„Wo ist Gott?“ – das ist eine berechtigte Frage. Aber wer sie stellt, muss sich auch der Antwort bewusst sein: Wenn Gott kommt, bedeutet dies Läuterung und Gericht.
1. Verortung im Buch
Das Buch Maleachi kritisiert ausführlich das Priestertum. Gott prangert die Priester an, dass sie den von ihnen zu leistenden Opferdienst geringschätzen und mit ihren Weisungen die Israeliten von Gott weggeführt haben (Maleachi 1,6-2,9). Im Kult und Ethos hat sich das Gottesvolk von seinem Gott abgewandt und Gott wird kommen, um Recht zu schaffen: „Er reinigt die Söhne Levis [= die Priester], er läutert sie wie Gold und Silber" (Maleachi 3,3) und "gegen die Zauberer und die Ehebrecher, gegen die Meineidigen und gegen alle, welche die Taglöhner, Witwen und Waisen ausbeuten, den Fremden im Land ihr Recht verweigern" wird er als Zeuge auftreten (Maleachi 3,5). Durch die Reinigung des Priestertums stellt er die Idealzeit wieder her, die im untadeligen Handeln Levis gegeben war (Maleachi 2,4-8). Mit dem in Maleachi 2,27-3,5 gegebenen Blick in die Zukunft wendet sich das Buch von der Verurteilung zum Heil.
2. Aufbau
Am Anfang des Abschnittes (Vers 17) steht eine zitierte Frage: „Wo ist denn Gott, der Gericht hält?“ Und der Text schreitet voran zur klaren Beantwortung dieser Frage durch Gott in Vers 5: „Ich komme herbei, um euch zu richten …“. Der Anfang und das Ende des Abschnittes sind als Warnung zu lesen, die die Zusagen in den Versen 1-4 umrahmen.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 1: Der Prophet beginnt seine Rede in Vers 27 mit einem scheinbar herzlosen Gottesbild: "Ihr ermüdet den HERRN mit euren Reden und ihr fragt: Wodurch ermüden wir ihn? Dadurch, dass ihr sagt: Jeder, der Böses tut, ist gut in den Augen des HERRN, an solchen Leuten hat er Gefallen. Oder: Wo ist denn Gott, der Gericht hält?" Die Worte der Israeliten gehen Gott auf die Nerven. Ihr Vorwurf an ihn ist jedoch eine grundlegende Kritik. Innerhalb des Alten Testaments ist die Unterscheidung von Gut und Böse eine Fähigkeit, die ein unmündiges Kind von einem Erwachsenen unterscheidet (Jesaja 7,15f.). Gott jedoch scheint dieser Unterscheidung nicht mehr fähig. Gott handle nicht mehr als der Gerechtigkeit-Schaffende. In Vers 1 gibt Gott den Israeliten in gewisser Weise recht in ihrer Klage. Auf die Frage „Wo ist denn Gott, der Gericht hält?“ antwortet Gott mit der Ankündigung der unmittelbar bevorstehenden Ankunft und Gegenwart seines Boten. Dieser Bote ist von Gott unterschieden („er soll den Weg für mich bahnen“), aber ist doch zugleich mit ihm zu identifizieren („der Herr, den ihr sucht“). Die Bezeichnung „Herr“ (אָדוֹן, gesprochen: adon) betont die Majestät Gottes, der der Herr der Herren ist (Deuteronomium 10,17). Der Bote ist zwar selbst nicht Gott, aber in ihm begegnet das Volk Gott. Und diese Begegnung knüpft an dem am Sinai zwischen dem Volk und seinem Gott geschlossenen Bund an (Maleachi 2,10).
Verse 2-4: Die Differenz zwischen dem Boten und Gott verschwimmt in den folgenden Aussagen vollends: Im hebräischen Text ist nicht erkennbar, ob „er“ der Bote oder der HERR der Heerscharen ist. Das Kommen bedeutet aber in jedem Fall eine Läuterung und Gericht. Die Söhne Levis, womit die Priester gemeint sind (vgl. Maleachi 2,4-8), werden „rein“ gemacht (Hebräisch: טָהֵֽר, gesprochen taher). Mit dem Wort kann, passend zu dem verwendeten Bild, schlackenfreies Gold beschrieben werden. Es stammt aber zudem auch passend zu den Priestern aus der Kultsprache: Der Priester muss für den Gottesdienst „rein“ sein und zwischen „rein“ und „unrein“ unterscheiden können (Levitikus 10,10). Im Mittelpunkt steht dabei nicht die Frage, wovon die Priester gereinigt werden, sondern wozu: Die Priester werden wieder die angemessenen Opfer darbringen und selbst gottgefällig sein. Dies hat zudem eine direkte Bedeutung für das Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott: Die Opfer bringt der Priester nämlich im Namen des Volkes dar. Bemerkenswerterweise geht das Buch Maleachi davon aus, dass die anderen Völker Gott bereits „reine Gaben“ opfern und daher keiner Reinigung ihres Priestertums bedürfen (Maleachi 1,11).
Vers 5, der nicht zur Lesung gehört, schließt den Text mit dem Anfang des eigentlichen Gerichts ab. Gott tritt hier nicht als Richter, sondern als Zeuge auf. Er zeigt die Sünden und Vergehen innerhalb des Volkes auf: sowohl Unglauben als auch soziale Ungerechtigkeiten. Es folgt in Maleachi zuerst der Aufruf zur Umkehr und dem folgend wird dann von der Vernichtung derer gesprochen, die danach nicht umkehren. "Ich komme herbei, um euch zu richten; schnell trete ich als Zeuge auf gegen die Zauberer und die Ehebrecher, gegen die Meineidigen und gegen alle, welche die Taglöhner, Witwen und Waisen ausbeuten, den Fremden im Land ihr Recht verweigern und mich nicht fürchten, spricht der HERR der Heerscharen."