Lesejahr B: 2023/2024

2. Lesung (1 Kor 10,31-11,1)

31Ob ihr also esst oder trinkt oder etwas anderes tut: Tut alles zur Verherrlichung Gottes!

32Gebt weder Juden noch Griechen, noch der Kirche Gottes Anlass zu einem Vorwurf!

33Auch ich suche allen in allem entgegenzukommen; ich suche nicht meinen Nutzen, sondern den Nutzen aller, damit sie gerettet werden.

111Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme!

Überblick

Überlegt, was und wie ihr es tut! Paulus erinnert die Gemeinde in Korinth an die Außenwirkung des eigenen Handelns.

1. Verortung im Brief
Paulus, der die Gemeinde von Korinth gegründet hat (50/51 n. Chr.), nimmt darin Bezug zur aktuellen Situation der Gemeinde, mit der er in einem regen Austausch steht: Zum einen beantwortet er aktuelle Fragen der Gemeinde, die ihm über seine Mitarbeiter oder durch Briefe übermittelt wurden. Zum anderen greift Paulus Themen auf, die ihm selbst für die Gemeinde wichtig erscheinen. Bis zu einem neuerlichen Besuch, bleibt das Medium des Briefes ein wesentliches Mittel, um auf Fragen und Herausforderungen der jungen christlichen Gemeinde einzugehen. In dem in Ephesus verfassten Brief (ca. 54 n. Chr.) findet Paulus tröstende, ermahnende und klarstellende Worte und bringt sich selbst als Apostel und die Botschaft des Evangeliums in Erinnerung.

Der 1. Korintherbrief (1 Kor) folgt dem Muster eines antiken Briefes. Dort folgt nach einem „Vorschreiben“ (von der lateinischen Bezeichnung „Präskript“) oder auch „Anschreiben“ mit Absender, Adressat und Gruß (1 Kor 1,1-3) das „Proömium“, das noch einmal eine Vorrede darstellt und zum Hauptteil überleitet (1 Kor 1,4-9).
Mit 1 Kor 1,10 beginnt der Hauptteil des Briefes („Briefkorpus“). Waren die ersten großen Themen der Umgang mit verschiedenen Gruppen und Strömungen in der Gemeinde (1 Kor 1,10-4,21) und verschiedene Aspekte des Themas „Sexualität“ (1 Kor 5,1-7,40 – Ausnahme ist der Abschnitt 1 Kor 6,1-11, in dem es um Rechtstreitigkeiten unter Christen geht), geht es ab 1 Kor 8,1 um das Verhältnis der Gemeinde zu den heidnischen Kulten. Eine ganz wichtige Grundlagenfrage dabei ist: Inwiefern muss ich mich als Christ, der aus der Heilszusage Gottes lebt, abgrenzen von der heidnisch-kultischen Praxis um mich herum? Oder noch konkreter: Kann ich als bekennender Christ nicht bedenkenlos Fleisch essen – auch wenn das womöglich im Zuge von Opferkulten geschlachtet wurde? Paulus antwortet mit einem klaren Nein auf diese Überlegungen. Denn was ich persönlich verstanden habe, könnte bei meinen Schwestern und Brüder im Glauben zu einer Verunsicherung und einer Unschärfe des eigenen Glaubens führen. 
Der Abschnitt 1 Kor 10,31-1,1 schließt den Gesamtabschnitt zum Umgang mit den heidnischen Kulten ab und greift gleichzeitig das Beispiel des Apostels auf, wie es Paulus auch in Kapitel 9 bereits ins Feld geführt hatte.

 

2. Aufbau
Vers 31 stellt einen Anschluss an die Opferfleischthematik des vorangegangenen Abschnitts dar. Vers 32 appelliert an die Gemeindemitglieder, auf das eigene Verhalten zu achten. Mit den Versen 10,33 und 11,1 erinnert Paulus noch einmal sein eigenes Handeln als Vorbild.

 

3. Erklärung einzelner Verse

Vers 31: Die sehr konkreten Fragen und Antworten rund um die Frage, wie Christen mit Speisen und Getränke umgehen sollen, deren Herkunft sie nicht kennen und die ihnen angeboten werden, münden hier in eine allgemeine Feststellung. Alles Tun, auch das Essen und Trinken soll unter dem Vorbehalt stehen, Gott zu verherrlichen. Paulus formuliert damit einen hohen Anspruch an die Gemeindemitglieder in Korinth. Es gilt für sie stets den Mittelpunkt ihres Lebens, das Vertrauen auf die Wirkmacht Gottes, in ihrem Handeln mitzudenken.

