gesamte Passage rahmen (Verse 8 und 23). Der Sieg Gottes über den Tod in der Auferweckung Jesu bedeutet einen Sieg über alle "Mächte und Gewalten" (Vers 10) bzw. "Fürsten und Gewalten" (Vers 15), so dass sich ihnen zu unterwerfen letztlich eine Bestreitung des Glaubens an die Macht Gottes wäret.
Es ist dieser "Sieger" Jesus Christus", der in der Taufe wirksam geworden ist, mit der sich die Kolosser haben taufen lassen. Davon spricht der der Lesung vorangehende Vers 11, während der Lesungsabschnitt selbst das Geheimnis der Taufe entfaltet.
Vers 12: Taufe als Begräbnis und Auferweckung
Vers 12 bringt Taufe und das Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu in einen engen Zusammenhang: In der Taufe ist dieselbe Kraft Gottes wirksam, die Christus aus dem Tod auferweckt hat. Sie lässt teilhaben an dem Geschehen, das der Kolosserbrief im ersten Kapitel folgendermaßen umschreibt:
"Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes" (Kolosser 1,13).
Wer nicht bereits in der Gedankenwelt des Paulus, auf die der Kolosserbrief hier eindeutig Bezug nimmt, zuhause ist, dem erschließen sich diese Bilder nicht unbedingt. Denn natürlich kann nicht gemeint sein, dass die Taufe bereits in den Himmel "entreißt". Der Getaufte lebt weiter auf dieser Erde. Zwar gab es durchaus dieses Missverständnis, dass Christen meinten, durch die Taufe sei man bereits mit einem Fuß im Paradies angekommen und könne sich nun alles erlauben. Doch solchem Glaubensmissbrauch zur Rechtfertigung eines anstößigen oder sich gar gegen Andere wendenden Verhaltens hat schon Paulus einst "den Zahn gezogen".
Was ist dann aber mit dem Mit-Begraben-Werden und Mit-Aufweckt-Werden mit Christus gemeint? Und was hat das Ganze mit dem "Glauben an die Kraft Gottes" zu tun?
Dies erläutern die beiden Folgeverse.
Vers 13: "tot infolge eurer Sünden"
Bereits in Kolosser 1,14 heißt es in Fortsetzung zum oben zitierten Vers:
"Durch ihn [seinen geliebten Sohn] haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden."
Offensichtlich wird eine Gleichung hergestellt zwischen dem Bildbereich "Tod, Begrabenwerden, Finsternis" auf der einen Seite und "Sünde" auf der anderen Seite. Ausdrücklich formuliert Kolosser 2,13 in der heutigen Lesung:
"Ihr wart tot infolge eurer Sünden ..."
Was der Verfasser des Kolosserbriefs unter "Sünde" versteht, wird er in Kolosser 3,5 auflisten: "Unzucht, Unreinheit, Leidenschaft, böse Begierde und die Habsucht, die Götzendienst ist". Ehe es zur Missionierung der Gemeinde kam, war sie wohl von solchen Lebensmaximen bestimmt (vgl. bereits Kol 1,21). Man nennt solche Auflistungen "Lasterkataloge". Ihnen zu folgen, zieht in jüdischer wie christlicher Sicht den "Zorn Gottes" nach sich (Kolosser 3,6). So wie Gesetzesübertretung im schlimmsten Falle zur Todestrafe führt, bedeutet der "Zorn Gottes" nach biblischer Sicht in letzter Konsequenz den endgültigen Ausschluss aus der Lebensgemeinschaft mit Gott und damit den Tod. Genau aus diesem Todeskreislauf aber hat Gott durch die Auferweckung seines Sohnes herausgeführt. In der Überwindung des Kreuzes, das ja nichts anderes ist als ein Instrument der Todesstrafe ist, wird ansichtig, dass vor Gott dieser Kreislauf von Sünde und tödlicher Strafe keinen Bestand hat. Die Rettung des unschuldig Getöteten (Jesus) wird zur Hoffnung für die, die vielleicht aufgrund ihrer Taten den Tod verdient hätten, aber von Gott her Vergebung erfahren, weil sie dieser seiner Vegebungsbereitschaft trauen.
Auf dieses Vertrauen hin, christlich "Glaube" genannt, geschieht Taufe. Sie ist die Absage an die Macht des "Lasters" - der Kolosserbrief ergänzt diese Laster aus 3,5 um die "tödlichen", lebenseinengenden Vorschriften der in Kolossä angepriesenen "Philosophie" und ihrem "leeren Trug" (Bedeutung von "Elementarmächten", ein Leben nach dem "Kalender" etc.; vgl. Kolosser 2,8.16) - und an die ausschließliche Christus-Bindung, die zu einer liebenden Neuausrichtung des Lebens führt. In Letzterem aber steckt die eigentliche Lebensperspektive, die aus der "Vergebung aller Sünden" erwächst. Das Stichwort "alle" ist hierbei ein gezielter Rückgriff auf die Bedeutsamkeit der Vokabel "alles" im Lehrgedicht auf Christus (Kol 1,15-20). "Alles" und "alle" schließt jeglichen "Spielraum" für andere angeblich tätig werdende Mächte aus.
Zum Bild der "Beschneidung" s. unter "Auslegung".
Vers 14: Der angeheftete Schuldschein
Vers 14 enthält eines der stärksten Bilder des Neuen Testaments für das, was Vergebung von Seiten Gottes meint und dafür, wie sie mit dem Kreuz verbunden ist. Der Kreuzestod des unschuldigen Jesus verbunden mit seiner Auferweckung wird so gedeutet: In seinem unschuldigen Sterben übernimmt Christus die Folge von all dem, was Menschen an Schuld auf sich geladen haben und laden werden. In seiner Auferweckung wird deutlich, dass Gott einen "Schuldenschnitt" macht. In der Auferweckung wird Gottes Vergebung "ansichtig". Der an die Holzbalken gebundene oder genagelte Leib wird mit dem öffentlichen Aushängen eines Schuldscheins verglichen, die Auferweckung aus dem Tode als das Zerreißen bzw. Ungültigmachen dieses Schuldscheins.
Der Verfasser des Kolosserbriefs variiert hier eine Formulierung, die bei Paulus lautet:
"Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden" (2 Korinther 5,21).
Dass der Kolosserbrief dabei in diesem Vers von aufgehobenen "Forderungen" und nicht von "Sünden" spricht, ist einmal mehr eine Polemik gegen die esoterische Philosophie: Ihr Wesen besteht aus nichts anderem als aus lauter Forderungen, wem nicht alles zu gehorchen und was nicht alles zu beachten sei.
Welch eine befreiende Botschaft, an einen Gott glauben zu dürfen, der nichts von "anklagenden Forderungen" weiß!