Wer alleine auf die eigene Bereicherung schielt, wird unbarmherzig von Gottes Urteil getroffen. In einem Zitat verdeutlicht der Prophet die Blindheit einer keine ethischen Grenzen kennenden Profitgier.
1. Verortung im Buch
Es wird viele Leichen geben! Die Worte und die Botschaft des Buches Amos sind nicht zimperlich gewählt. In einem Visionszyklus wird dem Leser und der Leserin verdeutlicht, dass das Nordreich Israel nun nicht mehr auf die Barmherzigkeit Gottes hoffen kann (Amos 7,1-9,6). Das Urteil Gottes ist gefällt: „Gekommen ist das Ende zu meinem Volk Israel“ (Amos 8,2), heißt es in der vierten Version. Der „Tag des Herrn“ wird ein Gerichtstag sein, der in bitteren Orakeln beschrieben wird (Amos 8,9-14). Gott selbst wird gegen sein Volk vorgehen: „Ich verwandle eure Feste in Trauer und all eure Lieder in Totenklage. Ich lege um alle Hüften das Trauergewand, und schere jeden Kopf kahl. Ich bringe Trauer über das Land wie die Trauer um den Einzigen und das Ende davon wird sein wie der bittere Tag“ (Amos 8,10). Bereits am Ende der einleitenden Vision wird ein Schreckensbild gezeichnet: „An jenem Tag – Spruch GOTTES, des Herrn – gibt es viele Leichen, überall wirft man sie hin. Still!“ (Amos 8,3). Die Begründung hierfür wird in Amos 8,4-8 gegeben. Und ein mit den Worten in Amos 2,6-7 vergleichbarer Vorwurf wird entfaltet: „Weil sie den Unschuldigen für Geld verkaufen und den Armen wegen eines Paars Sandalen, weil sie den Kopf des Geringen in den Staub treten und das Recht der Schwachen beugen.“
Eine vollständige Kommentierung des Buches Amos ist hier auf der Homepage unter der Rubrik "Bibellektüre" verfügbar: "Das Buch Amos - Wider Menschenhandel und Korruption".
2. Aufbau
Durch einen Höraufruf eingeleitet, erhebt der Prophet seine Anklage (Verse 5-6) und kündigt Gottes feststehendes Urteil an (Vers 7-8). In seiner Anklage zitiert er die Angeklagten selbst und zeigt auf, wie sie die Strafe über sich selbst und Israel gebracht haben.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 4: Er erhebt seine Stimme für die Sozialschwachen. Die angesprochenen Getreidehändler werden mit ihrem verwerflichen Handeln tituliert und so als Unterdrücker der Bedürftigen gebrandmarkt.
Verse 5-6: Der Schuldaufweis erfolgt durch ein Zitat derjenigen, die die Bedürftigen unterdrücken. Durch das Zitat werden sie charakterisiert als (1.) Menschen die derart von ihrer Gier getrieben sind, dass sie die religiösen Ruhetage als Hindernisse sehen. Es drängt sie entgegen dem Willen Gottes zu ihren bösen Geschäften. So wird ein Bild entworfen von Gläubigen, die sich zwar an die rituellen Vorschriften halten, aber ethisch verwerflich handeln. Feste mit religiöser Bedeutung werden nur noch als verlorene Geschäftstage angesehen nach dem Motto: Zeit ist Geld. (2.) Sie bereichern sich, in dem sie falsche Gewichte und Maße, sowie betrügerische Waagen verwenden. Das Hohlmaß, gemäß dem hebräischen Text ein Epha meint ca. 39 Liter. Und das Silbergewicht betrug damals pro Einheit ca. 11 Gramm. Indem sie diese Maßeinheiten manipulieren, verkaufen sie zu kleine Mengen Getreide für einen zu hohen Preis. Und darüber hinaus „krümmen“ sie die Waage zum Betrug – vielleicht verbogen sie den Waagebalken oder beschwerten eine der Schaalen. Die betrügerischen Methoden dienen nicht nur zur Bereicherung an den Waren, sondern zielten radikal auf die Versklavung der Bedürftigen. Die Sozialschwachen rutschen durch dieses unethische Handeln in die Schuldsklaverei, aus der die Wohlhabenden wiederum profitieren können, indem sie die völlig Verarmten billig kaufen können. (3.) Und selbst das Getreide, dass sie verkaufen, ist keine gute Ware, sondern sie verkaufen selbst die Spreu vom Weizen.
Vers 7: Gott tritt als unbarmherziger Richter gegen die skrupellosen, wohlhabenden Getreidehändler vor. Keine ihrer Taten wird er nicht ahnden – und dies schwört er beim „Stolz Jakobs“. Ein Blick auf Amos 6,8 verdeutlicht, dass hier vielleicht eine zutiefst sarkastische Aussage gemacht wird. Dort meint der „Stolz Jakobs“ die Arroganz des Volkes. Wenn der Ausdruck hier dieselbe Bedeutung hat, deutet Gott in seinem Schwur an, dass die unethische Überheblichkeit ein solch fester Charakterbestandteil ist, dass er Gott dazu dienen kann die Gewissheit der bevorstehenden Strafe zu verdeutlichen. Wenn man die Verwendung des Ausdrucks „Stolz Jakobs“ in Psalm 47,5 betrachtet, hat er dort eine positive Wendung, und bezeichnet dort das von Gott gegebene Land oder vielleicht auch Jerusalem. Zu dem Urteilsspruch gehört auch noch die rhetorische Frage in Vers 8, die in einer rhetorischen Frage die Ungeheuerlichkeit der unethischen Getreidehändler betont: Ja, im Angesicht ihrer Taten sollte die Erde beben und alle Menschen sollten trauern!