Nicht jammern über deie bösen Anderen, sondern mit gestärktem Herzen die Zeit gestalten , die man hat, und selbst Alternativen bieten - das ist die Devise der heutigen Lesung aus dem Jakobusbrief.
Einordnung der Lesung in den ganzen Jakobusbrief
Das große Thema des Jakobusbriefes ist die Ungespaltenheit bzw. Ganzheit christlicher Existenz (im Gegensatz zur "Zweiseeligkeit", also Gespaltenheit: Jakobus 1,8; 4,8), die sich im moralischen Lebenwandel zeigen soll. Dabei spielt die Überwindung der sozialen Kluft zwischen Reich und Arm, aber etwa auch die verlässliche Rede, die Übereinstimmung von Wort und Tat und die Vermeidung unbedachter, großen Schaden anrichtender Rede eine zentrale Rolle. Dies alles passt nicht zu dem in sich ungespaltenen einen Gott, dessen Wesen sich durch schlichtes, rückhaltloses Geben ohne zwiespältige Hintergedanken auszeichnet (das verbirgt sich hinter dem Wort " Gott gibt gern" Jakobus 1,5; im Griechischen steht hier "haplōs" /"einfach" im Gegesatz zu "dípsychos/"zweiseelig, gespalten", s. o.).
Aber der Briefschreiber, der sich - eher im Sinne eines Pseudonyms - wohl auf den "Herrenbruder" Jakobus zurückbezieht, welcher eine bedeutende Autorität in der Jerusalmer Urgemeinde darstellte, weiß, wie schwierig es um diese Forderung nach Eindeutigkeit und Ungespaltenheit ist. "Versuchung" ist sein Leitwort für die Verführbarkeit des Menschen, von den guten Maßstäben abzuweichen (vgl. Jakobus 1,2.12-18). Dabei liegen für Jakobus diese "Versuchungen" eher im Menschen selbst: Gier, Machttrieb, Streben nach Ansehen, Streitsucht u. a. kommen im Brief (Kapitel 2 - 5,6) zur Sprache.
Das Gegenmittel ist für den Jakobusbrief eine aus Glauben erwachsende "Geduld". Sie bestimmt bestimmt bereits den Beginn des Briefes:
"2 Nehmt es voll Freude auf, meine Brüder und Schwestern, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet! 3 Ihr wisst, dass die Prüfung eures Glaubens Geduld bewirkt. 4 Die Geduld aber soll zu einem vollkommenen Werk führen, damit ihr vollkommen und untadelig seid und es euch an nichts fehlt" (Jakobus 1,2-4).
Und auf genau diesen Anfang greift der Schreiber am Ende seines Briefes, nämlich in der heutigen Lesung, wieder zurück. Es ist wie in einem klassischen Musikstück: Gegen Schluss, in der sogenannten "Reprise", wird der Anfang des Satzes entweder wörtlich oder in Variation wiederholt. Jakobus wählt die "variierte Wiederholung"
Vers 7: "Geduld"
Auffälligerweise ändert sich im Jakobusbrief das Wort für "Geduld". Lautet es im oben zitierten Briefbeginn auf Griechisch hypomonè, was wörtlich "darunter bleiben" meint und eher auf ein widerständiges Aushalten der Versuchungen zielt, wählt Jakobus 5,7 das Verb "makrothymèsate": "seid großmütig/geduldig". "Haltet geduldig aus" wählt die Einheitsübersetzung. Wie immer man übersetzt: Jetzt geht es weniger um das "widerständige Aushalten" der eigenen Versuchungen, sondern um den gelassenen Umgang mit denen, die ihren Versuchungen erliegen und mit ihrem den Gemeindefrieden störenden Verhalten den Anderen das Leben schwer machen.
Der Briefschreiber lebt offensichtlich aus solch großer Erwartung des Wiederkommens Christi, der sowieso alles Unrecht beenden wird, dass er davor warnt, dem Endgericht Christi durch eigenes Kämpfen und Verurteilen vorzugreifen.
Das Gleichnis vom Bauern, das an die anschauliche Verkündigung Jesu in seinen Gleichnissen erinnert, betont dabei: Erwartet die Wiederkunft Christi nicht unter dem Gesichtspunkt der Bestrafung der Anderen, sondern wartet freudig auf die Früchte, die ihr für euer eigenes Bemühen um ein "ungespaltenes", eindeutiges Leben in der Nachfolge Jesu erhalten werdet.
Vers 8: "Macht eure Herzen stark"
Dieser Vers betont nicht nur die Nähe der erwarteten Wiederkunft Christi. Diese Nähe ist offensichtlich unter zeitlichem Gesichtspunkt eine "Fehlerwartung" des Briefes. Der Sache nach aber bleibt sie gültig, wie die Vaterunser-Bitte deutlich macht: "... dein Reich komme ... " (Matthäus 6,10).
Wichtiger ist die Forderung "Macht eure Herzen stark". "Geduld" meint damit nicht passives Abwarten oder gar Resignation. Sie ist eine aktive Haltung, die Motivation und Tatkraft beinhaltet. Es geht darum, nicht die Hände in den Schoß zu legen, sondern die Zeit bis zur Wiederkunft Christi - egal wie lange sie dauert - zu gestalten. Denn das Herz ist biblisch der Sitz des Denkens, Planens und Wollens. Ein durch Glaube und "Gebet" gestärktes Herz (das wird Thema in den Versen 13-18 des 5. Kapitels sein) ist also der Motor uneigennützigen Tatendrangs.
Vers 9: Nicht "übereinander klagen"
Die gegenteilige Haltung wäre es, übereinander zu "seufzen", wie man das "Klagen" noch genauer übersetzen könnte. Hier bedarf es nicht vieler Erklärungen. Denn das Stöhnen über die schlechten Zustände und die bösen Anderen anstelle eigenen alternativen Handelns hat bis heute seinen Platz in Gesellschaft und Kirche nicht verloren. Für Jakobus ist es ein "No-Go".
Vers 10: Das Beispiel der Propheten
Der letzte Vers der Lesung führt die Propheten als Beispiel für ein gottgemäßes Handeln trotz "Leidens" an. Das "Erleiden von Schlechtem" (griechisch: kakopatheía) meint konkret Verfolgung, Redeverbot oder gar Tötung. All das wird in der biblisch-jüdischen Vorstellung zu einem typischen Bild für die Propheten, die trotz all dieser Widrigkeiten ihrem Auftrag, Sprachrohr Gottes zu sein und auch das zu sagen, was die Menschen nicht hören wollten, nachgegangen sind. Von diesem Vorbild sollen sich die Adressaten des Briefes, die im syrischen Bereich zu vermuten sind, anstecken lassen.