„Danke, Gott, dass ich mich ändern durfte.“ Das persönliche Erlebnis des Paulus wird zum Ausgangspunkt einer Glaubenserfahrung, die auch andere machen können.
1. Verortung im Brief
Der erste Timotheusbrief gehört zur Gruppe der sog. Pastoralbriefe, die vermutlich erst im 2. Viertel des 2. Jahrhunderts in Kleinasien (der westlichen Türkei) entstanden sind. Zu diesem Zeitpunkt sind der Verfasser des Briefes, Paulus, und der Adressat des Briefes, sein Schüler Timotheus, längst gestorben. Der von einem unbekannten Verfasser stammende Brief lässt dennoch die Stimme des Paulus neu erklingen, als spräche er zu seinem Schüler und durch ihn zu einer Gemeinde, die sich längst weiterentwickelt hat und in deren Mitte sich feste Ämter und Strukturen herauszubilden beginnen. Dieser Gemeinde stellt sich in der Perikope dieses Sonntags ‚Paulus‘ vor und erinnert an seine Bekehrung vom Saulus zum Paulus.
2. Erklärung einzelner Verse
Verse 12-13: Der verschränkte Satzbau des griechischen Verses lässt sich im Deutschen ebensowenig nachahmen wie der Doppelsinn des griechischen Wortes Charis, das zugleich Dank und Gnade bedeutet . Paulus stellt die Dankbarkeit an den Anfang seiner Selbstvorstellung, weil er sich als Produkt der Gnade Gottes empfindet. Sie hielt ihn für vertrauenswürdig und hat ihn zum Dienst (Diakonia) bestellt, obwohl er vorher Christus leugnete, verfolgte und lästerte. Als Grund für sein früheres falsches Christusverständnis gibt Paulus an, er sei unwissend gewesen. Zum Glauben kommen heißt, das richtige Wissen über Christus erlangen.
Vers 14: Indem im folgenden Satz Charis (hier: Gnade) zum Subjekt gemacht wird, wird deutlich, dass der Grund für die Veränderung nicht ein Sinneswandel des Paulus, sondern Jesus Christus selbst gewesen ist, der ihm Glaube und Liebe geschenkt hat. In dieser Zusammenstellung ist das Begriffspaar für die Pastoralbriefe die Bezeichnung dafür, dass jemand das neue Leben in Christus angenommen hat.
Verse 15-16: Was sich im Leben des Paulus ereignet hat, ist sichtbarer Ausdruck dafür, wie der in Christus handelnde Gott zu verstehen ist. Er ist der, der in die Welt kommt, um die Sünder zu retten und ihnen Leben zu schenken, und zwar in dieser Welt und darüber hinaus. Der erste Mensch, der das erfahren durfte, ist Paulus selbst. Damit ist er aber nicht nur der Anfang einer Reihe beliebig vieler anderer, denen es auch so erging. Er ist zugleich ihr Urbild (Hypotyposis). Alle Christen, die im Evangelium dem Gott begegnet sind, der die Sünder rettet und zum Leben bewahrt, können sich in Paulus wiedererkennen. Darum ist, wie es am Anfang von Vers 15 heißt, das Wort glaubwürdig. Es hat sich in der Person des Paulus ereignet und wird sich im Leben aller Christen wieder ereignen. Ein Gott, der so an den Menschen handelt, der die Sünder nicht bestraft, sondern ihnen die Kraft zur Veränderung schenkt, lässt sich von seiner Großherzigkeit leiten. Das griechische Wort Makrothymia, das in unserer Übersetzung mit Langmut wiedergegeben wird, beschreibt genau diese charakteristische Eigenschaft Gottes und ist im biblischen Sprachgebrauch ihm vorbehalten.
Vers 17: Die Doxologie am Ende der Selbstvorstellung nimmt den Dank, mit dem sie in Vers 12 begann, erneut auf. Auf dem Hintergrund der Überlegung, dass Paulus das Urbild aller Christen ist, ist das ein Dank, in den alle Christen, an die der Brief gerichtet ist, aufgrund ihrer Erfahrung einstimmen können.