Einordnung in den Brief
Von einer langen Rede, einer Predigt oder auch einem Brief bleiben meistens die letzten Worte besondes im Gedächtnis. Das wusste auch die griechische Redekunst (Rhetorik), nach deren Grundsätzen Paulus seinen Brief an die Christen in Galatien abgefasst hat (zur Einführung in den Brief vgl. den Überblick am 12. Sonntag im Jahreskreis). Und so fallen die letzten Sätze des Galaterbriefs wie einzelne Hammerschläge, die noch einmal die wichtigsten Aussagen des Schreibens festhalten wollen, um schließlich mit einer Alle einbindenden Segensbitte zu schließen.
Also: nicht viel Neues, aber dafür viel Prägnantes.
Vers 14: Kein "Selbstruhm"
Gerade am Ende eines Briefes, in dem Paulus immer wieder auch seine persönliche Verärgerung über die jüdisch-christlichen Misisonare kundegetan hat, die seine Evangeliumsverkündigung ohne Forderung der Beschneidung unterwandern bzw. rückgängig machen wollen, ist es ihm wichtig, festzuhalten: "Mir geht es nicht um mich". Selbstruhm ist die Sache des Paulus nicht.
Die Gefahr einer falschen Rühmung sieht Paulus eher bei den "Evangeliumsverfälschern", wie er seine Gegner im Brief nennt (Galater 1,7). Indem sie die Beschneidung fordern, würden sie die Menschen zur Befolgung des jüdischen Gesetzes zwingen, das sie selbst - so behauptet Paulus - nicht halten würden. Ihnen ginge es einerseits nur darum, Menschen für ihre Sicht zu gewinnen, um sich mit ihrem Missionserfolg rühmen zu können. Und auf der anderen Seite würden sie die Folgen vermeiden wollen, die ihnen die von Paulus geforderte alleinige Verkündigung des Kreuzes Christi (ohne Beschneidung) einbringen könnten. Das Gemeinte bleibt etwas unklar: Sind Verfolgungen aufgrund der Kreuzesverkündigung durch die Römer gemeint oder eher Verfolgungen durch die eigenen jüdischen Glaubensgeschwister, die nicht zum Christusglauben gekommen sind? Wie auch immer, auf dem Hintergrund der heftigen Polemik gegen seine Gegner in den der Lesung vorangehenden Versen 12 und 13 formuliert Paulus nun deutlich: Ihm geht es allein um die Verkündigung des Kreuzes, und damit rühmt er sich allein der heilenden und vergebenden Kraft Christi. Im Übrigen ruft Paulus mit diesem Vers seine Aussage aus Galater 2,17 in Erinnerung:
"Denn ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich für Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt worden."
Vers 15: "Neue Schöpfung"
Dieser Vers fasst noch einmal auf knappste Weise die Tauftheologie des Paulus zusammen: Durch die Taufe auf den gekreuzigten Christus, durch dessen sündenvergebende Kraft und den Leben schaffenden Geist Gottes geschieht in der Taufe so etwas wie eine Neu-Schöpfung. Um ein nicht-theologisches Bild zu verwenden, das in unsere Zeit passen könnte: Die "Festplatte" des Menschen, wird zumindest von Gott her von aller denkbaren Schadens-Software bereinigt. Paulus selbst hat dabei die Erwachsenentaufe im Blick, so dass das Leben vor der Taufe schon genug Möglichkeiten hatte, "Viren" einzubauen. Die Anfälligkeit dafür liegt in der Schwäche des Menschen.
Solche tiefgreifende Erneuerung des Menschen ist für Paulus mit der Beschneidung nicht verbunden.
Vers 16: Segen auch für "das Israel Gottes"
Vers 16 ist ein Segenswunsch für diejenigen, die sich auf die Evangeliumsverkündigung des Paulus einlassen. Aber er beschränkt sich nicht darauf, sondern spricht diesen Segen auch über das erwählte Volk Israel, aus dem er selber stammt. Damit klingt hier verborgen an, was Paulus in Römer 9 - 11 breit entfalten wird: Auch wenn Paulus darunter leidet, dass sehr viele seiner jüdischen Glaubensgeschwister nicht zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind, hält er an der Treue Gottes zu seinem Volk fest und geht davon aus, dass Gott am Ende der Zeiten für sie eine Erlösug ohne Christusglauben bereit hält, so wie er eben auch überzeugt ist, dass Gott diejenigen liebt, die sich seinem Sohn Jesus Christus verschrieben haben und sich nicht beschneiden lassen.
Vers 17: Endlich Ruhe
Dass Paulus hofft, die Wirren der Gemeinden von Galatien durch seine briefliche Einlassung beseitigt zu haben, ist verständlich. Ob danach wirklich Ruhe war, wissen wir nicht. Die Dringlichkeit seines Wunsches um ein Ende der Kämpfe in Galatien, die ihm geradezu Schmerzen bereiten, wird deutlich, wenn er auf Schmerzen ganz anderer Art hinweist, die er wohl auch zu ertragen hat: Er trägt die sogenannten Stigmata, also Wunden an Händen und Füßen, die wie eine Nachbildung der Kreuzeswunden Jesu sind. Bei wem diese Wundmale auftreten (sie werden in später Zeit z. B. mit Franz von Assisi und im letzten Jahrhundert mit dem in Italien sehr verehrten Pater Pio verbunden), dem bereiten sie große Schmerzen. Diese will Paulus offenbar gerne tragen als Nachfolger Christi - im Gegensatz zu der Pein, die ihm der galatische Streit bereitet.
Vers 16: Zum Schluss die Stärkung
Ein stärkender Christus-Segen, der Zuspruch seiner hilfreichen Zuwendung und Aufrichtung der inneren Kräfte ("Geist") gegen die Schwächen des Fleisches (zu denen auch der Streit oder das ängstliche Nachgeben vor unangemessenen bzw. falschen Forderungen Anderer gehören), beschließen den Galaterbrief.