Lesejahr B: 2023/2024

1. Lesung (1 Kön 17,10-16)

8[Da erging das Wort des HERRN an Elija:

9Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleib dort! Ich habe dort einer Witwe befohlen, dich zu versorgen.]

10Er machte sich auf und ging nach Sarepta. Als er an das Stadttor kam, traf er dort eine Witwe, die Holz auflas. Er bat sie:

Bring mir in einem Gefäß ein wenig Wasser zum Trinken!

11Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach:

Bring mir auch einen Bissen Brot mit!

12Doch sie sagte:

So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts mehr vorrätig als eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich lese hier ein paar Stücke Holz auf und gehe dann heim, um für mich und meinen Sohn etwas zuzubereiten. Das wollen wir noch essen und dann sterben.

13Elija entgegnete ihr:

Fürchte dich nicht! Geh heim und tu, was du gesagt hast! Nur mache zuerst für mich ein kleines Gebäck und bring es zu mir heraus! Danach kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten; 14denn so spricht der HERR, der Gott Israels:

Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der HERR wieder Regen auf den Erdboden sendet.

15Sie ging und tat, was Elija gesagt hatte. So hatte sie mit ihm und ihrem Haus viele Tage zu essen. 16Der Mehltopf wurde nicht leer und der Ölkrug versiegte nicht, wie der HERR durch Elija versprochen hatte.

Überblick

Im Hunger noch teilen zu können, das ist ein Wunder.

 

1. Verortung im Buch

Das erste Königebuch erzählt, dass im 9. Jahrhundert v. Chr. eine phönizische Prinzessin, Isebel, den König von Israel, Ahab, heiratete. Sie brachte Ahab dazu nicht mehr Gott zu dienen, sondern sich ihren phönizischen Göttern zuzuwenden (1 Könige 16,29-34). Gegen sie tritt der Prophet Elija auf, um JHWHs Überlegenheit aufzuzeigen. Die Abkehr des Königs von Gott führt zu einer Dürre in der gesamten Region – und Gott erweist seine Macht in dem Land, aus dem Isebel mit ihren Göttern herkam.

In 1 Könige 17 werden insgesamt drei Episoden erzählen, die aufzeigen, dass Gott mächtiger ist als der von Isebel und Ahab verehrte Wetter- und Fruchtbarkeitsgott Baal. Bereits die durch Gott verursachte Dürre deutet die Überlegenheit Gottes und die Entmachtung Baals an. Die in 1 Könige 17,1-7 berichtete wundersame Versorgung des Propheten Elija durch Raben zeigt, dass Gott über die Natur herrscht – und die im Anschluss an seine Begegnung mit der Witwe erzählte Auferweckung des des erkrankten und gestorbenen Sohns verdeutlicht, dass der Gott Elijahs der Herrscher über Leben und Tod ist.

 

2. Aufbau

Die kurze Erzählung ist geprägt durch die rahmenden Gottesworte: den Befehl an Elija und die Verheißung an die Witwe. In deren Mitte entspinnt sich der Dialog zwischen der Witwe und Elija. Sie ist die eigentlich Handelnde. Sie geht Wasser holen, sie klagt ihr Leid, sie handelt aus Vertrauen.

 

3. Erklärung einzelner Verse 

Verse 8-9: Der Befehl zum Aufbruch hat als Hintergrund die herrschende Dürre, die von Gott verursacht ist und von der nun scheinbar auch der Prophet nicht verschont wird – in Vers 7 steht: „Nach einiger Zeit aber vertrocknete der Bach [, an dem der Prophet verweilte]; denn es fiel kein Regen im Land.“ Der Prophet soll nun in das Land gehen, aus dem die phönizische Königin mit ihrem Gott Baal hergekommen ist. Sarepta liegt im heutigen Libanon, südlich vom heutigen Sidon. Dort liegt sein Schicksal nun scheinbar in den Händen einer Witwe. In den patriarchalen Gesellschaften des Alten Orient hatten Witwen einen schwierigen rechtlichen und gesellschaftlichen Status; sie werden häufig zu den sogenannten personae miserae gerechnet, die besonderen Schutz bedürfen. Nun soll also eine Witwe, inmitten einer Hungersnot, den Propheten versorgen.  

Verse 10-11: Inmitten der Dürre ist es für die Witwe trotzdem eine Selbstverständlichkeit dem Wunsch Elijas zu folgen, und dem Fremden lebenswichtiges Wasser zu bringen. Diese nicht selbstverständliche Gastfreundschaft überreizt der Prophet, indem er ihr noch hinterherruft, dass er auch etwas essen wolle. Wie die Antwort der Witwe in den folgenden Versen verdeutlicht, ist diese Aufforderung eigentlich eine Frechheit.

