Auch Gott braucht Grenzen – aber er setzt sie sich selbst. Und dadurch gibt er ein unbedingtes Ja zur Schöpfung.
1. Verortung im Buch
Die Sintfluterzählung (Genesis 6,5-9,17) ist sowohl der Tiefpunkt als auch der Wendepunkt des ersten Teils der Menschheitsgeschichte. Am Anfang des Buches Genesis hieß es noch: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut“ (Genesis 1,31). Doch durch und nach dem sogenannten Sündenfall und dem ersten Mord sieht es sehr schnell anders aus und Gott bereut sein Schöpfungshandeln: „Da sprach Gott zu Noach: Ich sehe, das Ende aller Wesen aus Fleisch ist gekommen; denn durch sie ist die Erde voller Gewalttat. Siehe, ich will sie zugleich mit der Erde verderben.“ (Genesis 6,13). Gott beauftragt den gerechten Noach für sich, seine Familie und einen kleinen Teil der Schöpfung eine Arche zu bauen. Die Arche ist sozusagen eine Kapsel, in der eine Miniatur der Schöpfung durch die Sintflut hindurch gerettet wird.
Nach der Sintflut bringt Noah Gott ein Opfer dar, woraufhin Gott folgenden Entschluss fasst: „Ich werde den Erdboden wegen des Menschen nie mehr verfluchen; denn das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an. Ich werde niemals wieder alles Lebendige schlagen, wie ich es getan habe.“ (Genesis 8,21). In Genesis 9,1-17 legt Gott diesen Entschluss an die Menschen aus. In den Versen 1-7 zeigt er die neue Schöpfungsordnung auf und wiederholt den Vermehrungsauftrag, bevor der dann in den Versen 8-17 den Geretteten die Zusage gibt: Nie wieder wird er die Schöpfung in ihrer Existenz infrage stellen.
2. Aufbau
Auf den ersten Blick wirkt das Gotteswort in Genesis 9,8-17 redundant – doch dies ist kein schlechter Schreibstil, sondern ein Ausdruck der großen Feierlichkeit dieser Zusage. Gegliedert ist dieser Abschnitt durch das dreimal vorkommende „Gott sprach“. In den Versen 8-11 wird der Bund angekündigt. In den Versen 12-16 wird der Bund vollzogen und die dazugehörigen Zeichen eingesetzt. Vers 17 ist die feierliche Verkündigung des vorherigen – und dieser Vers bildet zugleich eine Inclusio mit Vers 9 (siehe auch Vers 12).
Die Verse 16 und 17 gehören nicht zur alttestamentlichen Lesung am ersten Fastensonntag: „Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken zwischen Gott und allen lebenden Wesen, allen Wesen aus Fleisch auf der Erde. Und Gott sprach zu Noach: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allen Wesen aus Fleisch auf der Erde aufgerichtet habe.“ (Genesis 9,16-17).
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 8-11: Das Gotteswort beginnt betont bewusst feierlich und legt den Fokus auf Gott selbst: “Ich, siehe mich!” Dadurch wird bereits angezeigt, dass der folgende Bund, kein zweiseitiger Vertrag ist, sondern eine einseitig festgesetzte Zusage. Diese Selbstverpflichtung Gottes gilt nicht nur den Menschen, sondern alle Lebewesen, die Gott geschaffen und durch die Arche gerettet hat.
Vers 12: Die hebräische Sprache besitzt eine Eigenart, die in der deutschen Übersetzung verwunderlich ist. Während im Deutschen ein Bund zwischen zwei oder mehreren Partnern geschlossen wird, heißt es im Hebräischen wörtlich in diesem Vers: „Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und zwischen euch und zwischen den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen“. Hier wird eben nicht die Zweiseitigkeit ausgedrückt, sondern die Bindung Gottes an seine Zusage gegenüber den Menschen und den Tieren.
Vers 13: Der „Bogen in den Wolken“ ist der Regenbogen. In den verschiedenen Sintflutgeschichten des Alten Orients spielt der Regenbogen immer eine bedeutende Rolle. Zugleich trägt das hebräische Wort קֶשֶׁת (gesprochen: keschet) ebenso wie das deutsche Wort „Bogen“ auch eine zweite Bedeutung und bezeichnet auch die Waffe eine Bogenschützens. Das Buch Habakuk kennt auch die metaphorische Sprache des Bogen Gottes als Instrument seines Zorns: „Du hast deinen Bogen aus der Hülle genommen, gesättigt sind die Pfeile mit Botschaft.“ (Habakuk 3,9). Auf einer zweiten Bedeutungsebene könnte das Zeichen des Regenbogens somit auch Gottes Bereitschaft anzeigen, seine tödliche Waffe gegen die Schöpfung zur Seite zu legen. Doch primär geht es um den Regenbogen als Heilszeichen am Ende eines Unwetters.
Verse 14-15: Der Regenbogen ist keine Erinnerungsstütze für Gott, dass er den Regen beenden muss, bevor die Menschen sterben, sondern ein Zeichen aus der Perspektive der Menschen, dass Gott den Regen wieder gezügelt hat, ohne dass er zu einer Bedrohung für die Menschen werden konnte. Der Regenbogen ist das Zeichen, dass Gott seiner Selbstverpflichtung gedenkt.