Aller Besitz ist leid und mühsame Nutzlosigkeit – diese Lehre ist nicht buddhistisch, sondern findet sich im biblischen Buch Kohelet. In seinen Worten: „Alles ist Windhauch“. Was bedeutet dieser Pessimismus für den Glauben?
1. Verortung im Buch
„Windhauch“ zieht sich als Leitwort durch das gesamte Weisheitsbuch Kohelet. Es ist das erste Wort und das abschließende Wort des Weisheitslehrers Kohelet: „Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, das ist alles Windhauch.“ (Kohelet 12,8). Und dieses Wort führt den Leser und die Leserin dann im Nachwort zur Aufforderung: „Fürchte Gott und achte auf seine Gebote!“ (Kohelet 12,13). Im Buch Kohelet wird die philosophische Frage behandelt, was ein Leben ohne Gott bedeuten würde.
Für den Lesungstext ist neben dem Themenvers in Kohelet 1,2 ein Abschnitt aus einem Gedankenexperiment ausgewählt. Der Weisheitslehrer denkt sich selbst als König – aber als König ohne Gott (Kohelet 1,12-2,26). Der mächtige und weise König sieht ein, dass sein Besitz im Tod keine Bedeutung mehr hat (Kohelet 2,18-20). Aus dieser Erkenntnis heraus, beschreibt er die Not eines jeden Menschen (Verse 21-23). Doch anstatt zu verzweifeln, besinnt er sich dann auf Gott: „Nicht im Menschen selbst gründet das Glück, dass er essen und trinken und durch seinen Besitz das Glück selbst kennenlernen kann. Ich habe vielmehr beobachtet, dass dies von Gottes Verfügung abhängt“ (Vers 24); und so kommt er im Folgenden zu einer positiven Sichtweise auf die Schöpfung (siehe zum Beispiel Kohelet 3,11).
2. Aufbau
In der Buchüberschrift wird der Weisheitslehrer als Sohn Davids, als König eingeführt. Im direkten Kontrast zu diesem Glanz sind seine ersten Worte ein negatives Fundamentalurteil: „Alles ist Windhauch“. Im hebräischen Text wird das Wort "Windhauch" in diesem Vers sechsmal verwendet – sozusagen eingehämmert. Eng mit diesem Themensatz verbunden ist die Leitfrage des Buches, die im nächsten Vers folgt: „Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne?“. Diese Frage bestimmt den folgenden Gedankengang, einschließlich des für die Lesung zusätzlich ausgewählten Abschnittes Kohelet 2,21-23. Auch in diesen Versen kommt das Wort „Windhauch“ vor und zwar direkt zweimal. Das diese Verse prägende Wort ist jedoch der dreimal vorkommende Begriff „Mensch“. Kohelet entfaltet in diesen generalisierenden Worten die Sinnlosigkeit der menschlichen auf Gewinn zielenden Mühen.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 2: Das hebräische Wort הֶבֶל (gesprochen: häväll) bedeutet nicht nur „Windhauch“, sondern auch „Eitelkeit“. Der Windhauch ist ein Symbol für das Vergängliche und Flüchtige: „Der Mensch gleicht einem Hauch, seine Tage sind wie ein flüchtiger Schatten“ (Psalms 144,4). Im Zentrum der mehrfachen Wiederholung dieses Wortes steht die Aussage, dass „alles“ Windhauch ist. Dem Leser der Kohelet in Vers 1 als König vorgestellt wurde, könnten dessen ersten Worte königskritisch klingen. Der folgende Vers verdeutlicht jedoch, dass hier eine allgemeine Aussage über das Menschsein gemacht wird: Was für einen weltlichen Gewinn hat der Mensch bei all seinen Mühen, mit denen er sich im diesseitigen Leben abmüht?
Vers 21: Anhand des Vererbens verdeutlicht der Weisheitslehrer die Sinnlosigkeit der weltlichen Mühen. Der im Leben angehäufte materielle Besitz – sei es durch harte Arbeit oder auch durch Weisheit –, geht der Person, die sich ein Leben lang abgemüht hat, verloren. Dies sei eine Ungerechtigkeit, denn so erbt jemand einen Besitz, für den er sich selbst nicht bemüht hat.
Verse 22-23: Kohelet spitzt die Frage die Leitfrage aus Kohelet 1,3 an dieser Stelle zu. Er fragt nicht mehr nach dem „Vorteil“ im Sinne von Gewinn, sondern stellt fest, dass der sterbliche Mensch durch seine Mühen nicht vermag etwas „Bleibende“ zu erlangen in der diesseitigen Welt. Diese Feststellung kleidet er in eine Frage, um in deren Beantwortung kritisch die Schöpfung Gottes zu hinterfragen: Wie kann es gut sein, dass der Mensch zu einem ruhelosen, mühsamen Leben erschaffen wurde? (siehe auch die Rubrik "Kontext").