Gott erzieht zum Gehorsam, er prüft und er verlangt eine Entscheidung. Das will Mose dem Volk verdeutlichen, indem er unter anderem auf das Manna-Wunder verweist.
1. Verortung im Buch
Moses blickt kurz vor seinem Tod und kurz bevor Israel in das Verheißene Land ziehen wird, auf die Zukunft des Volkes in diesem Land, indem er es an die zurückliegende Wüstenwanderung erinnert. Er schärft seinen Zuhörern und Lesern in diesem Kapitel, Deuteronomium 8, mehrfach den nötigen Gesetzesgehorsam ein – darauf liegt der Fokus dieses Redeabschnittes, der bereits beginnt mit den Worten: „Ihr sollt das ganze Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, bewahren und es halten, […]“ (Vers 1). Wie ein Refrain zieht sich dieses Thema durch Moses Worte. „Du sollst die Gebote des HERRN, deines Gottes, bewahren, auf seinen Wegen gehen und ihn fürchten.“ (Vers 6). Er wird nicht müde dies zu betonen. „dann nimm dich in Acht und vergiss den HERRN, deinen Gott, nicht, missachte nicht seine Gebote, Rechtsentscheide und Satzungen, auf die ich dich heute verpflichte!“ (Vers 11). Und am Ende des Kapitels steht die ausdrückliche Warnung: „Wenn du aber den HERRN, deinen Gott, vergisst und anderen Göttern nachfolgst, ihnen dienst und dich vor ihnen niederwirfst - heute rufe ich Zeugen gegen euch an - , dann werdet ihr völlig ausgetilgt werden.“ (Vers 19).
Der Gesetzesgehorsam ist der Ort der Entscheidung für oder gegen Gott, das heißt, dies ist eine Entscheidung über Leben und Tod: „Siehe, hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor, nämlich so: Ich selbst verpflichte dich heute, den HERRN, deinen Gott, zu lieben, auf seinen Wegen zu gehen und seine Gebote, Satzungen und Rechtsentscheide zu bewahren, du aber lebst und wirst zahlreich und der HERR, dein Gott, segnet dich in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen.“ (Deuteronomium 30,15-16).
2. Aufbau
Das Motiv zu Wüstenwanderung wird in Vers 2 klar benannt: „Er [Gott] wollte erkennen, wie du dich [Israel] entscheiden würdest: ob du seine Gebote bewahrst oder nicht.“ Entscheidend ist hierbei der Verweis auf die Erzählung vom Manna in den Verse 3 und 16. Diese beiden Verse erklären auch das Verhalten Gottes als Erziehung zum Gehorsam (siehe schon Vers 2) – dies ist besonders markant und auf den Punkt in Vers 16b, der nicht mehr zur Sonntagslesung gehört: „, um, nachdem er dich gefügig gemacht und dich geprüft hat, dir zuletzt Gutes zu tun.“
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 2: Es ist die Aufgabe der Israeliten im Gedenken an die Wüstenwanderung, sich für die Zukunft im Verheißenen Land zu wappnen. Der Erfahrung Gottes in der Vergangenheit dient der Zukunft, wie dies auch in Vers 18, ebenso mit der Aufforderung וְזָֽכַרְתָּ (gesprochen: vezacharta, übersetzt: „du sollst gedenken“): „Gedenke vielmehr des HERRN, deines Gottes: Er ist es, der dir die Kraft gibt, Reichtum zu erwerben, weil er seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hatte, so verwirklichen will, wie er es heute tut.“ (Vers 18). In Vers 2 soll das Israel sich daran erinnern, dass Gott sein Volk in die Wüste geführt hat, um sie zum Gehorsam zu erziehen und darin zu prüfen. Dies wäre falsch verstanden, wenn man es als eine Erniedrigung auslegen würde. Vers 16b verdeutlicht, dass es um die heilbringende innere Einstellung zu Gott geht. Der Gehorsam ist der Kontrast zum erhöhten Herz in Vers 14, in dessen Hochmut man Gott vergisst.
Verse 3 und 16: Um zu verstehen, was Manna ist, wird auf zwei natürliche Erscheinungen verwiesen. Es gibt auf der Halbinsel Sinai zwei Schildlausarten, die aus der Manna-Tamariske den Pflanzensaft heraussaugen, um damit ihre Larven zu versorgen. Dabei entsteht ein Überschuss, der als kleine weißlich-gelbe Kugeln auf den Boden fallen. Diese Tropfen findet man nur am Morgen, da sie während des Tags schmelzen. Auch ein Wüstenstrauch, die Weiße Hammada, lässt Manna entstehen. Dieses Manna wird von Beduinen als Honigersatz verwendet. In der Erzählung in Exodus 16 geht es jedoch nicht, um die biologische Erklärung des Manna-Wunders, sondern um die durch Gott gewährleistete Ernährung während der 40 Jahre andauernden Wüstenwanderung. Nun betont Mose, dass es dabei nicht nur um das Überleben durch Nahrung ging, sondern um mehr. Das Manna ist ein Sinnbild dafür ist, „dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des HERRN spricht.“ Der „Mund JHWHS” steht für die von ihm ergangenen Befehle (siehe zum Beispiel Deuteronium 1,26). Gottes Weisung, bzw. dessen Befolgung schafft Leben.
Vers 14: Gottes Gebote nicht zu beachten, bedeutet ihn und seine Taten zu vergessen (siehe Vers 11). Diese Warnung, nicht zu vergessen, gilt auch für das Leben im Verheißenen Land: “Dann nimm dich in Acht und denk nicht bei dir: Ich habe mir diesen Reichtum aus eigener Kraft und mit eigener Hand erworben.” (Vers 17).
Vers 15: Die Gefahren eines Wüstenzugs werden auch in der Ninive-Inschrift des assyrischen Königs Asarhaddon ähnlich beschrieben: „eine Trockenwüste, wo Schlangen und Skorpione das Feld bedecken.“ Dass Mose explizit auf die Spei-Kobra, hier Feuernatter genannt, verweist, führt den Leser zur Erzählung der Schlangenplage, die Gott über sein Volk hereinbrechen lies, weil es gegen Gott auflehnte (Num 21,4b-9). Zudem wird auf das Wasserwunder in Exodus 17,1-7 und Num 20,1-13 hingewiesen.