Traumjob zu vergeben! Die elf Apostel wählen einen Zwölften hinzu.
1. Verortung im Buch
Der Evangelist Lukas fügt seiner Erzählung vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu von Nazareth im Lukasevangelium (Lk) einen zweiten Teil hinzu. In der Apostelgeschichte (Apg) schildert er das Wirken der Apostel nach der Himmelfahrt Jesu und berichtet sowohl vom Leben der ersten Gemeinde in Jerusalem als auch von der Ausbreitung der christlichen Botschaft unter den Völkern. Am Anfang seiner Erzählung steht Jerusalem als Ort der Himmelfahrt und des Pfingstereignisses im Mittelpunkt, nach dem Tod des Stephanus dehnt sich dieser Fokus auf Judäa und Samaria hin aus. Petrus ist die zentrale Figur dieses ersten Teils (Apg 1-12,24). Im zweiten Teil (Apg 12,25-28,31) ist Paulus die prägende Gestalt der Erzählung. Lukas berichtet davon, wie er die Botschaft von Jesus, dem Sohn Gottes, nach Kleinasien (heute Türkei), Griechenland und zuletzt Rom trägt.
Der Evangelist Lukas beginnt die Darstellung der Taten und Verkündigung der Apostel mit der Erzählung von einer letzten Begegnung der Apostel mit Jesus und dessen Himmelfahrt (Apg 1,4-9). In Apg 2,1-11 wird mit der Aussendung des Heiligen Geistes das Wirken der Apostel in Gang gesetzt.
Die Abschnitte Apg 1,12-14 und Apg 1,15-26 werfen einen Blick auf die Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Sie berichten von der Gemeinschaft der Jünger und Jüngerinnen Jesu und der Nachwahl des Matthias für Judas Iskariot.
2. Aufbau
Die Verse 15-17 führen in die gesamte Erzählung von der Nachwahl des Matthias ein. Im Kontext des Lesungsausschnitts helfen sie, die nachfolgenden Ereignisse und die grundsätzliche Entscheidung zur Nachwahl (Vers 20ac-26) verständlich zu machen.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 15-17: Mit „in diesen Tagen“ ist die Zeit gemeint, in der die Apostel einmütig im Gebet verharrten (Apg 1,14) und auf die verheißene Gabe des Geistes (Apg 1,8) warten. Petrus, der im gesamten 1. Teil der Apostelgeschichte (Apg 1-12) die prägende Gestalt ist, setzt hier zum ersten Mal zu einer längeren Rede an. Im Verlauf der Apostelgeschichte erhebt Petrus 8 Mal das Wort, diese Zwischenstücke dienen der Entschleunigung der Ereignisse, vor allem aber der theologischen Deutung. Die Zahl der 120 Jüngerinnen und Jünger (vgl. Vers 14) steht für das ganze Volk Israel (10 x 12). So wird „aus der Mitte“ des Volkes jemand gewählt, der den Kreis der Repräsentanten des (neuen) Gottesvolkes wieder vervollständigen soll. Das Schicksal des Judas („wurde zum Anführer derer, die Jesus gefangen nahmen“) und damit auch seine Tat werden nicht als „tragische Ereignisse“, sondern als Teil des göttlichen Heilsplans verstanden. Dazu dient der Verweis auf die Schrift. Hier ist zum Beispiel an Psalm 41,10 zu denken, der auch im Kontext der Abendmahlszene (u.a. Lukasevangelium 22,21) anklingt. Petrus nimmt jedoch nicht nur Bezug auf den Verrat, den Judas an Jesus beging. Vers 17 zeichnet die Tat des Judas auch als eine Untreue zur gemeinsamen Berufung.
Verse 20-22: In denen zwischendurch ausgelassenen Versen wird das Ende des Judas in einer lukanischen Version berichtet. Nun stellt Petrus den anderen Aposteln gegenüber mit einem Schriftwort (Psalm 109,8) heraus, dass es notwendig ist, den Platz des Judas in der Mitte der Apostel neu zu vergeben. Im Weiteren stellt er Kriterien für die Person auf, die gewählt werden soll: Sie soll „die ganze Zeit“ mit den Apostel zusammen gewesen sein und damit zu dem engen Kreis der Begleiter Jesu stammen. Diese Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Weg Jesu von Anfang an („von der Taufe durch Johannes“) begleitet und so sein Wirken im umfassender Weise mitbekommen hat. Dazu gehört auch das Ende Jesu, das aber nicht eigens erwähnt wird. Vielmehr ist der Fokus auf die gerade erlebte Himmelfahrt gerichtet. Wer Zeuge der Rückkehr Jesu zum Vater war, hat damit auch verstanden, von wo die Sendung Jesu ausging und wo seine wirkliche Heimat ist. Nur wer diese Kriterien erfüllt, soll nach Meinung des Petrus, als Kandidat infrage kommen.
Hier zeigt sich das Bestreben des Lukas, den Aposteltitel klar nur auf diejenigen anzuwenden, die bereits zu Lebzeiten Begleiter und Zeugen Jesu waren. Paulus wird von Lukas entsprechend nicht zum Kreis der Apostel gerechnet.
Verse 23-26: Ohne darzulegen, wie genau es zur Auswahl dieser beiden Kandidaten kommt, werden sie namentlich vorgestellt. Von der Charakterisierung über seine Beinamen Barsabbas (= am Sabbat Geborener) und Justus (= der Gerechte) erscheint Josef deutlich profilierter. Matthias, eine Kurzform von Mattatias, wird nur kurz benannt.
Vor dem eigentlichen Wahlakt suchen die 120 im Gebet die „Rücksprache“ mit Gott und dem erhöhten Christus. Die Anrede „Herr“ lässt beide als Adressaten denkbar erscheinen. Ein Gebet zu Gott, dem Vater, würde der Gebetstradition der judenchristlichen Apostel entsprechen. Gleichzeitig wird der Titel „Herr“ in der Apostelgeschichte auf Jesus angewendet. Daher ist es auch möglich, dass er angesprochen und um Erwählung gebeten wird. Entscheidend ist aber vor allem, dass die Versammelten die Entscheidung nicht einfach aus sich heraus, sondern aus der Verbundenheit mit Gott bzw. Jesus Christus heraus treffen. Noch einmal wird von Lukas eingeflochten, dass Judas dieses Amt aus freien Stücken aufgegeben hat.
Auch über den Wahlgang und das Prozedere wird nichts berichtet. Von Bedeutung ist einzig das Ergebnis: Matthias wird erwählt und gehört nun zum Kreis der 12.