Hat Jona recht in seinem Zorn gegen Gott? Die Antwort auf diese Frage entscheidet sich an einer Rizinusstaude.
1. Verortung im Buch
Wie ihm von Gott aufgetragen, war Jona nach Ninive gegangen, ja hineingegangen, um die Gerichtsworte zu verkünden (Jona 3,3b-4a). Demgegenüber steht nun sein Verlassen der Stadt, dass ihn noch tiefer in seinen Zorn gegen Gott hineinführt. Die vorherige Szene endete in Gottes Frage: „Ist es recht von dir, zornig zu sein?“ (Vers 4) Und diese Frage wiederholt Gott leicht abgewandelt in Vers 9. Nun jedoch leicht abgewandelt nachdem er Jona eine Lektion gelehrt hat, die dieser aber nicht bereit ist zu lernen. Nun aber antwortet er Gott: Er bleibt zornig und wiederholt seinen Todeswunsch. Als Gott den Fisch dazu „bestimmt“ hatte Jona zu verschlingen, kehrte der Prophet um zu Gott. Nun jedoch , da Gott über den Rizinusstrauch, den Wurm und den Ostwind „bestimmt“, dass sie seine Werkzeuge sind, um Jona zur Verständnis zu leiten, gewinnt Jona keine Einsicht.
2. Aufbau
Gottes Handeln für und gegen Jona in den Versen 6-8 ist ein Dreischritt, der bestimmt ist durch das dreifache Handeln Gottes - wörtlich: „Und JHWH-Gott bestimmte einen Rizinus …. und der Gott bestimmte einen Wurm …. Und Gott bestimmte einen scharfen Ostwind.“ In dieser Handlungsfolge fällt besonders auf, dass Gott auf drei verschiedene Arten genannt wird: JHWH-Gott, der Gott und Gott. Darin verbirgt sich wahrscheinlich eine theologische Verdeutlichung des Erzählers, die die Bedeutung dieser erzählten Gleichnishandlung unterstreicht. Die Nennung des Gottesnamens in direkter Verbindung mit der Gottesbezeichnung, JHWH-Gott, ist selten im Alten Testament – jedoch prominent im zweiten Schöpfungsbericht zu lesen (Gen 2,4-3,24). Sie bedeutet in der polytheistischen Umwelt des Alten Testament eine dem Ein-Gott-Glauben verpflichtete Zuspitzung: JHWH, der Gott Israels, ist Gott schlechthin; er ist der (!) eine Gott und nur er ist Gott. Dieser Gedanke könnte auch in den Versen 6-8 zu finden sein, um die theologische Dramatik zu unterstreichen, wenn Jona sich vollends abwendet von dem Gott, den er zuvor selbst als „den Gott des Himmels, der das Meer und das Festland gemacht hat“, beschrieben hat (Jona 1,9).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 5: Das Herausgehen Jonas aus Ninive wird gemeinhin als eine nachholende Erzählung gedeutet: Jona sei bereits nachdem er das Gerichtswort verkündet hatte (Jona 3,4) aus der Stadt gegangen – wodurch auch das Gespräch zwischen Gott und Jona in den Versen 1-4 außerhalb Ninives verortet wird. Doch eine solche Leseweise steht in der Gefahr der am Ende von Vers 4 stehenden Aussage ihre eigentliche Spitze zu nehmen. Jona wartet blickt nicht einfach auf die Stadt und wartet, was passieren möge. Sondern er will unbedingt etwas anderes „sehen“, als das was Gott „gesehen“ und ihn zu seiner Reue geführt hat. Er erwartet immer noch das Gericht Gottes gegen Ninive („bis dass er sähe“) und um es zu sehen, entfernt er sich nun von der Stadt. Er geht gar nach Osten, obwohl Jerusalem und der Tempel Gottes, wohin er zurückkehren wollte (siehe Jona 2), oder besser sollte, doch in der entgegengesetzten Richtung liegt. In seinem Handeln zeigt sich sozusagen eine Hoffnung, dass das in Jona 3,10 festgestellte Handeln Gottes nicht endgültig ist, dass die Verschonung Ninives, wie es dann der Prophet Nahum nahelegt, doch nicht Gottes letztes Wort sein kann und darf. Doch im Buch Jona geht es nicht um Ninive, sondern Jonas und des Lesers Einsicht in das Wesen Gottes. Der Verweis auf den Schatte, den Jona sich durch den Bau der Hütte verschafft, um vor der glühenden Sonne verschont zu sein, deutet bereits auf das menschenfreundliche Handeln Gottes hin. Der Begriff „Schatten“ wird im Alten Testament sehr häufig im übertragenen Sinn verwendet: „Wer im Schutz des Höchsten wohnt, der ruht im Schatten des Allmächtigen.“ (Psalm 91,1).
Vers 6: Der Rizinus ist eine 3-5 Meter hohe Staude. Sie überragt die Hütte Jona und gewährt ihm somit mehr Schatten. Er soll ihm, so Gottes Wunsch, sozusagen einen kühlen Kopf bereiten und ihm, wie es hier wörtlich heißt: „von seiner Bosheit befreien“. Und Jona „große Bosheit“ (Vers 1) über Gotte Handeln wandelt sich in „große Freude“ – doch als Objekt der Freude wird nicht Gott genannt. Um den Schatten der Rizinusstaude hatte Jona nicht gebeten. Er ist eine geschenkte Gnade.
Vers 7: Die große Staude vergeht auf Geheiß Gottes durch einen kleinen Wurm (siehe auch Exodus 16.20).
Vers 8: Nicht nur nimmt Gott dem Jona die Schatten spendenden Rizinusstaude, sondern lässt auch noch den warmen Ostwind gegen Jona peitschen. Eigentlich ist das Aufgehen der Sonne ein Heilssignal im Alten Testament, doch nun – wie der große Wind in Jona 2 – ist es der Zeitpunkt des göttlichen Strafens, für das der Ostwind häufiger steht (siehe zum Beispiel Exodus 10,13 und Jesaja 27,8). Mit dem Wurm und dem Ostwind richtet Gott einen doppelten Angriff gegen Jona. Er ist der Sonne schutzlos ausgeliefert. Und dies verstärkt nur noch seinen Todeswunsch.
Vers 9: Gott wiederholt seine Frage aus Vers 4 – nun jedoch bezoge auf das Schicksal der Rizinusstaude, anhand der er Jona eine Lektion erteilen will. Jona hingegen antwortet nicht wirklich auf die Frage: Seine Worte sind keine Hinwendung zu Gott, keine Anrufung, sondern ein Ausruf – den man auch als Selbstvergewisserung lesen kann. Er will den Tod, weil dies das Ende der Beziehung zu diesem Gott bedeutet, dessen Handeln er nicht versteht.