Der Gott Israels oder andere Götter – das ist hier die Frage.
1. Verortung
Als Abraham, der Erzvater des Volkes Israel, von Gott geführt ins Heilige Land gelangte erschien imm Gott in Sichem: „Der HERR erschien Abram und sprach: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land. Dort baute er dem HERRN, der ihm erschienen war, einen Altar.“ (Genesis 12,7). Eben an diesem Ort befindet sich Josua, der Nachfolger Moses mit dem Volk Gottes nach dem Auszug aus Ägypten, der Wüstenwanderung und der Landnahme: „Josua versammelte alle Stämme Israels in Sichem.“ (Josua 24,1). Die Verheißung Gottes hat sich erfüllt.
Nach der Eroberung des Landes (Josua 1-12) und dessen Verteilung an die Stämme Israels (Josua 13-22) stehen die Abschiedsreden Josuas und sein Tod am End des Buches Josua. Nach der Mahnung vor den Völkern, die im Land verblieben sind, und vor deren Göttern und der Aufforderung nur dem Gott Israels zu dienen, folgt dann im Buch der Richter, der mehrfache Abfall des Volkes von seinem Gott. Darauf verweist bereits der Schluss der antiken griechischen Übersetzung des Buches Josua: „Die Israeliten gingen aber jeder an ihren eigenen Ort und in ihre eigenen Stätten zurück. Und die Israeliten verehrten die Astarte und Astaroth und die Götter der Völker fings um sie; und der Herr übergab sie in die Hände Egloms, des Königs von Moab, und er beherrschte sie 18 Jahre.“ (LXX Josua 24,43b)
2. Aufbau
Die letzte Amtshandlung Josuas ist die Verpflichtung des Volkes auf den Gott Israels als den einzig zu verehrendem Gott. Er versammelt das Volk (Vers 1) und verkündet ihm eine Gottesrede (Verse 2-13), die eine Zusammenfassung der Geschichte von den Vorfahren Abrahams bis hin in die erzählte Gegenwart bietet. Sie endet in Josuas Aufforderung: „Fürchtet also jetzt den HERRN und dient ihm in vollkommener Treue! Schafft die Götter fort, denen eure Väter jenseits des Stroms und in Ägypten gedient haben, und dient dem HERRN!“ (Vers 14). Er stellt Israel vor die Wahl: der Gott Israels oder die Götter der anderen Völker? - und bezieht selbst Stellung (Vers 15) – woraufhin sich das Volk zu seinem Gott bekennt (Verse 16-18). Dieses Bekenntnis ist jedoch nicht das Schlusswort. Es folgt direkt eine scharfe Warnung Josuas an sein Volk, bzw. er äußert direkten Zweifel: „Da sagte Josua zum Volk: Ihr seid nicht imstande, dem HERRN zu dienen, denn er ist ein heiliger Gott, ein eifersüchtiger Gott; er wird euch eure Frevel und eure Sünden nicht verzeihen. Wenn ihr den HERRN verlasst und fremden Göttern dient, dann wird er sich von euch abwenden, wird Unglück über euch bringen und euch ein Ende bereiten, obwohl er euch zuvor Gutes getan hat.“ (Verse 19-20). Doch Josua errichtet einen Bund zwischen Gott und dem Volk und übergibt ihm vor seinem Tod die Gesetze Gottes.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 1-2: Eigentlich hatte Josua bereits seine Abschiedsrede im vorherigen Kapitel gehalten. Doch nun wird in der Erzählung das Volk erneut versammelt und dieses Mal in Sichem. Dieser Ort, der im Zentrum des späteren Nordreiches Israel liegt, ist in den Erzerzählungen der Erzeltern von großer Bedeutung. Dort erhält Abraham die Landverheißung (Genesis 12,6-7) und errichtet einen Altar. Jakob und sein Haus entfernten dort alle Götzenbilder aus ihrem Besitz (Genesis 35,2-4). Gemäß dem Buches Josua befand sich dort auch ein Heiligtum Israels. In der späteren Geschichte ist dann Sichem – nicht Jerusalem - der Ort, wo die Verhandlungen über die Anerkennung des Sohnes Salomos als Nachfolger auf dem Thron Davids geführt werden (1 Könige 12,1). In Josua 24,1 versammelt nun Josua alle Führer des Volkes, um ihnen eine Gottesrede mitzuteilen und einen Bund zwischen Gott und dem Volk zu schließen.
Vers 15: Die von Josua übermittelte Gottesrede begann in Vers 2 mit dem Hinweis auf die Herkunft Abrahams aus einem anderen Land und auch aus einer anderen Religion: „Jenseits des Stroms wohnten eure Väter von Urzeiten an, Terach, der Vater Abrahams und der Vater Nahors, und dienten anderen Göttern.“ (Vers 2). Mit „jenseits des Stroms“ ist die Herkunft östlich des Euphrats gemeint. Indirekt wird somit in Vers 15 eine Mahnung ausgesprochen, dass Israel sich nun nicht den Göttern der Amoriter, d.h. den Göttern Kanaans, zuwenden sollen, nachdem sich die Erzeltern doch vom Götzendienst ab- und Gott zugewendet hatten. Im Alten Orient bestand häufig eine direkte Verbindung zwischen einem Land und einem Gott, daher steht hier die Rede von „den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr wohnt“. Die vorherige Gottesrede und die ganze Erzählung des Buches Josua hat jedoch die Überlegenheit des Gottes Israels über alle anderen Götter gezeigt, indem durch ihn Israel das Land erobert hat. Von theologischer hoher Bedeutung ist hier die Verwendung des Wortes בחר, das „entscheiden“ und auch „auserwählen“ bedeutet. Der vorausgegangenen Entscheidung Israel zu seinem Volk zu machen und ins Verheißene Land zu führen, soll nun die Entscheidung des Volkes für seinen Gott folgen.
Verse 16-17: Es geht nicht allein um die Frage der richtigen kultischen Verehrung oder wem diese gilt, sondern das Volk soll sozusagen sich persönlich und uneingeschränkt zu Gott als ihrem alleinigen und mächtigen Gott bekennen – und tut dies auch. Die Herausführung aus Ägypten und die Landgabe bedingen die alleinige Anerkennung des Gottes Israels als alleinigen Gottes, der das Volk durch seine Taten von fremden Göttern befreit hat.
Vers 18: Dem Bekenntnis des Volkes zu seinem Gott „denn er ist unser Gott“ geht der Hinweis im aufgelassenen Teilvers 18a auf den in der erzählten Zeit finalen Beweis der Macht Gottes voraus: „Der HERR hat alle Völker vertrieben, auch die Amoriter, die vor uns im Land wohnten.“ – womit auch ein deutliches Nein zur Verehrung der Götter der Amoriter ausgesprochen ist.