Liquida non frangunt ieunum, also „Flüssiges bricht das Fasten nicht“! – dieser Grundsatz führte im Mittelalter clevere Mönche dazu, die strengen Fastenregeln durch das Brauen von Starkbier ertragbarer zu machen. Zugleich bringt diese Fastenregel bis heute eine Grundwahrheit des Menschseins auf den Punkt! Ein Leben ohne Flüssigkeitsaufnahme, ohne Wasser, ist nicht möglich - innerhalb von zwei bis sechs Tagen würde man verdursten.
In der Leseordnung der katholischen Kirche begegnet man am 3. Fastensonntag (Lesejahr A) im Johannesevangelium Jesus, der sich erschöpft zur heißen Mittagszeit an einen Brunnen setzt und zu einer Frau sagt: „Gib mir zu trinken!“ (Johannes 4,7). Der Sohn Gottes wird in seiner Menschlichkeit dargestellt, die sich dann am Kreuz in dem Ausruf „Mich dürstet!“ (Johannes 19,28) zuspitzt. Wasser ist ein menschliches Grundbedürfnis, aber weder damals im Alten Orient noch heute ist verfügbares Trinkwasser eine Selbstverständlichkeit.
Bereits die alttestamentliche Weisheit lehrt, dass man selbst dem dürstenden Feind, Wasser zum Trinken anbieten muss: „Hat dein Feind Hunger, gib ihm zu essen, hat er Durst, gib ihm zu trinken“ (Sprichwörter 25,21) – in diesem Akt zeigt sich Nächsten- und Feindesliebe, selbst wenn Feinde einem Dürstenden in ihrer Bosheit Essig statt Wasser reichen (vgl. Psalm 69,21; Johannes 19,29).
Der menschliche Durst ist in der bis heute die Christenheit prägende Gebetssprache der Psalmen zu einem Ausdruck der menschlichen Beziehung zu Gott geworden: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, nach dir, Gott“ (Psalm 42,9). Diese Gebetsmetapher ist sogar noch dramatischer als es die revidierte Einheitsübersetzung erscheinen lässt. Der Hirsch, bzw. eigentlich die Hirschkuh schmachtet über einem ausgetrockneten Bach nach frischem, fließendem Wasser – und so verzehrt sich der Beter, die Beterin im Angesicht der Gottesferne: „Meine Seele dürstet nach Gott“ (Psalm 42,3), der sich im Buch des Propheten Jeremia selbst als „Quell des lebendigen Wassers“ für sein Volk bezeichnet (Jeremia 2,13).
In Johannes 4,13 unterscheidet Jesus zwischen dem lebensnotwendigen Wasser, das sich aus dem Brunnen, an dem er sitzt, schöpfen lässt, und dem „lebendigen Wasser“, das in seinen Worten eine Metapher für den Geist Gottes ist: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben.“ Jesus stillt den spirituellen Durst; doch das Psalmengebet ist bis heute nicht verstummt: „Gott, mein Gott bist du, dich suche ich, es dürstet nach dir meine Seele. Nach dir schmachtet mein Fleisch wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser“ (Psalm 63,2). Und jährlich sterben mehr als zwei Millionen Menschen, weil sie keinen Zugang zu trinkbarem Wasser haben. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen gar davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren jedem einzelnen Menschen im Durchschnitt ein Drittel weniger Trinkwasser zur Verfügung stehen wird.
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