Zerbrechliche Stärke. Paulus als derjenige, der in der eigenen Schwachheit, die Kraft Gottes an sich wahrnimmt – immer wieder.
1. Verortung im Brief
Der Apostel Paulus hatte die Gemeinde von Korinth selbst gegründet (50/51 n.Chr.) und steht seitdem in regem Kontakt zu ihr über Briefe und seine Mitarbeiter, die die Gemeinde im Auftrag des Paulus besuchen. Hatte er im 1. Brief an die Korinther (1 Kor) aktuelle Fragen aus der Gemeinde beantwortet und Themen angesprochen, die sich aus den Schilderungen von Gemeindemitgliedern oder seiner Mitarbeiter ergaben, so ist der 2. Brief an die Gemeinde in Korinth (2 Kor) stark geprägt durch eine Auseinandersetzung zwischen dem Apostel und der korinthischen Gemeinde, so dass der Brief an vielen Stellen sehr persönlich wird. Paulus wehrt sich im 2 Kor vor allem dagegen, dass ihm andere Verkündiger versuchen den Rang des prägenden Apostels für die Gemeinde streitig zu machen. So versucht Paulus mit verschiedenen rhetorischen Mitteln seinen Dienst für die Christen in Korinth zu umschreiben und in seiner Besonderheit darzustellen: Ein Dienst in Demut und Schwäche, stark durch Christus, der Paulus zu seinem Apostel macht.
Der Apostel Paulus folgt bei der Abfassung seiner Schreiben zumeist klar dem Aufbau antiker Briefe: Dort folgt auf das „Präskript“, mit Absender, Adressat und Gruß, das „Proömium“, das noch einmal eine Vorrede darstellt und zum Hauptteil überleitet. Der Hauptteil, „Briefkorpus“, enthält Mitteilungen und Anliegen des Schreibens. Es folgt der „Briefschluss“ mit persönlichen Grüßen und Wünschen, dabei können markante Gedanken des Schreibens durch einzelne Begriffe noch einmal aufgenommen werden.
Der Abschnitt 2 Kor 4,6-11 stammt aus dem Briefkorpus und nimmt eines der wesentlichen Themen des Briefes in den Blick, den Dienst des Apostels vor dem Hintergrund der Leidensgemeinschaft mit Christus.
2. Aufbau
Vers 6 schließt den vorangegangenen Gedankengang (2 Kor 4,1-5) ab, in dem Paulus beteuerte, niemals arglistig das Evangelium verkündigt zu haben. Die Verse 7-11 leiten einen neuen Abschnitt ein, in dem die Leidensgemeinschaft des Apostels mit Christus im Fokus steht.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 6: Paulus erinnert an die Schöpfung. Gott ist es, der am Anfang aus Finsternis Licht entstehen lässt. Wie Gott bei der Erschaffung der Welt grundsätzlich die Finsternis in die Schranken weist, so schenkt er auch den konkret neues Licht, „göttlichen Glanz“ durch seinen Sohn Jesus Christus. Wer in Christus Gott erkennt und in ihm den Glanz Gottes selbst wahrnimmt, der wird selbst Teil des Lichts, das Gott ist und schenkt. Wenn Gott selbst „in unseren Herzen“ aufleuchtet, meint dies das Geschenk der Offenbarung. Dieses „Leuchten“ ist Zeichen des Erkennens Gottes in Jesus Christus.
Vers 7: Paulus wendet sich nun wieder seiner eigenen Sendung und damit auch seinem Dienst zu. Die Auseinandersetzungen mit der korinthischen Gemeinde zwingt ihn immer wieder dazu sich und sein Apostelamt zu erklären. Der „Schatz“ den Paulus besitzt, ist sein Dienst als Apostel, seine Berufung, sein Glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes. Dieses wertvolle Geschenk Gottes findet sich jedoch wieder in dem „zerbrechlichen Gefäß“ seines Leibes und seiner irdischen Existenz. Gerade dieses Gegenüber von geschenktem Glauben und anvertrautem Dienst auf der einen Seite und Leben in der Welt und mit den eigenen körperlichen Begrenzungen auf der anderen Seite zeigt für Paulus, das große Wirken Gottes an ihm. Was er eigentlich aus sich heraus nicht zu leisten vermag, das wird möglich, weil Gott mit dem „Übermaß“ seiner Kraft an ihm wirkt.
Verse 8-9: Nun wird Paulus konkret und benennt die Grenzsituationen seines Lebens. Wie auch an anderen Stellen im 2. Korintherbrief (z.B. 2 Kor 6,4-10 und 11,23-29) zählt er Leidenserfahrungen auf. Dabei bleibt er jedoch im Vergleich zu anderen Stellen in einer „Überblicksdarstellung“. Berichtet er in 2 Kor 11,23-29 von der genauen Anzahl an Schlägen und Schiffbrüchen etc., geht es ihm hier mehr um das Grundmuster seiner Erfahrung als Apostel. In seinem Dienst erfährt er sich immer wieder in Situationen, die ihn an seine Grenzen bringen, in denen er jedoch seinen Glauben und seinen Auftrag als Glaubensverkünder nicht aus dem Blick verliert. Die „Kraft Gottes“ (Vers 7), die an ihm wirkt, wird in seiner Fähigkeit deutlich all diese Situationen durchzustehen.
Verse 10-11: Seine eigenen Erfahrungen verbindet Paulus abschließend mit dem Schicksal Jesu. Sein eigenes Leiden drückt die Anteilnahme am Leidensweg Jesu aus und dort, wo er sich als kraftvoll in seinem Dienst erlebt, wird die Botschaft der Auferstehung an ihm sichtbar. Für den Apostel ist eindeutig, dass das eine nicht ohne das andere geht – so ist Vers 10 zu verstehen. Die ganze Existenz als Verkünder des Evangeliums ist Abbild des Lebens Jesu mit Leiden und Auferstehung.