 

Vers 32: Den Aspekt „alles zur Ehre Gottes zu tun“ ergänzt Paulus um einen deutlichen Appell: Die Christen in Korinth sollen so leben, dass niemand ihr Handeln anstößig oder verwirrend findet. Gerade in Bezug auf die Speisefrage ist dies konkret zu formulieren: Wenn die anderen euch als Christen und damit als Anhänger Jesu Christi wahrnehmen, dürft ihr nicht durch euer Verhalten Verwirrung stiften; etwa indem ihr Fleisch aus heidnischen Kultzusammenhängen esst oder an Festen teilnehmt, die mit Kulten verbunden sind. Neben den Zielgruppen christlicher Verkündigung, Juden und Heiden, benennt Paulus hier auch die „Christenheit“ insgesamt als Personengruppe. Selbstverständlich ist damit noch keine allumfassende (katholische) Weltkirche gemeint. Aber Paulus dringt darauf, dass die Kunde über ein Verhalten in der Gemeinde von Korinth natürlich auch einen Einfluss auf andere christliche Gemeinden hat. Damit gewinnt das Verhalten der Korinther eine Bedeutung weit über den konkreten Radius der Gemeinde und der Stadtgesellschaft hinaus.

 

Verse 33-11,1: Die Aufforderung an die Gemeinde unterstreicht Paulus einmal mehr durch einen Verweis auf sein persönliches Lebenszeugnis. Dabei nimmt er sehr klaren Bezug auf den Abschnitt 1 Kor 9,19-23 (HIER geht es zur Auslegung). Ziel und Ausrichtung des eigenen Wirkens ist die Rettung aller. Damit meint Paulus nichts anderes als, dass er in aller Verkündigung und allem Handeln versucht, Menschen für das Evangelium zu interessieren, indem er klar, authentisch und ohne Blick auf sich selbst oder den eigenen Nutzen die Botschaft von Gottes selbstloser Liebe und Güte verbreitet. Paulus agiert dabei als „Nachfolger“ Christi, weil er sich das Handeln des menschgewordenen Gottessohnes zum Vorbild nimmt. Wie sich Paulus an Christus orientiert, soll die Gemeinde Paulus zum Beispiel für ein Leben in der Nachfolge Jesu nehmen – ein Gedanke, den Paulus auch an anderer Stelle formuliert (z.B. 1. Thessalonicherbrief 1,6).

Auslegung

Was wie ein frommer Überbau klingt, ist nicht nur für die Gemeinde in Korinth überlebensnotwendig: „Tut alles zur Verherrlichung Gottes!“ Paulus meint damit: „Wenn ihr als Christen handelt, dann zeigt, an wen ihr glaubt und wofür ihr steht.“
Die Gemeinde in Korinth ist innerhalb einer heidnisch geprägten Stadtgesellschaft eine kleine Gruppe Andersgläubiger. Gemäß dem Auftrag des Auferstandenen (Matthäusevangelium 28,16-20) ist es Teil ihres Selbstverständnisses, die Botschaft des Evangeliums weiterzugeben. Dazu gehört die Überzeugung, dass Jesus Christus, Gottes Sohn, in die Welt gesandt ist, um den Menschen neu einen Weg zu Gott aufzuzeigen. Dieser Weg wird sichtbar in dem, wie Jesus selbst handelt: Er wendet sich den Ausgestoßenen zu, heilt Kranke, spricht über Gottes Herrschaft. Er vergibt, wo ihm Unrecht widerfährt, trägt Böses nicht nach, wendet sich gegen Ungerechtigkeiten. Er stirbt am Kreuz, um Tod und Hass zu überwinden. In seiner Auferweckung wird Jesu Botschaft sichtbar bestätigt. Paulus selbst hat sich nach einer Begegnung mit dem Auferstandenen in die Pflicht nehmen lassen, diese Botschaft zu verkünden. Er steht für sie mit seinem Leben ein, lässt sich verfolgen, in Gefangenschaft nehmen, streitet für sie. Vor allem aber wendet er sich den Menschen zu, um sie Anteil haben zu lassen an seiner Begeisterung für Jesus Christus. Dabei geht er nicht nur auf deren jeweilige Bedürfnisse und Vorprägungen ein (Juden oder Heiden), sondern er bleibt vor allem sich selbst und seinem Anliegen treu. So können andere an seinem Handeln die Botschaft, für die er einsteht, ablesen: Wort und Wirken stimmen überein und sind eindeutig.

Paulus ermahnt und ermutigt die Gemeinde, sich seinem Beispiel anzuschließen. Sie soll nichts tun, was von der Heilsbotschaft ablenkt, sie soll nichts verkünden, was der Nachricht von der Zuwendung Gottes entgegensteht oder sie zu verwässern droht. Niemandem Anlass zu einem Vorwurf zu geben heißt, dem Ansehen der Gemeinde nicht zu schaden. Und das wiederum bedeutet, nichts zu tun, was das Evangelium in Misskredit bringen könnte. In allen Aktivitäten, im Privaten wie Öffentlichen sollen die Christen Werbende für die Botschaft Gottes sein. Damit jeder, der sie sieht, Lust bekommt, sich auf diesen Gott der Liebe und des Lebens einzulassen.

Kunst etc.

Der Grundsatz „Alles zur Ehre Gottes“, der den Abschnitt aus dem 1. Korintherbrief prägt, war auch für den Komponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750) leitend. So unterschrieb er – wie hier – seine Kompositionen nach der Fertigstellung mit dem Vermerk „soli Deo gloria – Gott allein die Ehre“. Auch andere Künstler bringen durch solche Zueignungen ein Verständnis der eigenen Kunst als Teil des Gesamtkunstwerks Gottes zum Ausdruck.