Neuschöpfung - Versöhnung - Änderung der Wege: Das ist der Dreiklang, mit dem Paulus zu einer christlichen Exstenz aus dem Glauben an Jesus Christus ermutigt und mahnt und von dem er sein eigenes Leben bestimmt sein lässt.
Die Lesung in ihrem größeren Zusammenhang
Ähnlich wie die Zweite Lesung am Aschermittwoch gehört auch die Zweite Lesung am Sonntag Laetare in die Grundsatzausführungen des Paulus zum Thema "Versöhnung". Sie umfassen insgesamt die Passage 2 Kor 5,11 - 6,10 (vgl. die Auslegung zur Zweiten Lesung am Aschermittwoch). Statt der Verse 5,20-21; 6,1-2 sind diesmal allerdings die Verse 2 Kor 5,17-21 ausgesucht. Sie ergeben einen klaren Dreischritt in der Gedankenführung:
Durchgang durch die Lesung in vier Schritten
Schritt 1 (Vers 17)
Christus ist nicht nur als Mensch zu betrachten (wie Paulus es vermutlich während seiner Zeit als Christenverfolger sah), sondern in seiner durch Kreuz und Auferstehung bewirkten Heilsbedeutsamkeit. Sie besteht im "Auslöschen unseres Schuldscheins" vor Gott, wie es im Gefolge des Paulus der Kolosserbrief in Vers 2,14 einmal anschaulich formuliert. Ohne "Schuldschein" zu leben bedeutet aber eine neue, befreite Existenzweise für den Menschen. Paulus nennt sie "eine neue Schöpfung" (Vers 17 als erster Vers der Lesung und als Abschlussvers der Einheit 2 Kor 5,14-17 im Zweiten Korintherbrief). Sie beginnt im Augenblick der Taufe und wird durch den Ritus von Untertauchen und Wiederauftauchen - Paulus hat hier nur Erwachsene vor Augen - eindrücklich erfahrbar. Was hier an Wandlungs geschieht, ist allerdings nicht Magie, sondern eine Zusage, die durch das ganze sich daran anschließende Leben angenommen und in Praxis umgesetzt werden will.
Schritt 2 (Verse 18-19)
Hinter Tod und Auferweckung Christi steht letztlich Gott selbst: "Aber das alles kommt von Gott ..." (Vers 18). Er ist es, der durch den Sohn Jesus Christus handelt (vgl. bereits das Berufungserlebnis des Paulus: "Als es aber Gott gefiel ...., in mir seinen Sohn zu offenbaren ..." (Galater 1,15-16). Wie bereits im Alten Testament der Bund nicht einen vom Menschen initiierten Pakt mit Gott meint, sondern ein einseitig von Gott ausgehendes Angebot zu einer Lebensfreundschaft meint, das der Mensch bzw. das Volk Israel mit den daraus erwachsenden Konsequenzen annehmen oder aus dem sich der Mensch auch verabschieden kann, so ist auch die mit der Taufe gegebene Zusage Gottes "Du bist meine geliebte Tochter"/"Du bist mein geliebter Sohn" eine einseitig und voraussetzungslos erfolgende Liebeserklärung Gottes, deren Bewantwortung ganz in der Verantwortung des Menschen liegt. Von Seiten Gottes ist alles, was seiner Liebe zum Menschen im Wege stehen könnte, durch ihn selbst - nämlich durch Kreuz und Auferweckung seines Sohnes - beseitigt. Das meint die Rede von der "Versöhnung".
Schritt 3 (Vers 20)
Wenn das Ziel Gottes die Versöhnung ist, muss auch das Werk der Menschen von Versöhnung bestimmt sein. Dies zu verkünden, sieht sich Paulus beauftragt. Er versteht sich als "Gesandter Christi" (Konsequenz aus Schritt 1), der aber letztlich in der Vollmacht Gottes handelt (Konsequenz aus Schritt 2).
Schritt 4 (Vers 21)
Der Schlussvers spitzt noch einmal das Gesagte zu und deutet damit das Kreuzesgeschehen: Mit dem Kreuzestod nimmt der von keiner Schuld belastete Jesus ein Schicksal auf sich, das nur für Schuldige vorgesehen war, und lässt durch den Sieg über den Kreuzestod in der Auferweckung den absurden Zirkel von Schuld und Strafe ins Leere laufen. Er überwindet ihn, weil und damit der Mensch trotz aller Schuld, die er auf sich lädt, vor Gott als Gerechter dazustehen vermag; also als einer, dem Gott vergeben und den er mit sich versöhnt hat. Da dieser Zusammenhang ganz von Gott her gedacht ist und geglaubt wird, geht es nicht um eine Selbsttrechtfertigung des Menschen ("Ich bin in jedem Fall gerecht."), sondern darum, diese Versöhnung Gottes wirklich glauben zu können und daraus Leben zu gestalten. Wo das geschieht, ist weder Platz für Kriegserklärung noch für Diskriminierung, Missbrauch jeglicher Art oder sonst irgendeinen Versuch, die bzw. den anderen klein zu machen, um selbst groß dazustehen. Der Glaube selbst kann nur im Modus der Hoffnung, dass Gott ein vergebender ist, gelebt werden, nicht des Anspruchs oder gar der Instrumentalisierung.