Überraschung! Der Heilige Geist kommt wie er will.
1. Verortung im Buch
Das 10. Kapitel der Apostelgeschichte (Apg) ist einer ausführlichen Erzählung über den römischen Hauptmann Kornelius und den Apostel Petrus gewidmet. Höhepunkt ist das Ende des Kapitels: Kornelius empfängt als Nicht-Jude den Heiligen Geist und daraufhin die Taufe. Bevor es soweit kommt, zeigt sich Gott sowohl dem Kornelius (Apg 10,1-8) als auch dem Petrus (Apg 10,9-16) in Visionen. Der Evangelist Lukas, der die Apostelgeschichte als 2. Teil seiner Jesuserzählung verfasst, berichtet, wie Gott bewirkt, dass sich der Heide Kornelius und der aus dem Judentum stammende Petrus aufeinander zu bewegen, im wortwörtlichen Sinn: Kornelius schickt nach Petrus, Petrus kommt in das Haus des Kornelius. In einer wundersamen Vision und in der Begegnung mit Kornelius eröffnet Gott Petrus seinen Willen, auch den Heiden das Wort Gottes zu verkünden. Der vorliegende Lesungstext ist der Begegnung zwischen den beiden entnommen.
2. Aufbau
Die Verse 25-26 beschreiben die erste Begegnung zwischen Petrus und Kornelius. Die Verse 44-48 zeichnen den Höhepunkt des Zusammentreffens nach: Kornelius, seine Verwandten und Freunde (Apg 10,24) empfangen den Heiligen Geist und werden getauft. Die „Zwischenverse“ (Verse 34-35) liefern die theologische Grundlage oder besser Erkenntnis
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 25-26: Der Ort der ersten Begegnung zwischen Petrus und Kornelius in Cäsarea wird nicht explizit benannt. Da die weitere Szene dann aber im Haus des Kornelius spielt, ist sie in dessen nahem Umfeld zu vermuten. Sowohl das „Entgegenkommen“ wie die ehrerbietende Begrüßung zeigen den Respekt und die Anerkennung des Kornelius gegenüber dem Apostel an. Petrus ist ihm durch einen Engel angekündigt worden (Apg 10,3-6), entsprechend ist die Geste des Niederfallens, der Proskynese, Zeichen der Huldigung gegenüber Petrus. Der Apostel weist diese Geste von sich. Ähnlich werden auch Paulus und Barnabas weniger später in Lystra reagieren, als man ihnen zu Ehren einen Festumzug abhalten will (Apg 14,15). Die Apostel sind zwar Gesandte des Evangeliums und Zeugen von Leben, Sterben und Auferstehen Jesu; sie sind aber auch „einfache Menschen“. Die demütige Haltung des Petrus hier verweist schon darauf, dass die Erzählung als Ganze sich gegen ein „besser“ und „weniger gut“ von Menschen wendet und auf die Hinwendung Gottes zu jedem einzelnen Menschen zielt.
[Was dazwischen geschieht: Petrus und seine Begleiter kehren im Haus des Kornelius ein – mit dem Verweis, dass den Juden dies eigentlich nicht erlaubt ist. Petrus formuliert hier bereits, dass er zu verstehen beginnt: Gott möchte es nicht, dass Menschen in „heilig“ und „unheilig“ kategorisiert werden (Vers 28). Kornelius berichtet Petrus von seiner Vision, daraufhin ergreift Petrus das Wort…]
Verse 34-35: Die einleitende Formulierung „da begann Petrus zu reden“ oder eigentlich „da öffnete Petrus seinen Mund“ weist auf den wichtigen und grundlegenden Charakter der nachfolgenden Worte hin. Auch der Beginn seiner Worte („wahrhaftig“) unterstreicht dies: Petrus schließt damit an die vorangegangenen Erlebnisse an und erklärt, welche Einsicht er daraus gewonnen hat: Gott schaut nicht auf die Person – man könnte das griechische Wort auch übersetzen: Gott ist nicht parteiisch. Gott geht es nicht um das Unterscheidende der Herkunft, der religiösen Vorprägung des Standes etc. (vgl. Galaterbrief 3,28). Er heißt die „willkommen“, die ihn fürchten und das Rechte tun, diejenigen also, die an ihn glauben und aus diesem Glauben heraus handeln. Lukas knüpft dabei in der Apostelgeschichte an das an, was er schon zu Beginn des Evangeliums Maria hatte bekennen lassen. Im Magnifikat, ihrem Lobgesang, preist sie Gott mit den Worten: „Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.“ (Lukasevangelium 1,50).
[Was dazwischen geschieht: Petrus verkündet die Botschaft von Jesus Christus als Gottes Sohn, indem er von den Wundertaten Jesu, dessen Leiden und Auferstehen berichtet und am Ende deutlich macht, dass durch den Glauben an ihn die Vergebung der Sünden empfangen werden kann.]
Verse 44-48: Die Rede des Petrus wird jäh unterbrochen durch das Wirken Gottes, indem auf alle Zuhörer (Kornelius und seine Freunde und Verwandten) der Heilige Geist herabkommt. Nach außen hin sichtbar wird dies durch die Gabe der Zungenrede (vgl. Apg 2,4) und den „Lobpreis“, den die Beschenkten anstimmen. „Lobpreis“ meint das aktive Lob Gottes und das Bekenntnis zu dessen machtvollem Wirken (vgl. Apg 2,11). Die Reaktionen der mitgekommenen Juden ist deutlich: Es war für sie bislang unvorstellbar, dass Gott sich auf diese Weise (Ausgießung des Geistes) an Nicht-Juden offenbaren würde.
Petrus als Vermittler und ganz in der Linie der Gesamterzählung in Kapitel 10 stellt die rhetorische Frage, ob denen, die von Gott in dieser Weise in den Blick genommen wurden, die Taufe als Zeichen der Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen verweigert werden könne. Die Wendung „ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen“ hebt das Gemeinsame der Situation hervor. Mit der Gabe des Geistes stehen Juden und Heiden nun gleichberechtigt vor Gott, dies muss Ausdruck finden in dem allen geschenkten Zeichen der Zugehörigkeit, der Taufe. Die neue Einheit der christlichen Gemeinde aus Juden und Heiden zeigt sich exemplarisch in dem Zusammenbleiben (Vers 48).
Lukas spricht für Petrus ebenso wie für Paulus nicht davon, dass diese selbst taufen. Vielmehr wählt Lukas die Formulierung, dass Petrus „die Taufe anordnet“, das bedeutet ein anderer vollzieht den Taufakt an Kornelius und seinem Haus. Die Taufe „im Namen Jesu“ spiegelt die Praxis der frühen Kirche wieder.