Ja, Glaube kann nutzlos sein.
1. Verortung
Kann der Glaube einen Menschen retten? Diese Frage hat der Autor des Jakobus bereits im ersten Kapitel verneint: „nehmt in Sanftmut das Wort an, das in euch eingepflanzt worden ist und die Macht hat, euch zu retten!“ (Jakobus 1,21). Der Mensch wird nicht durch einen abstrakten Glauben gerettet, sondern durch Gott – und das betont der Autor direkt im nächsten Vers: Ein Mensch, der nur den Willen Gottes hört, aber nicht entsprechend handelt, betrügt sich selbst. Glauben ist ein Tu-Wort. Und nun ist der Autor auf dem Weg zu seiner These: „…wie der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.“ (Jakobus 2,26) – was das „vollkommen Werk“ (Vers 4) ist, wurde zuvor in Vers 8 definiert: Die Einhaltung des göttlichen Gebotes der Nächstenliebe.
2. Aufbau
Die Frage „Was nützt es/das“ legt sich wie ein Rahmen um die Verse 14-16. Die Frage lässt sich paraphrasieren: Was nützt ein Glauben ohne Werke? Zur Beantwortung wird ein Beispiel in den Versen 15-16 gegeben, bevor in Vers 17 die eindeutige Antwort steht. Zur Debatte stehen das Haben von Glauben und Werken – dies wird in Vers 18 zugespitzt durch die Frage nach der Aufweisbarkeit von Glauben.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 14: Die Frage nach dem Nutzen des Glaubens, fordert zu einer Stellungnahme heraus – dies wird auch durch die Anrede mit „meine Brüder und Schwestern“ unterstrichen. Die Antwort ist bereits im vorherigen Vers angeklungen: „Denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der nicht mit Erbarmen gehandelt hat. Erbarmen triumphiert über das Gericht.“ (Vers 13) Der Blick ist auf das kommende Gottesgericht gerichtet, in dem niemand bestehen kann, dessen Glauben sich nicht in Werken, d.h. in seinem Handeln gezeigt hat. Der Glaube allein rettet nicht. Wieder – wie in Vers 1 – geht es hier um die Frage, wer nicht nur glaubt, sondern „Glauben hat“. Als „Besitz“ ist der Glaube an „unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit“ (Vers 1) sozusagen empirisch nur in den Werken einer Person zu erkennen. Die Aussage „Ich habe Glauben“, ohne daraus folgende Werke, ist ein Lippenbekenntnis. Wie die Verse 15-16 verdeutlichen betrifft der Nutzen nicht nur das Gottes Gericht, sondern das Leben im Hier und Jetzt.
Verse 15-16: Im Angesicht von physischer und physischer Not, die mit Nacktheit und Hunger einhergehen, sind ‚fromme Wünsche‘, die nicht mit Taten der Nächstenliebe einhergehen blanker Zynismus. Der aus dem Alten Testament stammende Segenswunsch zum Abschied „Gehet hin in Frieden“ ist ein Hohn, wenn die Not nicht gewendet wird, bzw. wenn der Segenswunsch nicht auch praktiziert wird.
Vers 17: Wenn sich zum Glauben keine Werke gesellen, dann bleibt dieser „für sich allein“ und somit „nutzlos/tot“; Glaube spielt sich in der doppelten Beziehung von Gottes- und Nächstenliebe ab.
Vers 18: Die Übersetzung und damit auch das Verständnis dieses Verses sind sehr umstritten. Eine offene Frage ist zum Beispiel, wie weit das mit „Aber es könnte einer sagen“ eingeleitete Zitat reicht. Man kann auch anders als die revidierte Einheitsübersetzung den Beginn des Verses als These und Antithese übersetzen: „Aber es wird einer sagen: ‚Du hast Glauben?‘ Und ich (werde sagen): ‚Ich habe Werke.‘“ Unabhängig von den verschiedenen Lesemöglichkeiten verdeutlicht der zweite Teil des Verses jedoch, dass es um die Aufweisbarkeit von Glauben geht. Werke sind Zeichen für den Glauben. Als Lesehilfe lohnt ein Blick auf Jakobus 3,13 und was dort, über die Weisheit ausgesagt wird: „Wer von euch ist weise und verständig? Er soll in weiser Bescheidenheit die Taten eines rechtschaffenen Lebens vorweisen.“