Vers 12:  Die Antwort der Witwe überrascht. Sie verwendet eine Schwurformel, in der sich jedoch nicht bei ihrem Gott oder ihren Göttern, sondern beim Gott des Propheten schwört – den sie zwar überraschenderweise namentlich kennt, aber bewusst als „dein Gott“ und nicht als ihren eigenen bezeichnet. Dieser Anerkenntnis des Gottes Israels im polytheistischen Kontext folgt die Beschreibung der harten Realität, die eben durch diesen Gott versursacht ist und mit eben einer solchen Schwurformel durch den Propheten gegenüber König Ahab verkündet worden war: „So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, in dessen Dienst ich stehe: in diesen Jahren sollen weder Tau noch Regen fallen, es sei denn auf mein Wort hin.“ (Vers 1). Diese Dürre herrscht also auch nördlich von Israel. Wörtlich antwortet sie auf die Bitte des Propheten: „So wahr dein Gott lebt, ich habe keinen Vorrat [bzw. nichts Gebackenes], nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug.“ Sie besitzt fast nichts mehr, sammelt nun Brennmaterial, wird ihre letztes Mahl zubereiten und ist dann bereit – im Angesicht fehlender Zukunftshoffnung – mit ihrem Sohn zu verhungern.

Vers 13: Die Formel „Fürchte Dich nicht!“ wirkt fast tragisch komisch an dieser Stelle. Ihr folgend fordert der Prophet die Witwe dazu auf, so zu tun, wie sie ihm gerade gesagt hat. Soll sie sterben? Natürlich nicht – doch die Verheißung in Vers 14 ist noch nicht ausgesprochen. Zuerst steht die Glaubensprüfung an. Denn von dem wenigen, das sie hat, und weshalb sie dem Propheten eigentlich nichts zu essen geben kann, verlangt der Prophet nun zu erhalten.

Verse 14-16: Ebenso wie der Prophet zuvor in den Versen 1-7 auf wunderbare Weise von Gott am Bach Kerit versorgt worden war, wird er und mit ihm zusammen das ganze Haus der Witwe in Sarepta mit Mehl und Öl durch Gott versorgt. Inmitten der durch ihn versursachten Dürre, zeigt sich Gott als Versorger. Doch hinter dem Wunder verbirgt sich auch die Geschichte einer bewundernswerten Frau, die in ihrer Not durch ihren Glauben gerettet wird. Weder Gott noch Elija versorgen die Witwe, sondern das Wunder geschieht, weil sie handelt – sie geht nach Hause und tut, wie der Prophet ihr gesagt hat. 

Auslegung

Elija flieht auf Gottes Befehl hin in die phönizische Stadt Sarepta, im heutigen Libanon: „Steh auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und lasse dich dort nieder. Siehe, ich habe dort einer Frau, einer Witwe, befohlen, dich zu versorgen.“ (1 Könige 17,8). Nicht nur während einer Dürre zählten Witwen im Alten Orient zu den Ärmsten der Armen. Ohne männlichen Versorger und ohne rechtlichen Schutz zählten sie in den damaligen Gesellschaftsordnungen zu den sozial schwächsten Personen. Sie soll den Propheten Gottes versorgen.

Elija trifft auf eine Frau, die sich auf den Tod durch Verhungern vorbereitet. Die Erzählung setzt nicht voraus, dass Gott ihr die Ankunft des Propheten verkündet hat. Aber sie ist bereit ihm zu helfen. Seiner Bitte nach Wasser will sie direkt nachkommen, doch der Prophet bittet um mehr: „Hol für mich auch einen Bissen Brot durch deine Hand!“ (1 Könige 17,11). Die Hilfsbereitschaft von Armen ist nicht nur sprichwörtlich fast unbegrenzt. Doch wer nichts mehr hat, kann auch nichts geben. „Darauf sagte sie: So wahr dein Gott lebt, ich habe keinen Vorrat, außer einer Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. So siehe, ich lese zwei Stücke Holz auf und werde hineingehen und es mir und meinem Sohn zubereiten, sodass wir es essen und dann sterben.“ (1 Könige 17,12). 

Ihr bleibt nur der Glauben an einen ihr fremden Gott. Sie muss sich entscheiden, ob sie bereit ist, das Letzte, was sie noch hat, mit einem Fremden zu teilen. Und die phönizische Witwe legt ihr Leben in die Hände des Gottes Israels, der für sie zum neuen Lebensquell wird.

Kunst etc.

Bis heute backen oft noch Beduinen in der Wüste aus Mehl und Öl in heißer Asche Brot. Ein solches ist wahrscheinlich in Vers 12 gemeint. Dort steht das hebräische Wort  מָעוֹג (gesprochen: maog), dass in Ezechiel 4,12 einen auf getrockneten Kot gebackenen Brotfladen bezeichnet. 

“Saharawi during the daily ritual of preparing the bread; the dough is baked under the desert sand”, fotografiert von Laura Dauden. Lizenz: CC BY-SA 4.0.
“Saharawi during the daily ritual of preparing the bread; the dough is baked under the desert sand”, fotografiert von Laura Dauden. Lizenz: CC BY-SA 4.0.