Liebe, Vergebung, Dankbarkeit und Friede - das sind für den Kolosserbrief die entscheidenden Zutaten, damit Zusammenleben aus christlichem Geist gelingen kann. Das gilt in der Familie ebenso wie in allen größeren sozialen Gemeinschaften.
Einordnung des Lesungsabschnitts in den Kolosserbrief
Der Kolosserbrief (zur Einleitung in den Kolosserbrief s. unter Überblick am 15. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C) bewegt sich im Wesentlichen auf zwei Ebenen: einer philosophisch-theologischen und einer christlich-lebenspraktischen. Zwei Verse zeigen dies deutlich an:
Kolosser 2,8 setzt nach einer langen Briefeinleitung folgendermaßen an:
"Gebt Acht, dass euch niemand mit seiner Philosophie und leerem Trug einfängt, die sich nur auf menschliche Überlieferung stützen und sich auf die Elementarmächte der Welt berufen, nicht auf Christus!"
Nachdem der Brief die entsprechende Argumentation abgeschlossen hat, die zum Verständnis der Sonntagslesung nicht behandelt werden muss, heißt es in Kol 3,1:
"Seid ihr nun mit Christus auferweckt, so strebt nach dem, was oben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt!"
Das "Streben nach oben" meint nichts anderes als eine Ausrichtung des Lebens auf Christus hin, von dem man durch das Todesbad der Taufe hindurch in ein neues Leben auferweckt worden ist. Diesen Existenzwechsel bezeichnet der usrprüngliche Taufritus, mit dem man als "alter" Mensch in das im Boden eingelasseneTaufbecken einstieg und untertauchte (ein Sterbesymbol), um dann als "neuer", von Jesus Christus geprägter Mensch aufzutauchen und aus dem Becken herauszukommen (ein Symbol der Auferweckung in ein neues Leben, das eben nicht erst nach dem Tode beginnt).
Was in der Taufe rituell geschieht, soll aber im Alltagsleben Wirklichkeit werden und für andere ablesbar sein. Dazu entwickelt der Kolosserbrief zunächst eine Art christliche Tugendlehre. Dabei beginnt er mit einer Auflistung von Verhaltensweisen, die man ablegen und meiden soll wie Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung,schmutzige Rede und Lüge (Kol 3,8-10), um dann zu positven Verhaltensweisen zu kommen.
Der Lesungstext
Hier genau setzt die Zweite Lesung zum Fest der Heiligen Familie ein. Der Auflistung der zu unterlassenden Verhaltensweisen steht ab Vers 12 (bis Vers 14) ein positver Forderungskatalog gegenüber: "inniges Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld, Vergebung, Liebe, Friede". Dabei kann die "Liebe" als das alles andere zusammenfassende Zentralgebot verstanden werden.
Die Verse 15-17 setzen im Grunde die positiven Forderungen fort, kleiden sie aber eher in einen Gebetswunsch und unterlegen den "Forderungskatalog" mit einem tieferen Grund: "Dankbarkeit" (Vers 15: "Seid dankbar!"; Vers 17: "Dankt Gott ..."). Der gesamte Tugendkatalog soll letztlich aus einer Haltung ins Leben umgesetzt werden, dass die in der Taufe vollzogene Anbindung an Christus eine tiefe innere Angstfreiheit um das eigene Leben bewirkt. "Friede Christi" ist das entsprechende Stichwort in Vers 15. Aus ihm heraus sind Vegebung und liebende Zuwendung möglich. Aus ihm heraus verliert die Unterweisung Anderer den Beigeschmack, sich selbst als besser darstellen zu müssen. Sie kann "in Weisheit" geschehen (Vers 16). Der lebenspraktischen Seite solcher Form von Dankbarkeit entspricht aber auch eine Ebene der "Reflexion", wo die Dinge ins Wort gefasst werden. Dies nennt der Glaube "Gebet". Die Reflexion geschieht im Hinblick auf den, dem man alles verdankt.
Was die eingeforderten Tugenden in ganz konkreten Lebenszusammenhängen bedeuten, das entfalten wiederum die Verse 18-21 - eine sogenannte "Haustafel", die allerdings im ausgewählten Lesungsabschnitt nur verkürzt ohne die Verse Kol 3,22 - 4,1 wiedergegeben wird. "Haustafel" meint so etwas wie eine Familienordnung, wobei zur "Familie" in biblischer Zeit auch die Sklaven gehörten. Diese waren nicht etwa "Sachobjekte", sondern ordentliche Familienmitglieder, die sicherlich ihre - auch sehr schwere - Arbeit zu verrichten hatten, aber auch Anspruch auf Wahrung festgelegter Rechte und Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse hatten (vgl. dazu besonders den Vers Kol 4,1, der sich an die "Herren" werndet"). Dass Ideal und Wirklichkeit immer wieder auch auseinanderklafften, ist keine Frage. Andererseits war es gerade ein Alleinstellungsmerkmal der frühen christlichen Gemeinden, dass Sklaven vollwertige Mitglieder waren. Das wird daran deutlich, dass innerhalb der Haustafel Frauen, Kinder, Sklaven und Herren in derselben Art und Weise angesprochen werden, auch wenn es in den inhaltlichen Forderungen Unterschiede gibt. Nicht zufällig verwendet sich Paulus im Philemonbrief für einen Sklaven namens Onesimus, dass dieser auch wirklich von seinem Herrn und in der Gemeinde als geliebter christlicher Bruder behandelt und gewertschätzt wird (zur Auslegung des gesamten Philemonbriefes s. unter "Bibellektüre").