Eine körperliche Heilung und spirituelle Konversion verdeutlichten die grenzüberschreitende Macht Gottes. Das zeigt sich anhand der Erzählung über den aramäischen Feldherren Naaman.
1. Verortung im Buch
Der Prophet Elischa erweckt Tote, vermehrt Speisen und heilt Kranke. Viele der von ihm in den Büchern der Könige erzählten und erwirkten Wunder lesen sich als Vorausbilder auf die Taten Jesu. Elischa ist der Schüler und Nachfolger des Propheten Elija. Die Erzählungen über ihn prägen den Anfang des Zweiten Buches der Könige. Er ist die prophetische Kontrastfigur zu den negativ dargestellten Königen des Nordreiches Israel und zugleich zeigt sich Gottes Allmacht durch ihn im Alltag der Menschen. Erzählungen über ihn lesen sich zum Teil wie Heiligenlegenden.
Die Erzählung in 2 Könige 5 mit dem besonderen Fokus auf Naaman, den Feldherren des Königreiches Aram, verdeutlicht im größeren Kontext, dass Gott selbst die Geschicke der verfeindeten Völker lenkt (siehe auch 2 Könige 8,7-15), zu ihren Gunsten handelt, während die israelitischen Könige an ihrem Gott zweifeln.
2. Aufbau
Die Erzählung in 2 Könige 5 beginnt mit einem nicht-israelitischen Feldherren, der an Aussatz erkrankt und von dem israelischen Propheten Elischa geheilt wird (Verse 1-19). Und das Kapitel endet damit, dass der Diener Elischas, seinen Herren hintergeht und versucht sich an dem Wunder zu bereichern (Verse 20-27). Der erzeugte Kontrast zwischen dem mächtigen aramitischen Feldherren, der aufgrund seiner Heilung die Macht des Gottes Israel anerkennt, und dem israelitischen Prophetendiener, der eben diese Macht unterschätzt, dient dazu, Gott als den gerechten und machtvollen Herrscher über die gesamte Schöpfung darzustellen. Der Glauben ist hierbei ein wichtiges Leitthema. Eine nach Aram verschleppte Israelitin glaubt, dass der Prophet des Gottes Israels, den Aussatz Naamans heilen kann. Ihren Worten glaubt seine Ehefrau, der sie dient, und die erzählt es ihrem Ehemann. Ihrem Glauben glaubt der König Arams, der ihn daraufhin zum König Israels sendet. Doch der König Israels fehlt eben dieser Glaube: Er sieht nur einen Vorwand für einen Krieg gegen sich, anstatt eine Möglichkeit für den Machterweis Gottes zu erkennen. Seinem Unvermögen tritt der Prophet Elischa entgegen. Und sein umfassender Machtbeweis wird von seinem eigenen Diener verkannt, der meint, sich heimlich an Gottes und des Propheten Macht bereichern zu können. Diese Glaubensgeschichten werden in drei Teilen erzählt. Verse 1-14 erzählen von der Heilung. Verse 15-19 berichten von der daraus folgenden Konversion Naamans. Und die Verse 20-27 berichten von Gehasis Vergehen und enden damit, dass Elischa den Aussatz Naamans auf seinen Diener legt: „Der Aussatz Naamans aber soll für immer an dir und deinen Nachkommen haften. Gehasi ging hinaus und war vom Aussatz weiß wie Schnee.“
Der für die Lesung ausgewählte Textabschnitt beinhaltet das Bekenntnis Naamans nach seiner Heilung (Vers 14-15a), dass es für ihn nur noch den Gott Israels als Gott gibt. Nachdem Elischa sich weigert, sich das Wunder vergüten zu lassen (Vers 15a-16), bittet Naaman um Erde aus dem Land Israel, um auch in seiner Heimat den Gott Israels anbeten zu können (Vers 17). So steht am Ende dem Bekenntnis, dass der Gott Israels, der mächtigste Gott sei, die scheinbar naive, ja beengende Vorstellung, dass der Glaube an den Erdboden Israels gebunden ist.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 14: Naaman ist der Feldherr des Königreiches Aram, dessen Hauptstadt Damaskus ist. Er ist somit einer der mächtigsten Männer eines mit Israel verfeindeten Landes (siehe zum Beispiel 2 Könige 6,1). Und er befolgt eine Anweisung eines israelitischen Propheten, in der Hoffnung so von seinem Aussatz geheilt zu werden. Die Zahl sieben – siebenmal soll er im Jordan eintauchen – steht in der biblischen Tradition für Erfüllung bzw. einen erfolgreichen Abschluss (siehe auch Levitikus 14,7). Es folgt nicht nur die Heilung, sondern sein Leib wurde „gesund wie der Leib eines Kindes“. Elischa erneut somit dessen Lebenskraft und stärkt damit einen Feind Israels, doch dies stärkt zugleich dessen Glauben an den Gott Israels.
Vers 15: Als Naaman durch einen Diener Elischas ausgefordert wurde, sich im Jordan zu waschen, hatte er zuerst gesagt: „Sind nicht der Abana und der Parpar, die Flüsse von Damaskus, besser als alle Gewässer Israels? Kann ich nicht dort mich waschen, um rein zu werden?“ (Vers 12). Die beiden genannten Flüsse sind die lebensspendenden Wasserzuflüsse Damaskus und des Umlandes der Stadt. Naaman findet neues Leben aber nicht in ihnen, sondern im Jordan, im Land Israel. Und so kommt er zum monotheistischen Bekenntnis: „Jetzt weiß ich, dass es nirgends auf der Erde einen Gott gibt außer in Israel.“ Er erkennt die Allmacht des Gottes Israels als des einzigen wahren Gottes – aber zugleich verortet er dessen Macht allein im Land Israel.
Vers 16: Naaman war mit großen Mengen Silber, Gold und festlichen Kleidern nach Israel aufgebrochen (siehe Vers 5). Doch Elischa nimmt keine Bezahlung für das vollbrachte Wunder an. Gottes Handeln ist keine Handelsware. Der eigentliche Lohn ist das Bekenntnis des Geheilten.
Vers 17: In Naamans Worten verdeutlicht sich, dass sein Bekenntnis in Vers 14 kein monotheistisches ist. Ja, es gibt andere Götter, aber Naaman verpflichtet sich dazu, nur noch dem Gott Israels zu dienen (siehe aber Verse 18-19). Und um dies tun zu können, erbittet er „so viel Erde, wie zwei Maultiere tragen können“. Diese scheinbar naive Vorstellung spiegelt eine grundlegende Glaubensüberzeugung Israels wieder, die sich zum Beispiel im Buch Deuteronomium manifestiert. Israel wird in das verheißene Land von Gott geführt, weil dort der auserwählte Ort für den wahren Gottesdienst liegt – in diesem Sinne ist das verheißene Land ein heiliges Land. Es ist nicht nur ein abstraktes Konzept, sondern radikal gesprochen greifbarer Mutterboden für die Beziehung zu Gott – was dem israelitischen bzw. jüdischen Leser in der Bitte Naamans verdeutlicht wird.