Eine Ebene voller toter Gebeine wird zur Hoffnung Israels – und es stellt sich die Frage nach einer Auferstehung.
1. Verortung im Buch
Die besondere Wirkmächtigkeit des Geistes Gottes wird bereits im vorherigen Kapitel betont: „Ich gebe meinen Geist in euer Inneres und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Rechtsentscheide achtet und sie erfüllt. Dann werdet ihr in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe. Ihr werdet mir Volk sein und ich, ich werde euch Gott sein.“ (Ezechiel 36,27-28) Und diese Verheißung ist ein wichtiger Schlüssel, um die folgenden Worte Gottes über die Auferstehung zu verstehen. Sie, die Worte der Lesung, sind Teil einer längeren Vision des Propheten Ezechiel. Er steht inmitten einer Ebene voller lebloser Skelette. In einem Dialog zeigt Gott ihm, dass er fähig ist, diese wieder lebendig zu machen (Verse 1-10). Ihre Auferstehung endet in der Aussage: „Sie wurden lebendig und sie stellten sich auf ihre Füße - ein großes, gewaltiges Heer.“ Jedoch bleibt es zuerst offen, wozu diese Streitkraft bereitsteht. Bevor auf diese Frage in den Versen 12-14 eine Antwort gegeben wird, identifiziert Gott in dieser Vision die auferstandenen Gebeine mit seinem Volk Israel und zitiert dann eine Klage seines Hauses: „Er sagte zu mir: Menschensohn, diese Gebeine sind das ganze Haus Israel. Siehe, sie sagen: Ausgetrocknet sind unsere Gebeine, unsere Hoffnung ist untergegangen, wir sind abgeschnitten.“ (Vers 11). Die zuvor ergangene Vision der vertrockneten Beine in der Ebene, die durch Gott neues Leben erlangen, antwortet auf den ersten Teil der Klage des Volkes. Die nun folgende Verheißung der Auferstehung reagiert auf die Worte „wir sind abgeschnitten“. „Abgeschnitten sein“ (נִגְזַר, gesprochen: nigsar) bedeutet tot und begraben zu sein (siehe Jes 53,8-9). In den Psalmen und Klageliedern wird durch dieses Verb der Tod mitten im Leben beschrieben; vergleiche zum Beispiel: „Das Wasser ging mir über den Kopf; ich sagte: Ich bin verloren [besser: ich bin abgeschnitten - נִגְזָרְתִּי]. Da rief ich deinen Namen, HERR, tief unten aus der Grube.“ (Klagelieder 3,54-55). Es handelt sich um eine metaphorische Sprache, die die Verlassenheit durch Gott zum Ausdruck bringt. Weder in der Vision noch in der folgenden Verheißung geht es um eine reale Auferstehung, sondern die Auferstehung ist ein Bild für die bevorstehende nationale Erneuerung.
2. Aufbau
Der Auferweckung folgt die Rückführung ins Land Israel und die Gotteserkenntnis des Volkes. Diese Verheißung wiederholt sich zweimal. Zuerst ausführlich in den Versen 12-13 und dann nochmals in Vers 14. Im letzten Vers wird jedoch ein bedeutender Aspekt hinzugefügt: Dies wird der Geist Gottes, „mein Geist“ bewirken.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 12: Die genannten Gräber sind ein Bild für das Leben Israels im babylonischen Exil. Aus ihm wird Gott sein Volk herausführen – sozusagen aus dem dunklen Tiefen der Erde hinauf auf das fruchtbare Land Israel.
Verse 13-14: Ebenso wie der Exodus aus Ägypten wird die Zurückführung aus dem Exil dem Volk die Gotteserkenntnis ermöglichen. Im Zentrum steht die Gabe des Geistes Gottes, womit Ezechiel 36,27-28 aus dem vorherigen Kapitel aufgenommen wird: „Ich gebe meinen Geist in euer Inneres und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Rechtsentscheide achtet und sie erfüllt. Dann werdet ihr in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe. Ihr werdet mir Volk sein und ich, ich werde euch Gott sein.“ Der Geist Gottes schafft Leben (siehe Genesis 6,3), indem er Israel ermöglichen wird die Gesetzes Gottes einzuhalten und so die Beziehung zu Gott aufrechtzuerhalten, so dass sie dort auf Dauer sesshaft werden können. Dies verspricht Gott seinem Volk, denn er handelt wie er spricht – dafür steht sein Name, der hier aus dem hebräischen Verb היה (gesprochen: haja) abgeleitet wird; hier im Sinne von „er wird geschehen lassen“. Gott bürgt mit seinem Namen für die Verwirklichung seiner Verheißung.