Beim Festmahl ist der Tod verschlungen. Der Jubel wird erklingen.
1. Verortung im Buch
„… denn der HERR der Heerscharen ist König auf dem Berg Zion und in Jerusalem und seinen Ältesten gegenüber ist Herrlichkeit“ – der Prophet Jesaja, verkündigt, dass die Könige der Welt machtlos sein werden „an jenem Tag“, an dem die gewaltätigen Herrscher der Völkern weggeschlossen werden und Gott selbst zum König der Welt werden wird (Jesaja 24,21-23). Diese Ankündigung ist der Ausgangspunkt für die Verse, die für diese Lesung ausgewählt wurden. Das beschriebene Mahl ist das Krönungsmahl Gottes und jener Tag, an dem Gott richten wird, ist der Tag, an dem das Danklied der Völker erklingen wird (Jesaja 25,9: „An jenem Tag wird man sagen: …“). Im Kontext des Jesaja-Buches vollzieht sich in diesem Festmahl vielleicht auch die bereits in Jesaja 2,1-5 angekündigte Völkerwallfahrt zum Zion.
2. Aufbau
Der Prophet spricht Gottes Einladung zu einem Festmahl an die Völker aus (Verse 6-8). Und darauffolgend kündigt er den Lobpreis einer unbestimmten Gruppe an, die Gott nicht nur lobpreist, sondern ihn als ihren Gott anerkennt (Verse 9-10a). Zuerst werden somit die Völker herbeigerufen und am Ende steht ein „Wir“, dass als ein Einheit aus den Völkern und Israel verstanden werden kann: „Wir wollen jubeln …“. Dreifach wird in diesem Zusammen der Ort betont, an dem dies alles passieren wird, „auf diesem Berg“ (Verse 6.7.10).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 6: Das angekündigte Festmahl ist im Hebräischen ein מִשְׁתֶּה (gesprochen: mischte). Es handelt sich also nicht um ein kultisches Opfermahl, sondern um ein Festmahl, bei dem viel Wein gereicht wird – es ließe sich auch übersetzen „Trinkgelage“. Das Wort ist Synonym mit einem freudigen und bacchantischen Fest. Die Nachbarreligionen kennen vergleichbare göttliche Festmähler: zum Beispiel die Amtseinführung des Gottes Baals als König der Götter auf dem Berg Zaphon. Das vom Propheten Jesaja angekündigte Festmahl mit erlesenen Weinen und fettigen Speisen, an dem die Völker teilnehmen werden, ist die Umkehr der ebenso im Alten Testament zu findenden Unheilsankündigungen gegen die Völker; zum Beispiel: „Wenn sie in Gier brennen, bereite ich ihr Gelage und mache sie betrunken, dass sie lustig werden, in ewigen Schlaf sinken und nie mehr erwachen – Spruch des HERRN.“ (Jeremia 51,39).
Verse 7-8: „Hülle“ und „Decke“ sind Zeichen der Trauer – man verhüllt sich und bedeckt sich nach dem Tod eines Menschen (z.B. 2 Samuel 13,30). Dass Gott die Hülle und die Decke „verschlingt“, passt in den Kontext eines Festmahls. Das verwendet Verb (בלע) wird jedoch zudem häufig in Kontexten von Gottesurteilen verwendet: Gott lässt die Erde seine Widersacher „verschlingen“ (z.B. Exodus 15,12). Jedoch vollzieht Gott hier kein Urteil gegen Personen, sondern, wie Vers 8 verdeutlich, gegen den Tod (siehe auch 1 Korinther 15,55). Tod (מָוֶת, gesprochen: mawet) bedeutet mehr das Lebensende, sondern im Hebräischen Denken bezeichnet es alles das, was das Leben beeinträchtigt. Der Tod ist die lebensbedrohende Macht, die den Menschen bereits im Leben beherrschen kann. Hier zeigt sich bereits die theologische Grundlage für den sich später entwickelnden Auferstehungsglauben: Gottes Königsherrschaft sind keine Grenzen gesetzt.
Verse 9-10: Im vorherigen Vers wird Israel genannt. Dass Gott den Tod verschlingt, bedeutet Trost für Israel und die Aufhebung der Schande. Dies bedeutet jedoch keine Engführung, dass der Tod nur für Israel verschlungen sei. Hier singt die Festmahlgemeinschaft und dieser Lobpreis ist in einem zweifachen Sinn auf dem Berg Zion verortet. Dort wird er gesungen werden und dort wird der Grund für den Lobpreis erfahrbar sein. Die Hand Gottes ist ein Symbol für seine Stärke und Macht. Gottes Zorn zeigt sich in seiner „ausgestreckten Hand“: „Darum ist der Zorn des HERRN gegen sein Volk entbrannt; er hat seine Hand gegen es ausgestreckt und es geschlagen.“ (Jesaja 5,25) Diese Schmach ist nun aufgehoben, denn der Gott Israels lässt seine Hand nun schützend auf dem Berg Zion ruhen – für Israel und für alle Völker.