Lesejahr A: 2022/2023

1. Lesung (Jes 58,7-10)

7 Bedeutet es nicht, dem Hungrigen dein Brot zu brechen, obdachlose Arme ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deiner Verwandtschaft nicht zu entziehen? 

8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie das Morgenrot und deine Heilung wird schnell gedeihen. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des HERRN folgt dir nach. 

9 Wenn du dann rufst, wird der HERR dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich. 

Wenn du Unterjochung aus deiner Mitte entfernst, auf keinen mit dem Finger zeigst und niemandem übel nachredest, 10 den Hungrigen stärkst und den Gebeugten satt machst, 

dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag.

Überblick

Heilfasten? Ein Fasten das Heil schafft, blickt auf die Beziehung zu den Mitmenschen und zu Gott.

 

1. Verortung im Buch

„Warum fasten wir und du siehst es nicht? Warum haben wir uns gedemütigt und du weißt es nicht?“ Auf diese in Vers 3 zitierte Frage antwortet Jesaja 58. Es wird ein deutlicher Kontrast zwischen einer rein kultischen Handlung und gelebter Gerechtigkeitstaten gezeichnet: 

Seht, an euren Fasttagen macht ihr Geschäfte und alle eure Arbeiter treibt ihr an. Seht, ihr fastet und es gibt Streit und Zank und ihr schlagt zu mit roher Gewalt. So wie ihr jetzt fastet, verschafft ihr eurer Stimme droben kein Gehör. Ist das ein Fasten, wie ich es wünsche, ein Tag, an dem sich der Mensch demütigt: wenn man den Kopf hängen lässt wie eine Binse, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem HERRN gefällt?“ (Verse 3b-5)

Im Zentrum des Kapitels steht eine klare Forderung: Gott fordert Gerechtigkeit für die Armen und Unterdrückten (Verse 6-7). Ohne sie wirkt das Fasten wie der Versuch einer magischen Beschwörung Gottes, ohne die Eigenverantwortung zu bedenken. Die in Vers 3b-5 dargestellte falsche Form des Fastens führt nicht dazu, dass Gott das Bittgebet erhört: „So wie ihr jetzt fastet, verschafft ihr eurer Stimme droben kein Gehör.“ Sondern von Willem zur Gerechtigkeit getriebenes Handeln öffnet die Ohren Gottes (Vers 9).

 

2. Aufbau

Die zu Beginn des Lesungsabschnittes stehende Mahnung beginnt bereits in Vers 6: „Ist nicht das ein Fasten, wie ich es wünsche: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, Unterdrückte freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen?“ Auf die Mahnung in den Versen 6-7 folgen bedingte Verheißungen. Der gesamte Abschnitt ist geprägt von einem „wenn … dann“, das darauf abzielt Kommunikation zwischen Gott und dem Menschen zu ermöglichen (Vers 9a), so wird Gerechtigkeit als Grundlage für das Heil definiert.

 

3. Erklärung einzelner Verse

Vers 7: Während Vers 6 das Schicksal der Unterdrückten vor Augen führt, wird hier zur Hilfe an den sozial Schwachen aufgerufen. Der in der revidierten Einheitsübersetzung durch „Verwandtschaft“ übersetzte hebräische Begriff hat die Grundbedeutung „Fleisch“: „dich deiner Verwandtschaft / deinem Fleisch nicht zu entziehen“. Damit ist im strikten Sinne keine Begrenzung nur auf die Gesellschaft oder Volkgemeinschaft gegeben, sondern damit ist – wie Jesaja 40,6 zeigt – der Mitmensch gemeint.

Vers 8:  Hier wie in Vers 10 bezeichnet „Licht“ die Zeit der Erlösung (siehe auch Jesaja 42,16 und 50,14). Das Licht ist der Widerschein der Gerechtigkeit, die geübt wird – und sie zieht die Herrlichkeit Gottes nach sich. Was das bedeutet, zeigt Vers 9. Dass das Heil jedoch kein plötzliches, sondern ein Prozess ist, verdeutlicht das Bild der sich schließenden Wunde. Wörtlich ist hier mit dem hebräischen Begriff der durch „Heilung“ wiedergegeben wird, eigentlich die neue Fleischschicht einer verheilten Wunde gemeint.

Vers 9a: Heil bedeutet die Anwesenheit Gottes, der sagt: Ich bin da. So ist Heil kein Zustand, sondern eine dialogische Beziehung.

Verse 9b-10: In der Form eines Wenn-Dann-Satzes erklingt die zusammenfassende Verheißung. Der Weg aus dem eigenen Leid führt über die Linderung des Leids Anderer. 

Auslegung

Fasten ist ein Akt der Frömmigkeit, der nur von den Reichen praktiziert werden kann, da die Armen immer hungrig sind. Wer fastet begibt sich freiwillig in den Status der Armen und Unterdrückten, die erniedrigt nur noch auf Gott hoffen können. Daher ist es eine Perversion des Fastens, wenn man die Armen vernachlässigt, denen man sich angleicht. Ein Fasten ist ein Schrei um die Hilfe Gottes, doch wer selbst nicht gemäß der Gerechtigkeit Gottes handelt, dessen Rufen verschallt in der Finsternis.

Kunst etc.

Ist der freiwillige Verzicht auf Lebensmittel wertlos, wenn dabei nicht der unfreiwillige Hunger der anderen im Blick ist?

Kate Holt/AusAID:  Olivia Gimbo, a beneficiary of the Protracted Relief Program holds up her family's supply of food for the week in Epworth, Harare in 2009. Australia supported cash transfers to vulnerable people in Zimbabwe affected by the economic situation, through non-government and UN organisations such as Practical Action, Christian Aid and the World Food Programme. Lizenz: CC BY 2.0
Kate Holt/AusAID: Olivia Gimbo, a beneficiary of the Protracted Relief Program holds up her family's supply of food for the week in Epworth, Harare in 2009. Australia supported cash transfers to vulnerable people in Zimbabwe affected by the economic situation, through non-government and UN organisations such as Practical Action, Christian Aid and the World Food Programme. Lizenz: CC BY 2.0