Gott bleibt treu – er kann sich nicht verleugnen.
1. Verortung im Brief
Der 2. Brief an Timotheus (2 Tim) gehört zusammen mit dem 1. Brief an Timotheus und dem Titusbrief zu den sogenannten Pastoralbriefen. In diesen wendet sich der Verfasser, der sich als Paulus ausgibt, um seinen Worten eine größere Autorität zu verleihen, an Gemeindeleiter in Ephesus (Timotheus) und Kreta (Titus). Grundthema der Briefe ist die Frage nach einer verlässlichen Weitergabe des Evangeliums angesichts vielfältiger Herausforderungen.
Nach den typischen Elementen einer Briefeinleitung (Gruß, Dank und erste Themeneinführung, 2 Tim 1,1-18) beginnt mit 2 Tim 2,1 der erste Hauptteil des Briefes. Timotheus soll hier als Glaubender bestärkt und zugleich an seine Aufgabe, die Bewahrung seiner Gemeinde im Glauben, erinnert werden.
2. Aufbau
Der Abschnitt hat zwei Brennpunkte: Zum einen die Überlieferung des Evangeliums, das Timotheus von Paulus selbst empfangen hat (Verse 8-10). Zum anderen die Botschaft des Evangeliums, die Hoffnung verheißt und zu Treue auffordert (Verse 11-13).
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 8-9: Der Verfasser ruft Timotheus die Geschichte Jesu in Erinnerung. Dabei nimmt er auf die menschliche und die göttliche Seite Jesu Bezug, indem er von seiner menschlichen Herkunft aus dem Geschlecht Davids spricht und zugleich seine göttliche Herkunft bezeugt, die sich in der Auferweckung von den Toten zeigt. Diesen Jesus, der aus dem Fleisch und dem Geist, also der sichtbaren irdischen Wirklichkeit und der unsichtbaren himmlischen Wirklichkeit besteht, hat Paulus in seinem Evangelium verkündet. Und dieses Evangelium, die Botschaft von Jesus Christus, ist der Grund, warum der Verfasser des Briefes, der sich als Apostel ausgibt, leidet. Damit ist nicht nur die konkret gedachte Situation der Inhaftierung des Apostels gemeint, auf die der Verfasser sich beruft. Vielmehr sind damit alle Bedrängnisse und Anfeindungen gemeint, die dazu führen, dass er „wie ein Verbrecher“ behandelt wird. An Paulus selbst wird also sichtbar, welche Konsequenz die Verkündigung des Evangeliums nach sich zieht.
Vers 10: Die Beispielhaftigkeit des Paulus bekommt einen Sinn. Er nimmt die Leiden auf sich, damit andere dadurch zum Glauben kommen. Paulus selbst ist also nicht nur Verkündiger, er ist selbst Gegenstand der Verkündigung. Denn an ihm lässt sich ablesen, was das Evangelium meint: Leiden und Bedrängnis führen nicht in den Untergang, sondern zu wirklicher Gemeinschaft mit Gott, zu „ewiger Herrlichkeit“. Anders könnte man auch sagen: Nur, weil Paulus mit aller Konsequenz das Evangelium weitergibt und dafür leidet, können Menschen von der Wirklichkeit dieses Evangeliums überzeugt werden.
Verse 11-13: Der Verfasser des 2. Timotheusbriefes dürfte hier eine ältere, hymnische Tradition verarbeitet haben. Ganz ähnlich war auch im 1. Timotheusbrief bereits ein Gedanke aus der Tradition eingearbeitet worden (1 Tim 1,15). Dass es dort ebenfalls um Paulus als Beispiel für die Wahrhaftigkeit des Evangeliums geht, ist kein Zufall. Die Verkündigung in Gestalt des Paulus und seinem Lebenszeugnis macht einen wesentlichen Teil der Strategie der Pastoralbriefe aus.
Die vier parallel aufgebauten Aussagen, die jeweils von einem Verhalten der Menschen sprechen und diesem eine Verheißung Gottes gegenüberstellen, veranschaulichen die Gedanken aus den vorangegangenen Versen. Was zuvor für Paulus als den herausgehobenen Verkündiger gesagt wurde, das wird hier allgemein für die Gemeinschaft der Glaubenden formuliert. Möglicherweise handelt sich im Kern um ein frühes Bekenntnislied. Im Zusammenhang mit der direkten Ansprache an Timotheus sind die dargestellten Situationen hier aber vor allem auf ihn hin zu lesen.
Die Verbindung zwischen Mitsterben und Mitleben in Vers 11 erinnert an das 6. Kapitel des Römerbriefes. Der dritte Satz (Verleugnung) ruft das Wort Jesu aus dem Matthäusevangelium ins Gedächtnis: „Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen“ (Matthäusevangelium 10,33). Hieran lässt sich erkennen, dass ältere Überlieferungen in die Formulierungen eingeflossen sind.
Die Aussagen der Verse 11-12 spitzen sich zu in Vers 13, denn hier wird keine Entsprechung, sondern ein Kontrast beschrieben. Die Verheißung Jesu Christi steht fest, auch wenn die Menschen in ihrem Verhalten wanken und untreu werden.