Lesejahr B: 2023/2024

2. Lesung (1 Joh 2,1-5a)

21Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten.

2Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt.

3Und daran erkennen wir, dass wir ihn erkannt haben: wenn wir seine Gebote halten.

4Wer sagt: Ich habe ihn erkannt!, aber seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner und in dem ist die Wahrheit nicht.

5Wer sich aber an sein Wort hält, in dem ist die Gottesliebe wahrhaft vollendet;

Überblick

Worin sich Erkenntnis zeigt. Und worauf ich hoffen darf.

1. Verortung im Brief
Der 1. Johannesbrief (1 Joh) gehört zu einem Dreier-Verbund von Briefen (1-3 Joh), deren Verfasser unbekannt ist. Da die Briefe insgesamt eine inhaltliche Nähe zum Johannesevangelium zeigen (z.B. Motiv des Erkennens 1 Joh 3,1), sind Evangelium und Briefe in der kirchlichen Tradition mit einem gemeinsamen Verfasser verbunden worden. Dies lässt sich jedoch nicht belegen, der Verfasser des Evangeliums wie der Briefe bleibt am Ende anonym. Allerdings steht der Verfasser der Briefe der Gemeinde des Johannesevangeliums und/oder dessen Verfasser nahe. Die Briefe sind in jedem Fall nach dem Evangelium und damit gegen Ende des 1. Jahrhunderts oder zu Beginn des 2. Jahrhunderts verfasst. Da es inhaltlich auch Berührungspunkte mit den Paulusbriefen gibt, könnte Kleinasien (heutige Türkei) Ursprungsort der Briefe sein.
Inhaltlich reagiert der Verfasser mit dem 1 Joh auf Spaltungen und Konflikte in seiner Gemeinde. Unter anderem ist die Tatsache, dass Jesus als Gottes Sohn auch wahrer Mensch ist, ein theologischer Streitpunkt. Auch das Erleben, dass auch Christen schuldig werden und wie mit dieser Erfahrung umgegangen werden kann, ist Thema des Briefes. Die Liebe Gottes, die sich in der Menschwerdung des Sohnes und dessen Kreuzestod zeigt, als wesentliches Geschenk zu begreifen und dies im eigenen Handeln sichtbar zu machen, ist für den Verfasser daher besonders wichtig.

Der ausgewählte Abschnitt stammt aus dem Anfang des Briefkorpus. In einem ersten Schwerpunkt befasst sich der Autor hier mit der Gemeinschaft mit Gott und dem entsprechenden Verhalten.

 

2. Aufbau
Zwei Gedankengänge lassen sich in dem kurzen Abschnitt ausmachen: In den Versen 1-2 steht die Sünde der Menschen und das erlösende Handeln Jesu im Fokus. In den Versen 3-5 geht es um die Erkenntnis Gottes und das daraus abgeleitete Verhalten.

 

3. Erklärung einzelner Verse
Verse 1-2: Mit der Anrede "meine Kinder" setzt der Verfasser neu an und sammelt die Aufmerksamkeit der Leser auf seinen Gedanken. Auch wenn sein Schreiben den Gemeindemitgliedern helfen soll, ohne Sünde zu leben, so sollen sie wissen, dass sie auch in der Sünde nicht allein sind. Jesus selbst ist als ihr Beistand und als Fürsprecher der Menschen bei Gott. Jesus Christus, der Gerechte, also der, der ohne Sünde gelebt hat und in Gemeinschaft mit Gott wandelte, er tritt ein für diejenigen, denen das nicht immer gelingt – Christen und Nicht-Christen („auch für die der ganzen Welt“).

 

Verse 3-5: Der Autor gibt nun ein „Erkennungszeichen“ an, für diejenigen, die an Jesus Christus als ihren Fürsprecher bei Gott glauben. Wer sich dazu bekennt, dass Jesus Christus für die Sünden der Welt eintritt, der hält die Gebote. Dies bedeutet nichts Anderes als: Wer glaubt, handelt nach dem Willen Gottes! Anders herum ist der, der sich nur innerlich oder mit den Lippen zu Christus bekennt, dem aber keine Taten folgen lässt ein Lügner. Die Umschreibung „in dem ist die Wahrheit nicht“ meint anders formuliert: der lebt nicht in Gemeinschaft mit Gott. Denn Gott ist die Wahrheit und der Mensch, der nicht wahrhaftig oder authentisch in seinem Handeln und Bekenntnis ist, der ist nicht bei Gott. Umgekehrt zeigt derjenige, der sich an die Weisungen Gottes hält, dass er in Beziehung mit Gott lebt; in ihm „ist die Gottesliebe vollendet“.

Auslegung

Der Glaube und das Bekenntnis zu Gott können nicht folgenlos bleiben, davon ist der Autor des 1. Johannesbriefes überzeugt. Die Einsicht in das Heilshandeln Gottes und in den Tod Jesu, der von Schuld befreit, muss sich im Leben eines Glaubenden manifestieren. Der wirkliche Glaube, die wahre Erkenntnis in die Liebe Gottes bildet sich im Handeln ab. Es reicht nicht zu sagen, dass man glaubt oder große Bekenntnisse von sich zu geben. Wenn den Taten nicht Worte folgen, ist jedes Bekenntnis wertlos und ohne Wahrhaftigkeit. Der Autor legt die Messlatte hoch für die Gemeinde und nutzt drastische Formulierungen wie „Lügner“ und „in dem ist die Wahrheit nicht“, um sie zu einem authentischen und überzeugten Christsein aufzufordern. Am Ende des 1. Jahrhunderts bzw. Beginn des 2. Jahrhunderts als die Christen schon eine Weile auf die Wiederkunft des Herrn hofften und der erste Enthusiasmus des neuen Glaubens zu schwinden beginnt, braucht es offenbar diese deutlichen Worte. Sie sind als Weckruf gedacht, um in Erinnerung zu rufen, worauf der eigene Glaube beruht: Auf Gottes Sohn, der mit Wort und Tat von Gottes Liebe, Barmherzigkeit und Güte Zeugnis abgelegt hat. Wer dies glaubt, der muss in diese Sendung des Sohnes selbst eintreten und mit Wort UND Tat bezeugen, was sein neues Leben ausmacht.
So hoch der Autor die Messlatte anlegt, so klar ist aber auch sein „Zugeständnis“, dass dies nicht immer gelingt. Deshalb erinnert er die Gemeinde zu Beginn des Abschnitts an das, worauf sie hoffen und bauen dürfen: Mit Jesus haben sie einen Fürsprecher bei Gott, der ihnen auch im Falle des Versagens und Schuldigwerdens beisteht. Der Gerechte tritt für die Ungerechten ein, er löst die Schuld auf und macht Gemeinschaft mit Gott möglich.