Lesejahr B: 2023/2024

2. Lesung (2 Kor 5,6-10)

6Wir sind also immer zuversichtlich, auch wenn wir wissen, dass wir fern vom Herrn in der Fremde leben, solange wir in diesem Leib zu Hause sind;

7denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende.

8Weil wir aber zuversichtlich sind, ziehen wir es vor, aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein.

9Deswegen suchen wir unsere Ehre darin, ihm zu gefallen, ob wir daheim oder in der Fremde sind.

10Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat.

Überblick

Zuversicht. Die Tugend der Glaubenden

1. Verortung im Brief
Der Apostel Paulus hatte die Gemeinde von Korinth selbst gegründet (50/51 n.Chr.) und steht seitdem in regem Kontakt zu ihr über Briefe und seine Mitarbeiter, die die Gemeinde im Auftrag des Paulus besuchen. Hatte er im 1. Brief an die Korinther (1 Kor) aktuelle Fragen aus der Gemeinde beantwortet und Themen angesprochen, die sich aus den Schilderungen von Gemeindemitgliedern oder seiner Mitarbeiter ergaben, so ist der 2. Brief an die Gemeinde in Korinth (2 Kor) stark geprägt durch eine Auseinandersetzung zwischen dem Apostel und der korinthischen Gemeinde, so dass der Brief an vielen Stellen sehr persönlich wird. Paulus wehrt sich im 2 Kor vor allem dagegen, dass ihm andere Verkündiger versuchen den Rang des prägenden Apostels für die Gemeinde streitig zu machen. So versucht Paulus mit verschiedenen rhetorischen Mitteln seinen Dienst für die Christen in Korinth zu umschreiben und in seiner Besonderheit darzustellen: Ein Dienst in Demut und Schwäche, stark durch Christus, der Paulus zu seinem Apostel macht.

Der Apostel Paulus folgt bei der Abfassung seiner Schreiben zumeist klar dem Aufbau antiker Briefe: Dort folgt auf das „Präskript“, mit Absender, Adressat und Gruß, das „Proömium“, das noch einmal eine Vorrede darstellt und zum Hauptteil überleitet. Der Hauptteil, „Briefkorpus“, enthält Mitteilungen und Anliegen des Schreibens. Es folgt der „Briefschluss“ mit persönlichen Grüßen und Wünschen, dabei können markante Gedanken des Schreibens durch einzelne Begriffe noch einmal aufgenommen werden.

Der Abschnitt 2 Kor 5,6-10 stammt aus dem Briefkorpus. Im Rahmen eines umfassenden Gedankengangs zum Dienst des Paulus, widmet sich der Apostel hier seiner ganz persönlichen Hoffnung. Die Verse sind eng verbunden mit der Aussage aus 2 Kor 4,16: „Darum werden wir nicht müde; wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert.“

 

2. Aufbau
Der sehr dicht formulierte Gedankengang kann in zwei Aspekte untergliedert werden. In den Versen 6-8 dominiert das Motiv der Zuversicht. In den Versen 9-10 geht es um die Beurteilung des eigenen Lebens und Handelns vor Christus. Durch das Wort „Fremde“ sind beide Teile verbunden.

 

3. Erklärung einzelner Verse

Verse 6-8: Hatte Paulus in 4,16 erzählt mit der Umschreibung „nicht müde werden“ zum Ausdruck gebracht, dass er als Apostel in seinem Bemühen und Dienst nicht nachlässt, so hatte er dies in Vers 5,5 mit dem Verweis auf den Heiligen Geist begründet. Auf dieser Grundlage argumentiert er nun weiter und spielt mit den Begriffen fern, in der Fremde, zu Hause, auswandern und daheim. Er umschreibt damit seinen aktuellen Zustand und zugleich die Daseinsform der Christen.
Auch wenn Paulus „fern vom Herrn in der Fremde“ lebt, weil er noch nicht im Reich Gottes und der himmlischen Wirklichkeit wohnt, weiß er, dass dies seine eigentliche Heimat ist. Der Leib ist sein aktuelles Zuhause, aus dem er „auswandern“ wird, um daheim bei Gott zu sein. Beim Drehen und Wenden der Begriffswelt „fremd und daheim“ wirken die Verse 6 und 8 leicht widersprüchlich. Ist in Vers 6 der Leib ein Zuhause und kann Paulus auch in ihm zuversichtlich sein, spricht er in Vers 8 sehr deutlich von der Sehnsucht, diesen Leib zu verlassen („ziehen wir es vor auszuwandern“). Diese Brüchigkeit in der Verwendung der Bilder ist durchaus gewollt und lässt sich nicht auflösen. Entscheidend ist für das Verständnis dieses Gedankens das Wort „Zuversicht“. Paulus umschreibt damit die Sicherheit, die er als Glaubender besitzt, im Vertrauen und ohne zu schauen (Vers 7) mit Gott unterwegs zu sein.

