Warum „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ mehr ist als „Erinnert euch!“.
Paulus muss der Gemeinde in Korinth deutlich machen, dass sie mit der Feier der Eucharistie eingebunden ist in eine Tradition, deren Ende und Anfang sie selbst nicht überschaut.
1. Verortung im Brief
Paulus widmet sich im 1. Brief an die Gemeinde in Korinth (1 Kor) sehr ausführlich aktuellen Problemen der Gemeinde. Das gesamte 11. Kapitel steht dabei unter dem Fokus einer guten gemeinsamen Gottesdienstfeier. Dabei geht es sowohl um die richtige Einstellung zur Feier als auch um die richtige Praxis. So kritisiert Paulus beispielsweise in 1 Kor 11,17-22, dass das gemeinsame der Feier verloren geht, wenn jeder beim Mahl nur das zu sich nimmt, was er selbst mitbringt. Wen das Teilen und aufeinander Warten innerhalb der Gemeinde nicht mehr praktiziert wird, verkommt das Mahl in seinem eigentlichen Sinn. Um die Gemeinde an den Ursprung der gemeinsamen Mahlfeier zu erinnern stellt Paulus die Tradition des Abendmahls oder Herrenmahls in das Zentrum des Kapitels.
An die Weisungen für den Gottesdienst schließt Paulus mit den Kapiteln 12-14 an, in denen er sich dem Zueinander der Gaben innerhalb der Gemeinde widmet.
2. Aufbau
Der kurze Abschnitt lässt sich dreiteilen: Vers 23a als Einleitung, Verse 23b-25 als Überlieferung der Einsetzung des Herrenmahls und Vers 26 als Abschlussmahnung.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 23a: Paulus legt zu Beginn Wert darauf, dass nicht er selbst Urheber der anschließenden Weisungen ist. Vielmehr macht er deutlich, dass auch er sich an eine Überlieferung hält, so wie er es von der Gemeinde in Korinth auch einfordert. Damit wird die Feier des Herrenmahls Teil eines Überlieferungs- und Gedächtnisprozesses (vgl. Vers 25) und ist somit der Verfügung der einzelnen Gemeinde entzogen. Das im griechischen Text betont vorangestellte „ich“ betont die Autorität des Paulus als Verkünder der Botschaft Jesu Christi.
Wenn Paulus hier von einer Überlieferung spricht, so wie auch in der Einleitung zum Auferstehungsbekenntnis (1 Kor 15,3), dann ist das wörtlich zu verstehen. Wie auch das Zeugnis der Auferstehung dürfte Paulus die Einsetzungsworte in Antiochien kennengelernt und in seine Verkündigung formelhaft aufgenommen haben. Aufgrund der sprachlichen Nähe zu der Überlieferung der Abendmahlsworte im Lukasevangelium ist anzunehmen, dass auch Lukas diese Tradition aus Antiochien kannte. Beide, Lukas und Paulus, nehmen sie in ihrer Form auf. Die Evangelisten Markus und Matthäus haben eine etwas andere und womöglich noch ältere Tradition in ihre Darstellung eingebunden.
Wenn Paulus dem Hinweis auf die Überlieferung der Worte den Zusatz „vom Herrn“ hinzufügt, dann hat dies eine doppelte Bedeutung: Zum einen soll dies auf Jesus als den Urheber des Geschehens verweisen. Zum anderen auf den in der Mahlfeier gegenwärtigen, zum Vater aufgefahrenen und erhöhten Herrn. Von dort aus ist er durch die Feier zu seinem Gedächtnis bleibend bei seiner Gemeinde, er begibt sich mitten unter sie.
Vers 23b-25: Der Hinweis auf die Nacht der Auslieferung Jesu in Vers 23b ist nicht nur wichtig im Hinblick auf die Überlieferung, sondern mit dieser historischen Einordnung ist der Bericht vom Abendmahl Jesu als geschichtliches Ereignis in Raum und Zeit verortet. Dies ist wichtig, um die Begründung der Herrenmahltradition nicht in einem mystischen Kontext fern von menschlichen und zeitlichen Realitäten anzusiedeln. Vielmehr geht es darum, aus einem historischen Ereignis eine Tradition zu begründen und zu normieren, d.h. ihr Regeln zu setzen.
Der Bezug auf das „Mahl“ in Vers 25 weist darauf hin, dass die korinthische Gemeinde die Gedächtnisfeier des Abendmahls Jesu noch in eine gemeinsam eingenommene Mahlzeit einbettet. Dies entspricht der Feier eines jüdischen Festmahls, wie dem Paschamahl, das Jesus mit seinen Jüngern feierte. Dort steht das Brotbrechen und Verteilen am Anfang und ein Dankgebet beim dritten Becher Wein am Ende. Bei den Evangelisten Markus und Matthäus ist der Hinweis auf das Mahl nicht mehr zu finden, hier heißt es „dann nahm er den Kelch“. Die zweimalige Aufforderung „tut dies zu meinem Gedächtnis“ nach dem Brot- nach dem Kelchwort weist jedoch schon darauf hin, dass die Feier des Herrenmahls sich beginnt aus der ausführlichen gemeinsamen Mahlfeier herauszulösen.
Auch bei den Worten zum Brechen des Brotes gibt es einen Unterschied zwischen der Überlieferung von Paulus und Lukas im Gegensatz zu Markus und Matthäus. Sprechen Paulus und Lukas vom Leib „für euch“, so überliefern die anderen beiden „für die vielen“. Diese Tradition ist vermutlich älter, zeigt sie doch ein umfassenderes Bild der Deutung der Gabe Jesu. Wenn Lukas und Paulus dann „für euch“ formulieren, ist dies weniger exklusiv zu verstehen, vielmehr möchte es die feiernde Gemeinde ganz persönlich in das heilbringende Geschehen einbeziehen.
Das Blut des Kreuzes, d.h. der Tod Jesu am Kreuz besiegelt den „neuen Bund“ zwischen Gott und Mensch, daher ist der Kelch Zeichen des „neuen Bundes“.
Vers 26: Mit dem letzten Vers der Lesung verlässt Paulus die Tradition, die ihm überliefert ist und mahnt die Gemeinde, den Ausgangspunkt der Mahlfeier nicht aus dem Blick zu verlieren. So wie das Blut des Kelches den neuen Bund besiegelt, so steht das Kreuzesereignis als Ganzes für die Erlösung der Menschen und das Hereingerufen Sein in die Gemeinschaft mit Gott. Die Mahlgemeinschaft soll diesen neuen Bund, der durch das Kreuz gestiftet ist, verkünden. Das Mahl ist kein Selbstzweck, sondern gewinnt seine Bedeutung im Blick auf das einmalige Ereignis des Todes Jesu.