Im Hunger noch teilen zu können, das ist ein Wunder.
1. Verortung im Buch
Das erste Königebuch erzählt, dass im 9. Jahrhundert v. Chr. eine phönizische Prinzessin, Isebel, den König von Israel, Ahab, heiratete. Sie brachte Ahab dazu nicht mehr Gott zu dienen, sondern sich ihren phönizischen Göttern zuzuwenden (1 Könige 16,29-34). Gegen sie tritt der Prophet Elija auf, um JHWHs Überlegenheit aufzuzeigen. Die Abkehr des Königs von Gott führt zu einer Dürre in der gesamten Region – und Gott erweist seine Macht in dem Land, aus dem Isebel mit ihren Göttern herkam.
In 1 Könige 17 werden insgesamt drei Episoden erzählen, die aufzeigen, dass Gott mächtiger ist als der von Isebel und Ahab verehrte Wetter- und Fruchtbarkeitsgott Baal. Bereits die durch Gott verursachte Dürre deutet die Überlegenheit Gottes und die Entmachtung Baals an. Die in 1 Könige 17,1-7 berichtete wundersame Versorgung des Propheten Elija durch Raben zeigt, dass Gott über die Natur herrscht – und die im Anschluss an seine Begegnung mit der Witwe erzählte Auferweckung des des erkrankten und gestorbenen Sohns verdeutlicht, dass der Gott Elijahs der Herrscher über Leben und Tod ist.
2. Aufbau
Die kurze Erzählung ist geprägt durch die rahmenden Gottesworte: den Befehl an Elija und die Verheißung an die Witwe. In deren Mitte entspinnt sich der Dialog zwischen der Witwe und Elija. Sie ist die eigentlich Handelnde. Sie geht Wasser holen, sie klagt ihr Leid, sie handelt aus Vertrauen.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 8-9: Der Befehl zum Aufbruch hat als Hintergrund die herrschende Dürre, die von Gott verursacht ist und von der nun scheinbar auch der Prophet nicht verschont wird – in Vers 7 steht: „Nach einiger Zeit aber vertrocknete der Bach [, an dem der Prophet verweilte]; denn es fiel kein Regen im Land.“ Der Prophet soll nun in das Land gehen, aus dem die phönizische Königin mit ihrem Gott Baal hergekommen ist. Sarepta liegt im heutigen Libanon, südlich vom heutigen Sidon. Dort liegt sein Schicksal nun scheinbar in den Händen einer Witwe. In den patriarchalen Gesellschaften des Alten Orient hatten Witwen einen schwierigen rechtlichen und gesellschaftlichen Status; sie werden häufig zu den sogenannten personae miserae gerechnet, die besonderen Schutz bedürfen. Nun soll also eine Witwe, inmitten einer Hungersnot, den Propheten versorgen.
Verse 10-11: Inmitten der Dürre ist es für die Witwe trotzdem eine Selbstverständlichkeit dem Wunsch Elijas zu folgen, und dem Fremden lebenswichtiges Wasser zu bringen. Diese nicht selbstverständliche Gastfreundschaft überreizt der Prophet, indem er ihr noch hinterherruft, dass er auch etwas essen wolle. Wie die Antwort der Witwe in den folgenden Versen verdeutlicht, ist diese Aufforderung eigentlich eine Frechheit.
Vers 12: Die Antwort der Witwe überrascht. Sie verwendet eine Schwurformel, in der sich jedoch nicht bei ihrem Gott oder ihren Göttern, sondern beim Gott des Propheten schwört – den sie zwar überraschenderweise namentlich kennt, aber bewusst als „dein Gott“ und nicht als ihren eigenen bezeichnet. Dieser Anerkenntnis des Gottes Israels im polytheistischen Kontext folgt die Beschreibung der harten Realität, die eben durch diesen Gott versursacht ist und mit eben einer solchen Schwurformel durch den Propheten gegenüber König Ahab verkündet worden war: „So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, in dessen Dienst ich stehe: in diesen Jahren sollen weder Tau noch Regen fallen, es sei denn auf mein Wort hin.“ (Vers 1). Diese Dürre herrscht also auch nördlich von Israel. Wörtlich antwortet sie auf die Bitte des Propheten: „So wahr dein Gott lebt, ich habe keinen Vorrat [bzw. nichts Gebackenes], nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug.“ Sie besitzt fast nichts mehr, sammelt nun Brennmaterial, wird ihre letztes Mahl zubereiten und ist dann bereit – im Angesicht fehlender Zukunftshoffnung – mit ihrem Sohn zu verhungern.
Vers 13: Die Formel „Fürchte Dich nicht!“ wirkt fast tragisch komisch an dieser Stelle. Ihr folgend fordert der Prophet die Witwe dazu auf, so zu tun, wie sie ihm gerade gesagt hat. Soll sie sterben? Natürlich nicht – doch die Verheißung in Vers 14 ist noch nicht ausgesprochen. Zuerst steht die Glaubensprüfung an. Denn von dem wenigen, das sie hat, und weshalb sie dem Propheten eigentlich nichts zu essen geben kann, verlangt der Prophet nun zu erhalten.
Verse 14-16: Ebenso wie der Prophet zuvor in den Versen 1-7 auf wunderbare Weise von Gott am Bach Kerit versorgt worden war, wird er und mit ihm zusammen das ganze Haus der Witwe in Sarepta mit Mehl und Öl durch Gott versorgt. Inmitten der durch ihn versursachten Dürre, zeigt sich Gott als Versorger. Doch hinter dem Wunder verbirgt sich auch die Geschichte einer bewundernswerten Frau, die in ihrer Not durch ihren Glauben gerettet wird. Weder Gott noch Elija versorgen die Witwe, sondern das Wunder geschieht, weil sie handelt – sie geht nach Hause und tut, wie der Prophet ihr gesagt hat.