Heilfasten? Ein Fasten das Heil schafft, blickt auf die Beziehung zu den Mitmenschen und zu Gott.
1. Verortung im Buch
„Warum fasten wir und du siehst es nicht? Warum haben wir uns gedemütigt und du weißt es nicht?“ Auf diese in Vers 3 zitierte Frage antwortet Jesaja 58. Es wird ein deutlicher Kontrast zwischen einer rein kultischen Handlung und gelebter Gerechtigkeitstaten gezeichnet:
„Seht, an euren Fasttagen macht ihr Geschäfte und alle eure Arbeiter treibt ihr an. Seht, ihr fastet und es gibt Streit und Zank und ihr schlagt zu mit roher Gewalt. So wie ihr jetzt fastet, verschafft ihr eurer Stimme droben kein Gehör. Ist das ein Fasten, wie ich es wünsche, ein Tag, an dem sich der Mensch demütigt: wenn man den Kopf hängen lässt wie eine Binse, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem HERRN gefällt?“ (Verse 3b-5)
Im Zentrum des Kapitels steht eine klare Forderung: Gott fordert Gerechtigkeit für die Armen und Unterdrückten (Verse 6-7). Ohne sie wirkt das Fasten wie der Versuch einer magischen Beschwörung Gottes, ohne die Eigenverantwortung zu bedenken. Die in Vers 3b-5 dargestellte falsche Form des Fastens führt nicht dazu, dass Gott das Bittgebet erhört: „So wie ihr jetzt fastet, verschafft ihr eurer Stimme droben kein Gehör.“ Sondern von Willem zur Gerechtigkeit getriebenes Handeln öffnet die Ohren Gottes (Vers 9).
2. Aufbau
Die zu Beginn des Lesungsabschnittes stehende Mahnung beginnt bereits in Vers 6: „Ist nicht das ein Fasten, wie ich es wünsche: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, Unterdrückte freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen?“ Auf die Mahnung in den Versen 6-7 folgen bedingte Verheißungen. Der gesamte Abschnitt ist geprägt von einem „wenn … dann“, das darauf abzielt Kommunikation zwischen Gott und dem Menschen zu ermöglichen (Vers 9a), so wird Gerechtigkeit als Grundlage für das Heil definiert.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 7: Während Vers 6 das Schicksal der Unterdrückten vor Augen führt, wird hier zur Hilfe an den sozial Schwachen aufgerufen. Der in der revidierten Einheitsübersetzung durch „Verwandtschaft“ übersetzte hebräische Begriff hat die Grundbedeutung „Fleisch“: „dich deiner Verwandtschaft / deinem Fleisch nicht zu entziehen“. Damit ist im strikten Sinne keine Begrenzung nur auf die Gesellschaft oder Volkgemeinschaft gegeben, sondern damit ist – wie Jesaja 40,6 zeigt – der Mitmensch gemeint.
Vers 8: Hier wie in Vers 10 bezeichnet „Licht“ die Zeit der Erlösung (siehe auch Jesaja 42,16 und 50,14). Das Licht ist der Widerschein der Gerechtigkeit, die geübt wird – und sie zieht die Herrlichkeit Gottes nach sich. Was das bedeutet, zeigt Vers 9. Dass das Heil jedoch kein plötzliches, sondern ein Prozess ist, verdeutlicht das Bild der sich schließenden Wunde. Wörtlich ist hier mit dem hebräischen Begriff der durch „Heilung“ wiedergegeben wird, eigentlich die neue Fleischschicht einer verheilten Wunde gemeint.
Vers 9a: Heil bedeutet die Anwesenheit Gottes, der sagt: Ich bin da. So ist Heil kein Zustand, sondern eine dialogische Beziehung.
Verse 9b-10: In der Form eines Wenn-Dann-Satzes erklingt die zusammenfassende Verheißung. Der Weg aus dem eigenen Leid führt über die Linderung des Leids Anderer.