Gott ist mit uns – das kann sowohl Heil als auch Unheil bedeuten.
- Verortung im Buch
Am Anfang des Buches Jesaja gibt es einen heilvollen Dreischritt. Nachdem in Jesaja 1-6 die Beziehung zwischen Israel und seinem Gott zu zerbrechen droht, werden die Geburt eines Kindes angekündigt (Jesaja 7), die Geburt wird gepriesen (Jesaja 9) und die heilvolle Herrschaft des neuen Herrschers aus dem Hause David wird gelobpreist (Jesaja 11). In Jesaja 7 wird einleitend das fehlende Vertrauen von König Ahas auf die Macht Gottes kritisiert: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“ (Vers 9). Die im folgenden als Zeichen verheißene Geburt eines Kindes, Immanuel, wird nicht explizit auf einen Sohn Ahas bezogen. Aber er, Hiskija, wird in Jesaja 36-38 als Gegenbild zu seinem Vater gezeichnet: In der Zeit der Belagerung Jerusalems durch den assyrischen König Sanherib vertraut er auf Gott.
- Aufbau
Die Verheißung der Geburt eines Kindes folgt auf die Mahnung Jesajas an den König Ahas, auf Gott im Angesicht der Bedrohung durch den syrisch-ephraimitischen Krieg zu vertrauen (Verse 1-9; siehe Auslegung). Aufgrund seines mangelnden Vertrauens fordert Gott von dem König, dass er sich ein vergewisserndes Zeichen erbitte, er aber lehnt ab (Verse 10-12). Daraufhin wendet sich Gott ab und lässt Jesaja sowohl Heil als auch Unheil verkünden (Verse 13-17).
- Erklärung einzelner Verse
Verse 10-12: Jesaja verheißt König Ahas, dass die ihn bedrohenden König ihn nicht absetzen werden. Und nun bietet Gott ihm als Angeld der Verwirklichung dieser Verheißung ein Zeichen. Dass dieses Zeichen auch aus den äußersten Bereichen der Weltwirklichkeit stammen kann, betont, dass Gott der mächtige Herrscher des Kosmos ist. Wie Gideon und Saul könnte Ahas in Zeiten der Bedrückung ein sichtbares Zeichen von Gott erhalten, das Heil verspricht (siehe Richter 6,17 und 1 Samuel 10,7). Doch von Gott angesprochen, verweigert er die Bitte. Und Ahas hat theologisch betrachtet recht mit seinen Worten: „Ihr sollt den HERRN, euren Gott, nicht auf die Probe stellen,“ heißt es in Deuteronomium 16,16. Er interpretiert eine solche Bitte als ein unzulässiges ‚auf die Probe stellen‘. Aber seine Interpretation ist falsch: Das im Gotteswort verwendete Wort „erbitte“ (שְׁאַל, gesprochen: sche‘al), stammt aus der Gebetssprache Israels und so heißt es zum Beispiel in den Worten Gottes zum König in Psalm 2,8: „Fordere von mir und ich gebe dir die Völker zum Erbe und zum Eigentum die Enden der Erde.“ Der Alttestamentler Hans Wildberger kommentierte die Antwort Ahas mit dem Urteil: „hinter der theologischen Korrektheit des Ahas verbirgt sich zweifellos der Mangel an Mut zum Wagnis des Glaubens“.
Verse 13: Der Prophet spricht nun nicht mehr nur Ahas, sondern die gesamte davidische Königsdynastie an. Sie ermüde Gott, das heißt, er ist erschöpft von stetigem Bemühen um ihren Glauben. Möglicherweise wird hier eine mangelnde Entschlossenheit angeklagt. Die Bedeutung der Rede von der Ermüdung Gottes wird deutlicher, wenn man sie mit den Worten des Propheten Jeremia vergleicht: „Darum bin ich erfüllt vom Zorn des HERRN, bin es müde, ihn länger zurückzuhalten.“ (Jeremia 6,11). Gott ist die von ihm eingesetzte Dynastie leid.
Verse 14-17: Entsprechend seiner Worte in den Versen 1-9 verheißt Gott jedoch Heil vor dem Unheil. Er gibt das von Ahas nicht erbete Zeichen: Wie so oft im Alten Testament verheißt die Geburt eines Kindes Heil. Eine „junge Frau“, das heißt ein bisher unverheiratetes und daher noch jungfräuliches Mädchen ist bereits schwanger und die Geburt wird Ahas als Zeichen dienen. In seiner Geburt wird sich verdeutlichen, dass Gott seinem Volk nahe ist – deshalb wird er Immanuel genannt werden. Dieser hebräische Name bedeutet „Gott ist mit uns“. Diejenigen, die das Königtum Ahas bedrohen, werden selbst vergehen, noch bevor das Kind gut und böse unterscheiden kann, d.h. bevor es erwachsen ist. Und das Kind wird behütet aufwachsen. Die Aussage „wird das Land verlassen sein, vor dessen beiden Königen dich das Grauen packt“ bezieht sich wörtlich direkt zurück auf die drohenden Worte der Könige, die Ahas entgegenstehen: „Wir wollen gegen Juda hinaufziehen, ihm Furcht [= Grauen] einjagen und es uns gefügig machen; dann wollen wir den Sohn Tabeals als König in seiner Mitte einsetzen.“ (Vers 6). Aber das Heil wird im Unheil enden. Gott wird zur Bestrafung des Hauses David den König von Assur senden. Der Gott, der Ahas trotz seines mangelnden Vertrauens beisteht, wird seinem Zorn am Ende doch freien Lauf lassen.