Vom Mut, der belohnt wird. Paulus und die Apostel finden zusammen.
1. Verortung im Buch
Der Evangelist Lukas fügt seiner Erzählung vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu von Nazareth im Lukasevangelium (Lk) einen zweiten Teil hinzu. In der Apostelgeschichte (Apg) schildert er das Wirken der Apostel nach der Himmelfahrt Jesu und berichtet sowohl vom Leben der ersten Gemeinde in Jerusalem als auch von der Ausbreitung der christlichen Botschaft unter den Völkern. Am Anfang seiner Erzählung steht Jerusalem als Ort der Himmelfahrt und des Pfingstereignisses im Mittelpunkt, nach dem Tod des Stephanus dehnt sich dieser Fokus auf Judäa und Samaria hin aus. Petrus ist die zentrale Figur dieses ersten Teils (Apg 1-12,24). Im zweiten Teil (Apg 12,25-28,31) ist Paulus die prägende Gestalt der Erzählung. Lukas berichtet davon, wie er die Botschaft von Jesus, dem Sohn Gottes, nach Kleinasien (heute Türkei), Griechenland und zuletzt Rom trägt.
Doch bereits bevor Paulus zum Mittelpunkt der Erzählung wird, ist er als Person präsent. Bereits bei der Steinigung des Stephanus, wurde er als Zeuge benannt (Apg 8,1). In Apg 9,1-22 wird dann ausführlich geschildert, wie aus dem ursprünglichen Christenverfolger durch eine visionäre Begegnung mit dem Auferstandenen bei Damaskus ein Verkündiger des Evangeliums wurde. Diese Wandlung war nicht allen geheuer und so muss Paulus unfreiwillig Damaskus, wo er seine Verkündigung in den Synagogen beginnt verlassen (Apg 9,19b-25). So gelangt er nach Jerusalem, wo der Lesungsabschnitt einsetzt.
2. Aufbau
Vers 26 führt in die neue Situation (Paulus in Jerusalem) ein. Vers 27 verweist auf die vermittelnde Tätigkeit des Barnabas, bevor die Verse 28-30 das Wirken des Paulus in Jerusalem und den daraus entstehenden Konflikt schildern. Vers 31 fasst die Situation der jungen Gemeinde zusammen.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 26: Obwohl Paulus letzter Aufenthalt in Jerusalem durch sein Mitwirken (oder seine Zeugenschaft) bei der Steinigung des Stephanus und seine Verfolgung der Christen geprägt war, ist dies der Ort seiner Wahl nach der Flucht aus Damaskus. Wie sehr sein Wirken und Wüten gegen die christliche Gemeinde Spuren hinterlassen hat, hatte Lukas in Apg 8,1b-4 beschrieben. Es spiegelt sich aber auch hier in der „Furcht“ der Jünger wieder. Vers 26 zeigt aber auch, dass es wieder oder immer noch eine christliche Gemeinde in Jerusalem gibt, damit hatte die Verfolgung des Paulus dort keinen anhaltenden Erfolg bzw. die Stärke der Gemeinde ist größer als der Widerstand gegen sie. Wie auch in Damaskus ist das größte Problem des Paulus, dass nur schwer vermittelbar ist, wie aus dem einstigen Verfolger nun ein Anhänger Jesu geworden ist (vgl. Apg 9,21-22).
Vers 27: Barnabas, der später ein regelmäßiger Begleiter auf den Missionsreisen des Paulus ist, tritt als Vermittler für Paulus auf. Er stellt die Verbindung zwischen ihm und den Aposteln her und scheint in gewisser Form für ihn zu „bürgen“. Jedenfalls werden den Aposteln durch die Mithilfe des Barnabas sowohl die Begegnung mit dem Auferstandenen als auch der Freimut des Paulus in der Verkündigung bekannt.
Verse 28-30: Wie sehr die Vermittlung des Barnabas als Türöffner für Paulus dient, zeigen die folgenden Verse. Zum einen wird Paulus nun selbstverständlich zur Gemeinschaft der Zeugen Jesu gezählt. Lukas formuliert in Anlehnung an Apg 1,21, dass Paulus bei den Aposteln „ein und aus geht“. Zum anderen wird das „freimütige“ Bekenntnis des Paulus betont. Damit wird von ihm das ausgesagt, was zuvor nur das Handeln der Apostel prägte, so zum Beispiel bei der Rede von Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat (Apg 4,13). Außerdem steigt er – der bei der Steinigung des Stephanus dabei war – quasi in dessen Fußstapfen, wenn Paulus nun vor allem mit den Hellenisten Streitgespräche führt (Apg 6,9). „Hellenisten“ sind Juden, deren Muttersprache Griechisch ist und die daher auch stark von der griechischen Kultur geprägt sind.
Mit dem Plan der Hellenisten, Paulus zu töten, wiederholt sich die Reaktion aus Damaskus. Und wie dort gelingt es vor der Tat, die Stadt zu verlassen. Wie in Damaskus (Apg 9,23-25) braucht Paulus auch hier die Unterstützung seiner neuen Glaubensgemeinschaft, um unbeschadet fliehen zu können.
Vers 31: Zusammenfassend beschreibt Lukas die Situation der jungen Kirche. Überall dort, wo das Wort verkündet worden war (Galiläa, Samaria und Judäa), kann die Gemeinde nun in Frieden und damit ohne Angst vor weiterer Verfolgung leben. Dies zeigt sich auf doppelte Weise: Zum einen leben die Christen in der Furcht des Herrn, was nichts anderes meint als: Die Christen halten an der Überlieferung Jesu in Wort und Tat fest. Bei früheren Summarien (z.B. Apg 2,43-47) hatte Lukas dies bereits ausführlicher beschrieben. Zum anderen wächst die Gemeinschaft mithilfe des Heiligen Geistes.
Ziel der Zusammenfassung am Ende von Kapitel 9 ist es, zu zeigen, dass durch göttliche Kraft (Heiliger Geist) und das vorbildliche Leben der Gemeinde (leben in der Furcht des Herrn) die Christen in ihrer Gemeinschaft gefestigt wurden und an Zuspruch gewannen.