Dank als Motor. Aus welcher Kraft sich das Leben als Christ gestalten lässt.
1. Verortung im Brief
Der gegen Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus verfasste Epheserbrief (Eph) nennt den Apostel Paulus als Verfasser, ist aber mit Sicherheit nicht von ihm selbst geschrieben. Wie auch bei anderen Briefen verwendet hier ein unbekannter Autor den Verfassernamen des Paulus, um seinem Brief in der Gemeinde eine höhere Autorität zu verleihen. Dabei geht es weniger um eine Fälschung als um eine Art von „Fortschreibung“. In der Fachsprache werden diese Briefe, die unter dem Namen des Paulus, aber nicht von ihm verfasst wurden (Kolosser, Epheser, 2 Thessalonicher, 1/2 Timotheus, Titus) als deutero-paulinische Briefe bezeichnet, als Paulusbriefe „2. Hand“.
Der Autor des Epheserbriefes, der inhaltlich eng mit dem Kolosserbrief verbunden ist, versucht die Theologie des Paulus auf die Situation der Gemeinden am Ende des 1. Jahrhunderts hin weiterzudenken. Insbesondere die Herausforderung der größer werdenden Gemeinden in einer heidnischen Umwelt sind für ihn ein Thema: Wie gelingt es, die eigene Identität zu bewahren und dennoch für viele Menschen attraktiv zu sein? Wie wird christliches Leben nach innen (in der Gemeinde) und nach außen in der Welt erkennbar?
Der Abschnitt der Lesung am Sonntag entstammt einem größeren Zusammenhang, in dem der Autor die Christen in Ephesus zu einem erkennbar klaren Miteinander aus dem Glauben heraus ermahnt und ermutigt.
2. Aufbau
Der Text beginnt mit einem eher allgemeinen Imperativ (Vers 15). Ihm folgen weitere Hinweise zur konkreten Lebensgestaltung in der Welt aus dem Geiste Gottes (Verse 16-18). Diese münden in Aufforderungen zu einem gemeindlich-liturgischen Handeln (Verse 19 und 20).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 15: Wer inmitten einer Welt lebt, in der die Mehrheit einen anderen Glauben hat, muss sich wie ein Außenseiter und vielleicht auch wie ein „Tor“ fühlen. Schließlich führt das Bekenntnis zu Christus notwendigerweise zu Abgrenzungen. So sind beispielsweise Feste und das gesellschaftlich-soziale Leben insgesamt für Christen immer wieder verbunden mit der Entscheidung, was möglich ist und wo die heidnischen Riten dem Christusglauben entgegenstehen. Der Verfasser des Epheserbriefes, der es sich zur Aufgabe macht, die Gemeinde in ihrer christlichen Identität zu stärken, ruft daher immer wieder zur Achtsamkeit in Bezug auf den Lebenswandel auf. Er bestärkt die Christen und Christinnen, genau abzuwägen und darauf zu achten, wie sie ihren Alltag gestalten. Dabei sollen sie sich in christlicher Perspektive als „Kluge“ erweisen und nicht als „Toren“ – auch wenn die Umwelt ihre Verhaltensweisen wahrscheinlich genau andersherum beurteilen würde.
Verse 16-18: Die Zeit, die voll ist von Möglichkeiten, die christlichen Vorstellungen doch über den Haufen zu werfen. „die Tage sind böse“. Dennoch gilt es genau diese Zeit zu nutzen und aus dem Sinne Gottes heraus zu gestalten. Es geht darum, zu „begreifen“, was der Wille des Herrn ist. Der Verfasser des Epheserbriefes illustriert dies an einem Beispiel: Ein ausschweifendes Leben, das die Sinne betäubt (Beispiel Wein), ist eben nicht im Sinne Gottes – vor allem nicht, wenn Wachsamkeit das Gebot der Stunde ist.
Verse 19-20: Nach der Abgrenzung in Vers 18 wird nun positiv das Leben als Gemeinde beschrieben: Das gemeinsame Gebet soll einigendes und stärkendes Element des christlichen Lebens sein. Ganz offensichtlich hat der Verfasser die Liturgie der Gemeinde vor Augen, wenn er von Psalmen, Hymnen und Lobliedern spricht. Dieser gemeinschaftliche Vollzug, der ganz aus dem Dank an Gott den Vater entspringt und auf ihn hin orientiert ist, soll das Zentrum Gemeindelebens und damit des christlichen Lebens allgemein sein (vgl. Kolosserbrief 3,16). Im Namen „unseres Herrn Jesus Christus“ Dank zu sagen bringt zum Ausdruck, wem die Gemeinde ihren Glauben und Gottesbezug zu verdanken hat: Jesus Christus, der menschgewordene Gottessohn, ist der Ankerpunkt für die Gemeinde, die sich durch ihn die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen weiß.