1. Verortung von Mk 1,1-8 im Buch:
Das Markus-Evangelium beginnt mit Johannes dem Täufer sowie der Taufe und Versuchung Jesu. Am Anfang des Matthäus-Evangelium erstreckt sich entlang der Geschichte Israels der Stammbaum Jesu. Poetisch und zugleich hochtheologisch lautet der erste Satz des Johannes-Evangeliums: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ (Johannes 1,1). Das Lukas-Evangelium hingegen beginnt nicht mit Jesus oder Johannes dem Täufer, auch nicht mit hoher Theologie, sondern es beginnt mit dem Ich des Autors. Bevor in Lukas 1,5-2,52 die Kindheitsgeschichte Jesu erzählt wird, die das Evangelium einleitet, steht das Vorwort des Autors. Bevor die Ereignisse um die Geburt Johannes des Täufers (Lukas 1,5-80) samt der Ankündigung der Geburt Jesu (Lukas 1,26-38) erzählt werden, erklärt der Autor seine Absicht. Er erklärt, warum er das Evangelium verfasst hat.
2. Aufbau von Mk 1,1-8
Während das Vorwort in der Einheitsübersetzung aus vier Sätzen besteht, handelt es sich gemäß dem griechischen Text nur um einen einzigen, sehr verschachtelten Satz – zugleich vielleicht der Satz mit dem besten Griechisch im gesamten Neuen Testament. Vers 1 gibt die Ausgangslage für das Verfassen des Evangeliums an („Schon viele […]“) und Vers 4 benennt das Ziel („[...] damit […]“) . Die grammatikalische Hauptaussage findet sich in Vers 3 („Nun [..]“): Der Autor hat sich entschlossen allen Berichten über Jesus kritisch nachzugehen und dementsprechend nach bestem Gewissen jemand anderem, genannt Theophilus, über die Geschehnisse zu berichten. In Vers 1 und 2 bekennt er, dass er selbst nicht der erste ist, der ein solches Unternehmen auf sich nimmt – zum Beispiel erkennt der Leser relativ schnell, dass das Markus-Evangelium dem Lukas-Evangelium zugrunde liegt. Aber anscheinend hielt der Autor es für notwendig, abermals beziehungsweise auf eine neue Art und Weise die Geschehnisse um Jesus zu erzählen. Er erzählt alles, nicht um damit Mission zu betreiben, sondern gemäß Vers 4 um einen zum Glauben Gekommenen, in seiner Entscheidung zu stärken.
3. Erklärung einzelner Verse
- Vers 1: Das Evangelium handelt „über all das, […] was sich unter uns ereignet und erfüllt hat“. Der erste Vers ist relativ unspezifisch: Jesus, sein Tod und seine Auferstehung werden nicht erwähnt. Es wird nur auf Ereignisse (griechisch: πρᾶγμα) hingewiesen, zu denen sich der Autor in direkte Beziehung setzt. Aber diese Ereignisse haben sich nicht nur „ereignet“, sondern auch „erfüllt“. Es handelt sich also nicht um alltägliche Dinge, die im Folgenden abgehandelt werden sollen, sondern um erfüllte Verheißungen.
- Vers 2: Die Anderen, die schon zuvor über die Geschehnisse berichtet haben, stützten sich auf die Augenzeugen und diejenige, die als „Diener des Wortes“, das Geschehene verkündet haben. Die Apostel werden hier nicht explizit genannt, sondern sie werden in ihrer Funktion beschrieben. Auch der Autor des Lukasevangelium gehört nicht selbst zu den Augenzeugen oder gar Aposteln. Er schreibt in Vers 2 deutlich zu Anfang, dass er selbst nur zurückgreifen kann auf die Berichte der anderen – im griechischen Text heißt es: „entsprechend dem, was uns überliefert wurde, von denen, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren.“
- Vers 3: Zwar ist der Autor des Lukas-Evangeliums selbst kein Augenzeuge, aber sein Anliegen ist es zumindest, die Berichte „besser“ zu schildern. Dabei hat er zwei Anliegen: 1.) Er will der Sache auf den Grund gehen: Das verwendete Verb ist ein terminus technicus für die gewissenhafte Vorarbeit eines antiken Historiographen. 2.) Er will die Geschehnisse der Reihenfolge nach aufschreiben – dies zeigt sich bereits zu Beginn des Evangelium: Anders als im Markus-Evangelium wird im Folgenden ausführlich die Kindheitsgeschichte Jesu entfaltet, bevor das öffentliche Wirken Jesu erzählt wird.
Vers 4: Der angesprochene Theophilus (siehe Auslegung), soll durch die Schrift im Glauben gestärkt werden. Mit dem Evangelium soll kein Glaube geweckt, sondern Sicherheit im Glauben gewährt werden. Es geht nicht um Verkündigung, sondern um das Fundament des Glaubens. Es geht um gefestigte Einsicht. Der Autor weist sich somit selbst als Historiker und