Es kann nur einen geben! Jesus Christus als der Eckstein, der allen Rettung bringt.
1. Verortung im Buch
Der Evangelist Lukas fügt seiner Erzählung vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu von Nazareth im Lukasevangelium (Lk) einen zweiten Teil hinzu. In der Apostelgeschichte (Apg) schildert er das Wirken der Apostel nach der Himmelfahrt Jesu und berichtet sowohl vom Leben der ersten Gemeinde in Jerusalem als auch von der Ausbreitung der christlichen Botschaft unter den Völkern. Am Anfang seiner Erzählung steht Jerusalem als Ort der Himmelfahrt und des Pfingstereignisses im Mittelpunkt, nach dem Tod des Stephanus dehnt sich dieser Fokus auf Judäa und Samaria hin aus. Petrus ist die zentrale Figur dieses ersten Teils (Apg 1-12,24). Im zweiten Teil (Apg 12,25-28,31) ist Paulus die prägende Gestalt der Erzählung. Lukas berichtet davon, wie er die Botschaft von Jesus, dem Sohn Gottes, nach Kleinasien (heute Türkei), Griechenland und zuletzt Rom trägt.
Der Abschnitt Apg 4,8-12 zeigt die Apostel Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat in Jerusalem. Sie sind gefangen genommen worden, weil die erste öffentliche Heilung (Apg 3,1-11) der Apostel zu Bewunderung und Staunen einerseits und zu Fragen nach Legitimation und Vollmacht andererseits geführt hatte. In Apg 3,12-26 hatte Petrus bereits vor dem Volk gesprochen, nach der Verhaftung legt er nun vor den jüdischen Autoritäten Zeugnis über das Geschehen ab.
2. Aufbau
Die Rede des Petrus besteht aus Einleitung und Anrede (Vers 8), einer direkten Reaktion auf die Anfrage des Hohen Rates (Verse 9-10) und einem christologischen Zeugnis (Verse 11-12).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 8: Bereits die Einleitung der Worte des Apostels Petrus zeigt die Bedeutung seines folgenden Zeugnisses an. Die Formel „erfüllt vom Heiligen Geist“ gibt den folgenden Worte einen feierlichen Rahmen und verweist darauf, dass hier nicht einfach nur Petrus, der Fischer aus Galiläa, zu den jüdischen Autoritäten spricht. Vielmehr kommt hier einer zu Wort, der durch den Geist Gottes und den Auftrag Jesu zum Zeugen wurde (Apg 1,8). Zugleich erfüllt sich im kraftvollen Auftreten des Petrus die Ankündigung Jesu aus dem Lukasevangelium (Lk 12,11-12): in der Situation der „Anklage“ wird der Heilige Geist den Jüngern beistehen.
Auch die Anrede unterstreicht die feierliche Grundstimmung der Situation. Sie zeigt, dass sich die Urgemeinde noch ganz als Teil des jüdischen Volkes versteht und deren Autoritäten anerkennt. Die Differenz in der Haltung zu Jesus als dem ersehnten Christus und Retter hat noch nicht zu einem Bruch mit dem sozialen und gesellschaftlichen Herkunftsgefüge geführt.
Vers 9-10: Der Einstieg in seine Argumentation zeigt den Freimut (Apg 4,13) und die Stärke des Apostels. Indem Petrus die Paradoxie, sich wegen einer „guten Tat an einem kranken Menschen“ rechtfertigen zu müssen, den Mitgliedern des Hohen Rates vor Augen hält, dreht er die Situation der Anklage beinahe um. Eigentlich müssten diese sich erklären. Nicht nur weil sie die Apostel zu einer Stellungnahme auffordern, sondern weil sie selbst den Urheber des Geschehens, Jesus Christus, gekreuzigt haben. Wie sehr Petrus die gegenwärtige Situation als Ort des Bekenntnisses verstanden wissen will, zeigt der Beginn von Vers 10 („alle sollen es wissen“). Die Vernehmung vor dem Hohen Rat gibt Petrus und Johannes die Chance, alle Missverständnisse auszuräumen und darauf zu verweisen, dass Jesus der eigentlich Handelnde war. Er, den die jüdischen Autoritäten kreuzigen ließen, der von Gott aber auferweckt wurde, lässt Kranke heil werden.
Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, lässt Petrus hier das Schema fortführen, dass auch in der Rede vor dem Volk in Apg 3,1-12 leitend war. Das Handeln der Juden (Volk und Autoritäten) an Jesus (Verleugnung, Auslieferung, Kreuzigung, vgl. Apg 3,13-15) steht dem Heilshandeln Gottes (Auferweckung von den Toten) diametral entgegen.
Vers 11-12: Hatte sich Petrus bisher auf die konkrete Situation bezogen, so führt er nun die in Vers 10 begonnene Linie in einem Bild weiter aus. Der gekreuzigte Christus ist der Stein, der von den jüdischen Autoritäten aussortiert („verworfen“) wurde, in Wahrheit aber der Eckstein ist. Lukas lässt in diesem Bild Psalm 118,22 anklingen, allerdings in einer freien Form, die er selbst schon als Bildwort in der jungen christlichen Tradition vorfindet (vgl. 1. Petrusbrief 2,4-8) und sicher auch von Jesaja 28,16 mitbestimmt ist. Der „Eckstein“ ist weniger als „Schlussstein“ zu verstehen, der den Bau in der Spitze zusammenhält. Vielmehr ist er hier als „Grundstein“ gedacht und als Ausgangsstein für einen beginnenden Bau. Der Eckstein ist dann der Punkt, von dem aus sich die gesamte Architektur entfaltet und an dem sie sich ausrichtet.
Der deutlich als Bekenntnis formulierte Abschluss seiner Rede zeigt die Größe des Fehlers der Verwerfung des Ecksteins: Durch niemand anderen als Christus ist Heil zu finden. Er, der „Urheber des Lebens“ ist, wie Petrus in Apg 3,15 gesagt hatte, ist die einzige Zugangsmöglichkeit zu Heil und Rettung.