 

Verse 9-10: Paulus kommt zurück zu seinem Dienst, er ist der Ort, in dem sich der Apostel Christus gegenüber „beweisen“ will („suchen unsere Ehre darin“). Die Verwendung von „daheim“ und „in der Fremde“ nimmt das Spiel damit aus den Versen 6-8auf, kann hier aber auch das Unterwegssein des Paulus im Dienst für den Herrn meinen. Vers 10 setzt den Gedanken der „Ehre“ fort und führt diese in Richtung Gericht fort. Am Ende, wenn der Leib verlassen ist und er daheim beim Herrn ist, wird er den Lohn für sein Tun empfangen im Positiven wie im Negativen.

Auslegung

„Als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende“ – damit fasst Paulus theologisch zusammen, was er in dem Begriff der Zuversicht alltagstauglich macht. Für ihn ist die wirkliche Erkenntnis Gottes, das Schauen der göttlichen Realität etwas noch Ausstehendes, das erst in der Begegnung mit dem wiederkommenden Christus und in der eigenen „Übersiedelung“ in den Himmel stattfindet. Im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth hatte Paulus dies mit dem Bild des Stückwerks ausgedrückt (1 Kor 13,12). Daran schließt er hier gedanklich an. Denn für ihn ist das Unterwegssein mit Gott in der Zeit, in der der Leib sein Zuhause ist, geprägt durch Glauben, Vertrauen oder anders ausgedrückt Zuversicht. Die Gewissheit erfolgt erst am Ende, wenn die eigentliche Heimat erreicht ist. Die Zwischenzeit, das Leben und Zeuge sein, ist nicht nur die Zeit, sich zu beweisen, sondern auch die Zeit auf Gottes Anwesenheit zu vertrauen – auch wenn diese eben nicht sichtbar ist. Paulus weiß sich mit ihm aber verbunden durch den Heiligen Geist (Vers 5). Er ist eine Art Anzahlung oder „erster Anteil“ für die vollkommene Erkenntnis, die auf den Apostel wartet. Entsprechend ist es der Geist, der Paulus eine Haltung ermöglicht, in der er für die Gemeinde vorbildhaft sein will. Die Zuversicht kennzeichnet eine Grundüberzeugung des Paulus. Sie entspringt seinem Wissen und seiner Erfahrung als jemand, der mit dem Geist Gottes beschenkt ist. Im Wissen um die zukünftige Klarheit des Sehens und die endgültige Heimat bei Gott kann er den „Schwebezustand“ zwischen Beheimatung und Fremde im Hier und Jetzt aushalten und mehr noch. Paulus erträgt die Zeit in seinem irdischen Leib nicht nur, er gestaltet sie. Aus der Zuversicht, von Gott mit Geist erfüllt und gesendet zu sein, versieht er seinen Dienst mit Freude und in Treue. Von 2 Kor 2,14-7,4 stellt der Apostel in der Korrespondenz mit den Korinthern seine Aufgabe als Botschafter des Evangeliums in den Mittelpunkt. Mit der Rede von der Zuversicht gibt er ihnen zu erkennen, mit welcher Grundhaltung er diesen Auftrag annimmt. Gerade in den zahlreichen Auseinandersetzungen mit der Gemeinde will Paulus so ein Vorbild im Vertrauen auf Gott auch in schwierigen Zeiten sein.