Gott setzt gegen und für sich einen Wächter ein.
1. Verortung im Buch
Die Nachricht über den Untergang Jerusalem dringt zu den Exilierten: „Und es geschah im zwölften Jahr, am fünften Tag des zehnten Monats nach unserer Verschleppung, da kam ein Entronnener aus Jerusalem zu mir und sagte: Die Stadt ist gefallen“ (Ezechiel 33,21). Dies scheint der Sargnagel für das Volk Israel zu sein. Bereits die Exilierung hatte ihnen die Schwere ihrer Sünde vor Augen geführt und sie klagten: „Fürwahr, unsere Vergehen und unsere Sünden lasten auf uns, in ihnen siechen wir dahin. Wie sollen wir da am Leben bleiben?“ (Vers 10). Lange zuvor hatte Ezechiel bereits versucht, das Volk zur Umkehr von den Sünden zu führen: jede Generation ist moralisch für die eigenen Sünden verantwortlich und während des Lebens ist es möglich das eigene Verhalten zu korrigieren (siehe Ezechiel 18). Doch Ezechiel vermochte es nicht, das Volk zur Umkehr zu führen – so bleibt ihm nur die Hoffnung auf eine Herzenserneuerung der Sünder durch Gott (siehe Ezechiel 36).
Bereits am Anfang des Buches dient das Bild des Wächters, bzw. Spähers dazu, Ezechiel Berufung als Propheten zu definieren. Sein Auftrag ist es zu warnen – aber er ist nicht verantwortlich für die Wirkung seiner Worte. Die Angesprochenen müssen umkehren und er kann sie dazu nicht zwingen (Ezechiel 3,17-21). Nun wird das Bild des Wächters in Ezechiel 33 nochmals verwendet. Doch diesmal wird stärker betont, dass der das Unheil ankündende Wächter ein Segen ist – wenn seine Warnung befolgt wird.
2. Aufbau
Ezechiel 33 besteht aus zwei Teilen: (1.) Eine Rede über den Propheten als von Gott eingesetzten Späher und (2.) einer dreifachen Zusage, dass der Mensch nach seinem gegenwärtigen, ethischen Verhalten beurteilt wird und somit eine Umkehr möglich ist. In den Versen 7-9 ist ein Paradox zugrunde gelegt: Gott setzt den Propheten als Wächter vor einer Bedrohung ein (Vers 7) und diese Bedrohung ist Gott selbst (Vers 8-9). Und dem Propheten werden in seinem Auftrag zwei Alternativen aufgezeigt: Wenn er das warnende Wort Gottes nicht übermittelt, stirbt nicht nur der Sünder, sondern auch der ungehörige Prophet (Vers 8). Wenn der Prophet jedoch das Wort Gottes verkündet, aber der Sünder nicht umkehrt, so stirbt zwar der Sünder, aber der Prophet wird nicht bestraft (Vers 9).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 7: Im Alten Orient waren Stadtwächter oft auf den hohen Dächern der Torbauten positioniert, sodass sie in die Ferne spähen konnten. Dieses Bild ist der Vergleichspunkt für die Nähe des Propheten zu Gott. Doch in diesem Fall droht keine Gefahr von Außen, sondern von Innen. Der Prophet soll das Volk vor der Gefahr, die von Gott ausgeht, warnen.
Verse 8-9: Der Grund für die Gefahr, die von Gott ausgeht, ist der unheilvolle Lebenswandel des Sünders. Es ist die Aufgabe des Propheten, dem Frevler das Todesurteil – dass dieser sonst nicht hören könnte - zu verkünden: „Du sollst sterben!“. Die Verkündigung des Todesurteils hat die Funktion einer Ermahnung, die die Möglichkeit zur Umkehr bietet.